Zusammenfassung
An Hand von Dauerbeobachtungen des Liquordrucks wurden Untersuchungen angestellt über die Wiederherstellung des Ausgangsdrucks nach experimenteller Änderung der Liquormenge. Dabei wurde folgendes festgestellt:
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1.
Nach intralumbaler Injektion von 10 ccmphysiologischer Kochsalzlösung sank normalerweise der erzeugteÜberdruck sehr bald wieder zum Ausgangsdruck ab, spätestens nach 30 Min., während der Druckabfall nach Injektion derselben MengeEigenliquors eine relativ längere Zeit beanspruchte, mehrfach nach 45 Min. noch nicht vollkommen beendet war.
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2.
Drucksenkungen infolge vonEntnahme von 5–20 com Liquors wurden ebenfalls verhältnismäßig rasch, in 40–95 Min. wieder ausgeglichen. Die dazu benötigte Zeit hängt offenbar nicht nur ab von der 1Anmerkung bei der Korrektur. Kürzlich haben wir zu anderen Untersuchungen in mehreren Fällen60 ccm Liquor abfließen lassen und bei fortlaufender Beobachtung festgestellt, daß der Ausgangsdruck in durchschnittlich4 Stunden wieder erreicht war.
Größe des entnommenen Liquorquantums, sondern auch von dem Grade der erreichten Drucksenkung (die ihrerseits bei Entfernung gleicher Mengen verschieden groß sein kann). Außerdem scheint hierbei auch die verschiedene individuelle Reaktionsweise von Bedeutung zu sein.
DerMechanismus der Druckregeneration nach Entnahme von Liquor beruht vermutlich bis zu einem gewissen Grade auf der Anpassungsfähigkeit des Gewebes (Spannungszustand der Meningen, Gefäßpolsterung), die Hauptrolle muß aber wohl einerNeuproduktion von Liquor zugeschrieben werden.
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3.
Atropin wirkte in der Mehrzahl der Fälleverzögernd, Pilocarpin beschleunigend auf den Druckausgleich nach Liquorentnahme, wahrscheinlich zum Teil auf dem Wege einer Hemmung (Atropin) bzw. einer Förderung (Pilocarpin) der Liquorabsonderung.
Der Einfluß intravenös gegebeneranisotoner Lösungen auf den Druckausgleich nach Liquorentnahme lag in den von uns angewandten Dosen bei 6 Untersuchungen nur zweimal in der nach osmotischen Gesetzen zu erwartenden Richtung, insofern als nachAqua dest. einmal die Druckregeneration eineBeschleunigung, nach20% iger NaCl-Lösung eineVerlangsamung erfuhr.
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4.
Jeder Mensch besitzt offenbar eineindividuelle mittlere Höhe des Lumbaldrucks, die normalerweise — abgesehen natürlich von den physiologischen Schwankungen — auch über größere Zeiträume hin im wesentlichen konstant zu bleiben scheint. Der Organismus ist offenbar bestrebt, künstliche Störungen dieses Gleichgewichtszustandes, selbst wenn sie durch Änderungen der Liquormenge zustande kommen, baldmöglichst wieder auszugleichen.
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5.
Postpunktionsbeschwerden sahen wir nach Dauerpunktionenohne Entnahme von Liquor sehr selten, bei solchenmit Liquorentnahme viel häufiger, jedoch nicht häufiger als bei der üblichen kurzdauernden Punktion, auftreten. Ausschlaggebend für deren Entstehen scheint daher weder die Tatsache des Eingriffes an sich, noch die Länge der Zeit, während welcher die Nadel liegt, noch in besonderem Maße die erzeugte Verletzung der Meningen, sondern vielmehr die Tatsache derEntnahme von Liquor zu sein. Kranke mit Zeichen vonÜbererregbarkeit desvegetativen Nervensystems schienen außerdem besonders leicht Beschwerden nach der Punktion zu bekommen.
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Haug, K. Der Verlauf der Lumbaldruckkurve und deren Beeinflußbarkeit bei experimentell veränderter Liquormenge. Archiv f. Psychiatrie 97, 303–317 (1932). https://doi.org/10.1007/BF01815548
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