Zur Klinik und Erbbiologie der juvenilen Tabes

Zusammenfassung

Es wurden zum ersten Male systematische, auslesefreie Familienuntersuchungen bei 10 Fällen von T. j. durchgeführt. Bei der außerordentlichen Seltenheit des Leidens handelt es sich um ein relativ großes Material.

Die Symptomatologie wird eingehend besprochen und gezeigt, daß die T. j. meist äußerst symptomarm und schleichend verläuft — dies hatten auch schon frühere Untersucher gefunden.

Der 8mal untersuchte Liquor zeigte nur einmal positive Reaktion. Die serologischen Methoden sind somit für die Diagnose der T. j. praktisch fast wertlos.

Um so wichtiger ist die Familienforschung, der es häufig gelingt, die elterliche Lues nachzuweisen (6mal, 2mal verdächtig). Die elterliche Metalues spielt bei der T. j. eine relativ große Rolle (5 von 10 Fällen); eine eingehende Prüfung aller Tatsachen führt dazu, die Theorie des Virus nerveux in Übereinstimmung mit den meisten anderen Autoren abzulehnen.

Die eingehende Familienuntersuchung ermöglicht eine erbbiologische Strukturanalyse des einzelnen Falles von T. j. („In-dividualdiagnose“, Siebeck). Das wichtigste Ergebnis dieser Bemühungen ist der Nachweis, daß Schwachsinn (3 mal auf 10 Fälle beobachtet) nur dann in Erscheinung tritt, wenn eine prämorbide, spezifische Erbdisposition vorliegt.

Die Erbstatistik hat ergeben, daß in der Familie der T. j.-Kranken eine ausgesprochene neuropathische Konstitution vorherrscht: Eltern und Geschwister zeigen fast 4mal soviel, nach Ausschaltung der Neuroluesfälle doppelt soviel neuropathologisch Auffällige als die entsprechenden Verwandtschaftsgrade der Normalbevölkerung.

Aus diesen und den vorerwähnten Tatsachen ergibt sich — in Übereinstimmung mit älteren Angaben —, daß die juvenile Tabes nur dann entsteht, wenn außer der Spirochäte auch eine ererbte neuropathische Veranlagung gegeben ist.