Zusammenfassung
Die Untersuchung einer Gruppe von 160 gesunden Schulkindern auf Anzeichen für eine frühkindliche Hirnschädigung in Anamnese, neurologischem Befund, Röntgenaufnahmen des Schädels, Elektroencephalogramm, Intelligenztest und Benton-Test und der Vergleich mit einer Gruppe ambulanter Patienten mit Verhaltensstörungen führt zu folgenden Ergebnissen:
Anzeichen für eine frühkindliche Hirnschädigung finden sich im Krankengut signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe. Anamnestische Hinweise und neurologische Grenzbefunde, die für eine frühkindliche Hirnschädigung sprechen könnten, finden sich auch bei der Kontrollgruppe so häufig, daß sie allein nicht als verwertbare Hinweise auf eine frühkindliche Hirnschädigung betrachtet werden können. Die Zahl abnormer EEG im Krankengut ist dagegen signifikant höher als bei der Kontrollgruppe.
Bei Schulkindern treten Hinweise auf eine frühkindliche Hirnschädigung, die mit einem der angewandten Untersuchungsverfahren gewonnen wurden, so unabhängig von entsprechenden Hinweisen in den anderen diagnostischen Verfahren auf, daß die Angaben über 6,5% oder gar 17,9% frühkindlicher Hirnschäden unter Schulkindern auf einer Überwertung von Einzelbefunden beruhen müssen. Es erscheint fragwürdig, den Begriff „frühkindliche Hirnschädigung“ in der Ausweitung, wie es heute gerne geschieht, als eine Art nosologischer Einheit zu werten, der ein spezifisches Psychosyndrom zugeordnet werden kann.
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Herrn Prof. Dr. H. Ruffin in dankbarer Verehrung zum 65. Geburtstag am 27. 2. 1967 zugeeignet.
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Strunk, P., Faust, V.B. Die Bewertung hirnorganischer Befunde bei Verhaltensstörungen im Kindesalter. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 210, 152–160 (1967). https://doi.org/10.1007/BF00344616
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