Zusammenfassung
Die Entstehung und Bildung der Otolithen ist ein avitaler Vorgang und gleicht vollkommen dem der Steinbildung im tierischen Körper. Otolithen sind. Steinkonkremente. Das vitale dabei ist nur die Abscheidung des kolloidalen Sekretes der Sinnesepithelien, welches eine Gallerte, ein Gel, darstellt. In ihm reichern sich die anorganischen Ca-Salze an und fallen dann als Krystalle aus. Anreicherung geschieht durch die Adsorption und vielleicht zum Teil auch durch die chemische Bindung. Die Endolymphe kann nicht die Salze der Otolithen in einfacher wässeriger Lösung halten. Erstens weil ihre Menge zu gering ist, weil sie alkalisch reagiert und fast keine (Schutz-) Kolloide enthält (0,01% Eiweiß). Zweitens kann es auf Grund desDonnanschen Membran-gleichgewichtes zwischen Blut und Endolymphe nicht möglich sein. Das Gel ist als wohl differenziertes und an nur bestimmten Stellen vorhandenes Gebilde (Maculae lagenae, sacculi et utriculi)in vivo schon vor der Ausfällung der Otolithen präformiert. Solche Gebilde sind schon am 6. Tage zu beobachten. Man kann am 7. Tage—dem Tag der Ausfällung der Otolithen—auch die Sinneshärchen schon beobachten; so daß die Behauptung vonHerzog undNishio, daß die Härchen viel später auftreten und in keiner Beziehung zur Makulariumbildung stehen, nicht aufrechterhalten werden kann. Die Beziehungen zwischen dem Gel des Makulariums und dem Sinnesepithel sind nicht bloß scheinbare und “nur intime”, sie hängen eng und fest miteinander zusammen. Dafür spricht nicht nur der ganze Prozeß der Entwicklung, sondern auch die Beobachtungen an erwachsenen Tieren. Dieser Zusammenhang ist schon entwicklungsgeschichtlich bedingt. Die krümeligen und fädigen Bildungen innerhalb des Labyrinths—sie sind auch im Rückenmarkkanal zu beobachten—haben mit dem Makularium und mit den Otolithen nichts zu tun. So lassen sich die Vorgänge der Otolithen-entstehung ohne jeglichen Zwang auf die übersichtlichen kolloid-chemischen und physikalisch-chemischen Gesetzmäßigkeiten zurückführen.
Literatur
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Fibrin adsorbiert in wässerigen Toluidinblau- und Neutralrot-Lösungen den Farbstoff. Setzt man dazu schwache C2H4O2, so quillt das Fibrin auf und läßt den Farbstoff los. (Fischer, M.: “Oedema and Nephritis”, p. 644–646, 1921.) Es ist ein der Substitution ähnlicher Vorgang.
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Vgl. Abb. 9 inWittmaack: Arch. Ohr-usw. Heilk.114, 307.
So bezeichnetPosner in einem Nebensatz die Otolithen als “die physiologischen Vorbilder der pathologischen Konkremente” [Z. Urol.7, 799 (1913)].
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Abgeschleuderte Otolithenmembran kann bis 150 Tage (Wittmaack s. o.) im Endolymphenraum verweilen, ohne wesentlich verändert zu werden: das spricht für ihre avitale Natur.
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Das ist ein wichtiges Moment gegen die Auffassung vonKohler [Erg. inn. Med.17, 473–561 (1919)], daß bei den Steinkonkrementbildungen das Primäre der Ausfall der Steinbildner wegen starker Übersättigung und das Sekundäre die Gerüstentwicklung sei.
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Belonoschkin, B. Beitrag zur Frage der Natur und der Entstehung der Otolithen. Archiv f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkunde 128, 208–224 (1931). https://doi.org/10.1007/BF01646155
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