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Zur Frage der Rückfallverhütung bei Süchtigen

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Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Versucht man, diewesentlichsten Gesichtspunkte zur Frage der Rückfallverhütung durch systematische Nachkontrollen bei ehemals Süchtigen zusammenzufassen, so ergibt sich unter Verwertung der Erfahrungen unseres Institutes folgendes:

  1. 1.

    Eine der häufigsten und praktisch wichtigsten Situationen liegt dann vor, wenn der frühere Süchtige einer irgendwie gearteten (beruflichen, familiären, körperlich-krankheitsbedingten) Belastung ausgesetzt ist, unter dieser Belastung leidet und dann seine reaktiven Impulse nicht unmittelbar auf die Beseitigung der Belastung, sondern kurzschlüssig auf die Beseitigung der Verstimmung richtet. Der emotionale Spannungszustand wirkt sich dabei auf die intellektuellen Funktionen dahingehend aus, daß die in ausgeglichener seelischer Verfassung das Verhalten bestimmenden Wertungen abgeschwächt oder aufgehoben werden und die eigene reale Lebenslage unangemessen gleichgültig beurteilt wird. An die Stelle eines sozial fruchtbaren Wertsystems tritt die kurzschlüssige ichbezogene Orientierung an Unlustgefühlen mit der Strebung, diese zu beseitigen. Frühere Erfahrungen mit Betäubungsmitteln bahnen den Entschluß, wieder zum Rauschgift zu greifen. Je kürzer die zeitliche Distanz zum früheren Rauschgiftmißbrauch ist, desto eher kommt dieser Entschluß auch bei unbedeutenden und vorübergehenden Belastungen zustande. Setzt nun der Circulus vitiosus des Rückfalls ein, so wird die bis dahin geordnete Beziehung zur Umwelt immer tiefer gestört. Die Ordnung der Lebensführung leidet. Mit dem allmählichen Abbau zwischenmenschlicher Bindungen erfolgt Abgleiten in die Asozialität und Antisozialität.

  2. 2.

    Rückfallverhütende Kontrollmaßnahmen dürfen nicht den Charakter einer Belastung haben. Auf die berufliche Lage des Kontrollpatienten ist Rücksicht zu nehmen. Ist es einem ehemals Süchtigen wieder gelungen, regelmäßiger Berufsarbeit nachzugehen, so könnten ihm unter Umständen allzu häufig und zeitlich ungünstig gelegte Kontrollen berufliche Nachteile einbringen und somit eine rückfallbegünstigende Belastung für ihn bedeuten. Bei umsichtiger und den Bedürfnissen des Patienten angepaßter Planung der Kontrollen läßt sich diese Gefahr vermeiden.

  3. 3.

    Die Nachbeobachtung hat für den früheren Süchtigen um so weniger den Charakter einer Belastung, je mehr der die Kontrollen durchführende Arzt bestrebt ist, seinen Patienten ernstlich beizustehen.

  4. 4.

    Während die konstitutionelle Neigung zu Ausweichreaktionen bei früher Süchtigen nicht beseitigt werden kann, läßt sich in vielen Fällen durch eine mehrjährige Nachkontrolle vermeiden, daß solche Ausweichtendenzen den Circulus vitiosus des Rückfalls in Gang setzen. Die geeignet angebrachte Warnung, die rechtzeitig ausgesprochene Ermutigung und die Bestärkung des Patienten in den oft vorhandenen guten Vorsätzen bewirken eine Selbstbesinnung und eine Korrektur der in der Rückfallsituation stets gegebenen Selbsttäuschung.

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Meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Müller-Hess zum 70. Geburtstag gewidmet.

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Bschor, F. Zur Frage der Rückfallverhütung bei Süchtigen. Dtsch. Z. ges. gerichtl. Med. 44, 41–49 (1955). https://doi.org/10.1007/BF00667033

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