Zusammenfassung
JungeGalium aparine-Pflanzen weisen nach Behandlung der Sämlinge mit 2,4-D-Lösungen Blätter mit verschmälerten Spreiten und (oder) tütenartig verwachsene bzw. reduzierte Blattwirtel auf.
Da die Keimpflanzen nur während einer relativ kurzen Zeit ihrer Entwicklung auf die 2,4-D-Applikation reagieren, konnte gezeigt werden, daß die Anomalien jeweils nur an dem Blattwirtel entstehen, der zur Behandlungszeit gerade ein für die Induktion der betreffenden Aberration empfindliches Stadium erreicht hat.
Die sehr kurze Sensibilitätsphase machte es möglich, das Ausgangsstadium der beobachteten Fehlentwicklungen festzustellen und anatomisch zu untersuchen.
Befindet sich der Vegetationspunkt zur Zeit der 2,4-D-Anwendung gerade in dem zwischen der Ausgliederung zweier Wirtel liegenden Plastochronabschnitt, dann ist eine Reduktion der Gliederzahl des folgenden Wirtels zu erwarten.
Das Induktionsstadium für die Ausbildung kongenital verwachsener Blatt-Tüten (Gamophyllie) ist charakterisiert durch die der Anlegung eines Wirtels unmittelbar vorangehende maximale Streckung des Vegetationskegels. Diese Phase ist bereits mit Beginn einer mikroskopisch erkennbaren Hervorwölbung von Blattanlagen abgeschlossen.
Junge noch nicht differenzierte Primordien sind nicht beeinflußbar, jedenfalls zeigen sie später keine erkennbaren Veränderungen. Erst mit der Anlegung der Spreitensäume treten sie wieder in eine neue Sensibilitätsphase ein. Es kommt zu einer Hemmung der Mesophylldifferenzierung und infolgedessen zu verschmälerten Blattspreiten.
Fragen der Homologisierung 2,4-D-induzierter Blattverwachsungen und ihrer morphologischen Klassifizierung werden diskutiert.
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Haccius, B., Schneider, W. Untersuchungen zur Stadienspezifität des teratogenen Effektes der 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure bei Galium aparine. Planta 52, 206–229 (1958). https://doi.org/10.1007/BF01897082
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF01897082