Zusammenfassung
Die Intensität von Röntgenreflexen, vor allem solcher, die infolge von Unterdrückung durch den Strukturfaktor schwach sind, erweist sich als azimutabhängig in der Weise, daß bei bestimmten Einfallsazimuten scharfe Intensitätsmaxima auftreten. Deren Erklärung findet sich darin, daß unter diesen Azimuten der Primärstrahl „Nebenreflexe“ anregt, die durch weitere Reflexionen von der „Differenz“-Ordnung zwischen Haupt- und Nebenreflex auf einem „Umweg“ in die Austrittsrichtung des Hauptreflexes umgelenkt werden. — Bei härterer Strahlung liegen diese Maxima so dicht, daß z. B. mit Mo-Strahlung die „eigentliche“ Intensität des „verbotenen“ (222)-Reflexes von Diamant nicht mehr meß-, bar ist. Auch überhaupt nicht vorhandene Interferenzordnungen, wie z. B. der durch Raumgruppenauslöschung verbotene (200)-Reflex des Diamanten, treten durch die „Umweganregung“ auf, letzterer bei Mo-Strahlung so stark, daß seine kleinste Intensität etwa ein Sechstel der mittleren Intensität von (222) beträgt, während die höchsten Spitzen die Minimalwerte um das 70fache überragen. — Fälschungen von Intensitätsmessungen durch die Umweganregung sind in vielen Fällen zu befürchten. — Weniger einschneidend, wenn auch immerhin merklich, werden die nicht durch den Strukturfaktor benachteiligten Reflexe betroffen. — Versuche theoretischer Intensitätsansätze werden gegeben, deren quantitative. Anwendbarkeit zwar beschränkt ist, die aber immerhin das anschauliche Verständnis der Vorgänge wesentlich fördern. Sie machen eine starke Abhängigkeit derselben von der Kristallgröβe und in besonderer Art von der Kristallgüte wahrscheinlich und führen zu dem Ergebnis, daß für das Ausmaß von Umweganregung und Aufhellung maßgebend weniger Werte des „integralen Reflexionsvermögens“ als direkte Reflexionskoeffizienten sind. Bei Pulveraufnahmen (mit grobkörnigem Pulver) müssen — experimentell zwar noch nicht bestätigt — Debye-Scherrer-Ringe verbotener Reflexe, wie Diamant-(200), auftreten. — Besondere Kombinationen der Umwegreflexionen bieten eine sehr einfache Methode für Präzisionsbestimmungen von Gitterkonstanten. Für Diamant wird eine solche durchgeführt und ergibt: a=3,5594g±0,0001.
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Vorläufige kurze Veröffentlichung erfolgte: Naturwissensch.25, 43, 1937. Bei der Korrektur: Inzwischen wurde die Erscheinung auch von J. Weigle u. H. Mühsam (Helv. Phys. Act X.139, 1937) theoretisch gefordert und Mitteilung experimenteller Ergebnisse in Aussicht gestellt.
Ganz besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. P. P. Ewald für die fördernde Teilnahme am ganzen Verlauf der Untersuchung und Herrn Dr. H. Hönl für seine freundliche Hilfe bei den theoretischen Ansätzen.
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Renninger, M. „Umweganregung“, eine bisher unbeachtete Wechselwirkungserscheinung bei Raumgitterinterferenzen. Z. Physik 106, 141–176 (1937). https://doi.org/10.1007/BF01340315
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