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Realismus und transzendentale Erkenntniskritik

Zur Kontroverse zwischen kritischen Rationalismus und Dialektik

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Zusammenfassung

Die dialektische Erkenntnistheorie postuliert gewöhnlich eine Unvereinbarkeit zwischen der transzendentalen Analyse der Bedingungen möglicher Erkenntnis und dem Realismus. Die Annahme der Korrespondenztheorie der Wahrheit wird mit einem naiven Realismus identifiziert und dieser in der Kontroverse mit dem kritischen Rationalimus der gegnerischen Position unterschoben. Jenem werden die Vorzüge dialektischer Betrachtungen als transzendentale Analyse gegenübergestellt. Dieser Argumentation soll hier eine unzulässige Vermengung semantischer Fragen mit erkenntnistheoretischen Fragen nach der Möglichkeit eines Zugangs zu den Tatsachen nachgewiesen werden. Während bei Kant durchaus eine Verbindung von Transzendentalphilosophie und Realismus vorzufinden ist, wird der Charakter transzendentaler Analyse im deutschen Idealismus und in der dieser Tradition folgenden kritischen Theorie seines eigentlichen Sinnes beraubt. Der Versuch, den Realismus instrumentalistisch umzudeuten, muß infolge der Verschränkung semantischer und erkenntnistheoretischer Fragestellungen fehlschlagen.

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Literatur

  1. Vgl. J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, S. 157–186; ders., Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus, S. 238–248; H. Albert, DerMythos der totalen Vernunft, S. 197–211; ders., Im Rücken des Positivismus, S. 270–286; alle in: Th. W. Adorno, H. Albert, R. Dahrendorf, J. Habermas, H. Pilot und K. R. Popper, Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Neuwied und Berlin 1969.

  2. H. Schnädelbach, Über den Realismus, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie III, 1972, Heft 1.

  3. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsensustheorie von J. Habermas, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie III, 1972, Heft 1.

  4. Vgl. hierzu A. Tarski, Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen, in: Studia Philosophica 1, 1935; ders., The Semantic Conception of Truth and the Foundations of Semantics, in: H. Feigl and W. Sellars, Readings in Philosophical Analysis. New York 1949; W. Stegmüller, Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik, Wien, 2. Aufl., 1968; K. R. Popper, Truth, Rationality and the Growth of Scientific Knowledge; ders., On the Sources of Knowledge and Ignorance; ders., Three Views Concerning Human Knowledge; alle in: ders., Conjectures and Refutations, London 1969; ders., Epistemology without a Knowing Subject, in: van Rootselaar and Staal (Hrsg.), Logic, Methodology and Philosophy of Science III, Amsterdam 1968, auch abgedruckt in: K. R. Popper, Objective Knowledge. An Evolutionary Approach, Oxford 1972.

  5. Vgl. W. Stegmüller, Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik, a.a.O., S. 235ff., insbesondere S. 236: „Die Semantik ist erkenntnistheoretisch invariant gegenüber derartigen Standpunkten; ein Akzeptieren ihres Vorghens zieht keine bestimmte erkenntnistheoretische Position nach sich, wiewohl sie durch Klärung zahlreicher Begriffe auch zur Behandlung sogenannter erkenntnistheoretischer Fragen einen wesentlichen Beitrag leistet“.

  6. Vgl. darüber vor allem K. R. Popper, Epistemology without a Knowing Subject, a.a.O.; ders., Truth, Rationality and the Growth of Scientific Knowledge, a.a.O., S. 225.

  7. Die Argumentation von H. Schnädelbach beruht gerade auf einer systematischen Vermischung dieser beiden Fragen: H. Schnädelbach, Über den Realismus, a.a.O., S. 90–97.

  8. Vgl. W. Stegmüller, Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik, a.a.O., S. 236: „Die Diskussion von Fragen, wie „kann man Aussagen von naturgesetzlichem Charakter definitiv verifizieren?“, „unter welchen Bedingungen ist eine Hypothese als induktiv bestätigt anzusehen?“, „welche Voraussetzungen müssen Aussagen erfüllen, um als empirisch prüfbar angesprochen werden zu können?“, gehört nicht in die Semantik. Semantische Begriffe werden jedoch bei solchen Diskussionen an vielen Stellen vorausgesetzt werden müssen ... “

  9. Vgl. K. R. Popper, Epistemology without a Knowing Subject, a.a.O., S. 345–347. H. Albert, Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 1969, S. 8–54.

  10. Diese Tatsache, die für den Realismus aus methodologischen Gründen spricht, wurde von P. K. Feyerabend besonders herausgearbeitet. Vgl. z.B. P. K. Feyerabend, Realism and Instrumentalism: Comments on the Logic of Factual Support, in: M. Bunge (Hrsg.), The Critical Approach to Science and Philosophy. In Honor of Karl R. Popper. London 1964; ders., Problems of Empiricism I, in: R. G. Colodny (Hrsg.), Beyond the Edge of Certainty. Englewood Cliffs 1965; ders., Problems of Empiricism II, in: R. G. Colodny, The Nature and Function of Scientific Theory, Englewood Cliffs 1969.

  11. Dieser Versuch findet sich bei J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz; ders., Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie?, insbesondere S. 223–224; beide in: J. Habermas/N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Frankfurt 1971.

  12. Darauf wurde schon aufmerksam gemacht von A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsensustheorie von J. Habermas, a.a.O., S. 78f. und passim. An anderer Stelle wird darauf in einem unfangreicheren Kontext ausführlich eingegangen: R. Münch, Gesellschaftstheorie und Ideologiekritik, Marxismus, kritische Theorie und kritischer Rationalismus. Hamburg 1973, Kap. V., 2.

  13. K. R. Popper, On the Sources of Knowledge and Ignorance, a.a.O., S. 13ff.

  14. K. R. Popper, Epistemology without a Knowing Subject, a.a.O., S. 345–347, 365–371.

  15. Darin liegt das Mißverständnis von H. Schnädelbach, Über den Realismus, a.a.O., das hier aufgeklärt werden sollte.

  16. Vgl. z.B. K. R. Popper, Epistemology without a Knowing Subject, a.a.O., S. 370.

  17. P. K. Feyerabend, Realism and Instrumentalism, a.a.O.; ders., Problems of Empiricism I and II, a.a.O.; I. Lakatos, Criticism and the Methodology of Scientific Research Programmes, in: Meeting of the Aristotelian Society, 28th Oct., London 1969; ders., Falsification and the Methodology of Scientific Research Programmes, in: I. Lakatos und A. Musgrave (Hrsg.), Criticism and the Growth of Knowledge, Cambridge 1970. Anderenorts wird die Relevanz dieser Methodologie für die sozialwissenschaftliche Forschung behandelt: R. Münch, Zur Kritik der empiristischen Forschungspraxis, in: Zeitschrift für Soziologie 1, 1972, Heft 4; ders., Kritizismus, Konstruktivismus, Marxismus, in: H. Albert und H. Keuth (Hrsg.), Kritik der kritischen Psychologie. Hamburg 1973; ders., Gesellschaftstheorie und Ideologiekritik, a.a.O., Kap. V. 3.

  18. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft. Hamburg: Meiner, 1956, 2. Aufl., S. 19ff., 25ff.

  19. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, a.a.O., 2. Aufl., S. 218ff., 349ff.

  20. H. Schnädelbach, Über den Realismus, a.a.O., S. 102, Anm. 46.

  21. Hier kann darüber nur eine Skizzierung gegeben werden. An anderem Ort wird eine ausführliche Darstellung dieser Problemverschiebungen von Kant zu Hegel, Hegel zu Marx und Marx zu Habermas und Sohn-Rethel unternommen: R. Münch, Gesellschaftstheorie und Ideologiekritik, a.a.O.

  22. G. W. F. Hegel, System der Philosophie, T1. III, in: Sämtliche Werke, hrsg. von H. Glockner. Stuttgart 1964, §§ 440–468, §§ 553–577; ders., Grundlinien der Philosophie des Rechts, a.a.O., § 32, S. 83. Vgl. J. Habermas, Erkenntnis und Interesse. Frankfurt 1968, S. 25.

  23. J. Habermas, Erkenntnis und Interesse, a.a.O.; ders., Einige Schwierigkeiten beim Versuch, Theorie und Praxis zu vermitteln, in: ders., Theorie und Praxis, Frankfurt 1971.

  24. H. Schnädelbach, Über den Realismus, a.a.O., S. 97ff.

  25. H. Schnädelbach, a.a.O., S. 103ff.

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Münch, R. Realismus und transzendentale Erkenntniskritik. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 4, 98–107 (1973). https://doi.org/10.1007/BF01801067

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF01801067

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