Zusammenfassung
Bei verdünnter Luft ist zu erwarten, daß die Capillarberieselung der größten Organmasse des menschlichen Körpers, der Muskulatur, verstärkt ist. Die Erweiterung des Capillarstrombettes der Muskulatur bei vermindertem Luftdruck muß, genau wie bei Normalluftdruck, nach körperlicher Arbeit zu verstärkten orthostatischen Veränderungen des Kreislaufes führen. Die orthostatische Funktionsprobe des Kreislaufes, durchgeführt an 20 gesunden Versuchspersonen in Parallelversuchen bei Normaldruck und bei vermindertem Luftdruck (402 mm Hg=5000 m Höhe) ergab viel stärkere orthostatische Kreislaufveränderungen im Unterdruck. Diese stärkere orthostatische Kreislaufveränderungen führten bei 4 Versuchspersonen im Unterdruck zum Kreislaufkollaps, zum sog. Gravitationsshock. Das feste Bandagieren der Beine beseitigte die verstärkten orthostatischen Veränderungen des Blutkreislaufes im Unterdruck und besserte somit auch das Befinden der Versuchspersonen. Das Auftreten der Höhenkrankheitssymptome wurde im Unterdruck (5000 m Höhe) nur bei aufrechtem Stehen, ohne Bandagen, parallel mit der Entwicklung der schweren orthostatischen Veränderungen des Kreislaufes beobachtet. Dagegen schwanden alle Erscheinungen der Krankheit sowohl beim Übergang in die horizontale Lage als auch beim Stehen, wenn die Bandagen angelegt waren, nachdem also die orthostatische Störung der Blutverteilung im Körper beseitigt wurde. Die Höhenkrankheit trat somit auf mit Verschlechterung und schwand mit Verbesserung der Blutversorgung des Gehirnes.
Im Lichte dieser Untersuchungen wird die Höhenkrankheit als ein gegenseitiges Wechselspiel von Gehirnhypämie und Hypoxämie aufgefaßt. So ist das Auftreten der Krankheit auch in Höhen zwischen 3–5000 m besonders nach körperlicher Arbeit (Bergsteigen) verständlich.
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Die in dieser Arbeit niedergelegten Untersuchungen wurden mit Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgeführt.
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Mateeff, D., Schwarz, W. Der orthostatische Kreislaufkollaps — Gravitationsshock — bei vermindertem Luftdruck. Pflügers Arch. 236, 77–92 (1935). https://doi.org/10.1007/BF01752325
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