Physikalisch-chemische Untersuchungen zur Frage der Hirnvolumsvermehrung (Hirnschwellung und Hirnödem)

Zusammenfassung

An über 370 Organstücken (Gehirnrinde und -mark, Leber, Niere und Muskel) von 15 Kaninchen wurde in gepufferten Phosphatlösungen sowie nach Narkose-bzw. KCN-Einwirkung die Neutralisationsfähigkeit bei einem Anfangs- pH⁺ von 8,50 bzw. 4,80 fortlaufend bis zur 22. (vereinzelt auch bis zur 48.) Stunde p. m. verfolgt.

• 1. Die Neutralisationsfähigkeit wird mit Zunahme der Entfernung vom Neutralpunkt deutlicher; zellarme Gewebe (Marklager des Z.N.S.) folgen dieser Regel mit einer quantitativ geringeren Zunahme der Neutralisationsfähigkeit als zellreiche Gewebe.

• 2. Der Grad der Neutralisationsfähigkeit (Pufferungspotenz) verschiedener Gewebe ändert sich unter Einwirkung von Äthernarkose und nach Zusatz von n/1000 KCN-Lösung. Dabei zeigt das Marklager eine nur mangelhafte Regulationsfähigkeit, und zwar gerade im alkalischen Bereich, während Leber und Niere, erstere sowohl im Sauren wie im Alkalischen, die stärksten Pufferungspotenzen der untersuchten Organe aufweisen.

• 3. In den geprüften pH⁺-Bereichen gepufferter Lösungen steht beim Kaninchen im Mittel die Alkali- und Säureneutralisation am Ende des Vorganges etwa im Verhältnis von 1:2.

• 4. Es tritt jenseits der 22. Versuchsstunde im Alkalischen ein Rückgang, im Sauren eine Beschleunigung der Neutralisation ein, die auf Freiwerden alkalischer Valenzen durch beginnende Autolyse zurückgeführt werden.

• 5. Neutralisationsfähigkeit und Volumvermehrung durch Wasseraufnahme stehen zueinander in umgekehrtem Verhältnis.

• 6. Es wird ein Zusammenhang der Neutralisationsfähigkeit mit der Permeabilität und mit der Atmungsgröße des betreffenden Gewebes angenommen.

• 7. Es wird vorgeschlagen, nur solche Hirnvolumsvermehrungen als Hirnschwellung im SinneReichardts zu bezeichnen, die weder pathologisch-anatomisch noch physikalisch-chemisch Zeichen ödematöser Veränderungen aufweisen und den vonReichardt aufgestellten Kennzeichen entsprechen.