Zusammenfassung
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1.
Im Pigmentepithel des Kaninchenauges werden zwei Formen von Pigment gebildet: Pigmentkugeln und Pigmentstäbchen.
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2.
Die Theorie, daß das Pigment aus geformten Kernderivaten (degenerierten Kernen, Chromidien oder Chromosomen) entsteht, wird widerlegt:
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a)
durch den Vergleich der Form, Größe und Lage der Pigmentgranula mit der Lage und Beschaffenheit „degenerierter“ Kerne,
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b)
durch den Nachweis von Zellgrenzen im angeblich syncytialen Pigmentepithel.
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3.
Die nach Bleichung zurückbleibenden Restkörper der Pigmentgranula lassen sich mit Säurefuchsin anfärben. Diese Färbung ist aber nicht spezifisch für Mitochondrien. Die Lage und die Form der Pigmentgranula sprechen dagegen, daß sie modifizierte Mitochondrien sind.
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4.
Der Verlauf der Pigmentierung zeigt, daß beide Formen der Pigmentgranula — Pigmentkugeln und Pigmentstäbchen — identischen Ursprungs sind.
Aus dem Vergleich der Albinokaninchen mit gefärbten Tieren geht ferner hervor, daß zum mindesten das runde Pigment als „Produkt“ von Golgisystemen gebildet wird.
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5.
Die runden Pigmentgranula in den Augen von Kaninchen- und Schafembryonen weisen häufig Strukturen auf, die an Funktionszustände von Golgisystemen erinnern (Externum und Internum, s. Hirsch 1939).
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6.
Die Entstehung der verschiedenen Pigmentformen aus denselben Vorstufen läßt sich auf eine zeitliche Verschiebung zwischen der Strukturbildung (Tendenz zur Bildung von Stäbchen aus runden Vorstufen) einerseits und der Melaninsynthese andererseits zurückführen.
Zu Beginn der Pigmentbildung (vom 13. Tage der Embryonalentwicklung an) werden infolge der hier sehr früh einsetzenden Melanisierung runder Vorstufen nur Pigmentkugeln gebildet. Im Laufe der folgenden Tage werden im basalen Teil des Augenbechers zunächst plump-ovale, dann längliche Pigmentgranula und vom 18. Tage an ausschließlich Pigmentstäbchen produziert. Die Fähigkeit zur Bildung von Pigmentkugeln bleibt schließlich völlig auf die Anlage des Ciliarkörpers und der Iris beschränkt.
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7.
Ein Vergleich mit der Pigmentgenese im Auge des Hühnerembryos ergab Übereinstimmung in bezug auf die Herkunft der Pigmentgranula. Insbesondere ließ sich beim Hühnerembryo die Abstammung der Pigmentstäbchen von den Mitochondrien eindeutig widerlegen und ihre Herkunft vom Golgiapparat auf einem anderen Wege nachweisen.
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8.
Die vorhandenen morphologischen Unterschiede zwischen dem Kaninchen- und dem Hühnerembryo hinsichtlich des Verlaufes der Pigmentierung führe ich auf Unterschiede in der Bereitstellung des Chromogens und damit in der Intensität der Melaninsynthese zurück.
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9.
Das Kaninchenauge besitzt auch im unpigmentierten Innenblatt des Ciliarkörpers sowie in der Retina (Ganglienzellen- und Körnerschicht) cytologisch die Anlage zur Pigmentierung (Golgi-Systeme). Für das Vorkommen solcher Pigmentvorstufen sprechen auch Beobachtungen an der „Retinitis pigmentosa“ des Menschen, in deren Verlauf eine Pigmentierung der Netzhaut stattfindet.
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Als Dissertation angenommen von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn.
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Güttes, E. Die Herkunft des Augenpigmentes beim Kaninchenembryo. Zeitschrift für Zellforschung 39, 168–202 (1953). https://doi.org/10.1007/BF00344476
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