Zusammenfassung
Die in dreidimensionalen Rahmen eingespannten Kulturen von Kaninchensubkutangewebe zeigten unter mechanischer Beanspruchung folgende Resultate:
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1.
Der durch Synärese bedingte Spannungszustand des Wachstumsmediums ruft eine gerichtete Proliferation in den Hauptzugrichtungen hervor. Die Wachstumsintensität ist proportional dem an der betreffenden Stelle herrschenden Spannungszustand (Bestätigung der Arbeit von P. Weiss [1929]).
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2.
Die äußere Gestalt der Zellen wird durch die Spannungsintensität und ihre Lage zum Plasma tiefgreifend beeinflußt.
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3.
Die im Mutterstück auftretenden Schalen und Zellnetze mit ihren argyrophilen und kollagenen Faserdifferenzierungen weisen eine immer wiederkehrende trajektorielle Anordnung auf, die von der mechanischen Beanspruchung abhängig ist. Die Schalen sind senkrecht zur Zugrichtung ausgebildet, ihre Mächtigkeit ist proportional der Stärke der Zugspannung. Durch das Abwandeln der Versuchsbedingungen zeigen die neu gebildeten Zellen und Faserdifferenzierungen eine der physikalischen Beanspruchung entsprechende Struktur. Die unter den alten Bedingungen entstandenen Differenzierungen werden entweder zurückgebildet, oder aber in den Konstruktionsplan einbezogen. Im ersten Fall sind die Gebiete konstruktiver und destruktiver Entwicklung scharf voneinander abgegrenzt. Auch in den mutterstücksnahen Schleierpartien werden Faserdifferenzierungen ausgebildet, die parallel zur Zugrichtung angeordnet sind. Die Form und Anordnung der Zellen hat keinen richtungsgebenden Einfluß auf die Faserdifferenzierungen.
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4.
Auf die Bedeutung dieser Befunde wird eingegangen.
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Dissertation der philosophischen Fakultät II der Universität Zürich.
Mit Unterstützung durch Mittel aus der E. Goldman-Stiftung zu London.
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Düggeli, O. Über den gestaltenden Einfluss von Zugspannungen auf Bindegewebskulturen. Z. f. Zellforschung u. mikr. Anatomie 26, 351–386 (1937). https://doi.org/10.1007/BF00375470
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