Über einige Täuschungen in der Raumwahrnehmung bei Erkrankung des Vestibularapparates

Zusammenfassung

Bei einem Kranken mit Ménièreschen Anfällen und den Zeichen einer linksseitigen Vestibularerkrankung fanden sich dauernd vorhandene systematische Störungen des optischen Raumsinnes. Sie bestanden im wesentlichen:

• 1. in einer Verzerrung des Gesichtsfeldes im Sinne einer Schiefstellung der vertikalen zur transversalen Koordinate. Dementsprechend sah der Kranke z. B. aufrechte Quadrate wie Rhomben, rechtwinklige Kreuze wie schiefwinklige usw.;

• 2. in einer scheinbaren Neigung aller lotrechten und ebenso aller wagerechten Linien, der letzteren sowohl in frontaler wie in sagittaler Ebene; die von solchen Linien begrenzten Flächen nehmen in entsprechender Weise an der scheinbaren Schiefstellung teil, so daß der ganze Sehraum des Kranken dauernd geneigt und zugleich verzerrt erschien.

Die Erklärung wird in einer Störung normalerweise schon bestehender Einflüsse der u. a. vestibular vermittelten Wahrnehmung der Schwererichtung auf Gesichtsfeld und Sehraum gesucht.

Untersuchungen des haptischen Raumsinnes ergaben neben linksseitigem Vorbeizeigen auch geringere und daher selbständige Störungen des Lokalisierens im äußeren Raume sowohl wie auf der Körperoberfläche. Es wird gezeigt, daß eine scharfe Unterscheidung von Ortsraumsinn und Bewegungsraumsinn nötig ist und daß beide in verschiedenem Betrage gestört waren. Überdies wird gezeigt, daß Störungen des Lokalisierens auf der Haut allein durch Störungen des Raumsinnes der zeigenden Extremität trotz intakter Sensibilität zustandekommen können.

Ein kurzer Bericht über Versuche bei normalen Menschen zeigt, daß auch bei diesen der haptische Raumsinn mit bestimmten, als Aberration bezeichneten Fehlern behaftet ist, und daß diese Aberration von verschiedenen Faktoren, besonders von den Stellungen der Augen in charakteristischer Weise beeinflußt wird.