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Über das anatomische Substrat der generalisierten Tic-Krankheit (maladie des tics, Gilles de la Tourette): Entwicklungshemmung des corpus striatum

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Zusammenfassung

  1. 1.

    Im Gehirn des in Bd. 191 dieses Archivs klinisch berichteten Falles von generalisierter Tic-Krankheit (GTK, maladie des tics, Gilles de la Tourette) fanden sich zwei Gruppen von Veränderungen: a) eine abnorme Dichte und Kleinheit der kleinen Zellen des Striatum (Caudatum und Putamen), das sich auch im ganzen als verkleinert erwies (nach der Nomenklatur von C. u. O. Vogt primär-relativerZwergwuchs des Striatum). b) Restbefunde einer Meningoencephalitis mit besonderer Betonung des unteren Hirnstammes und mehrerer Gliaknötchen in der Substantia reticularis, sowie einer winzigen Glianarbe im ventromedialen Thalamus.

  2. 2.

    Zellzählungen der Striatumzellen bei GTK ergaben im Vergleich zum normalen erwachsenen Striatum eine relative Vermehrung der kleinen Striatumzellen im Verhältnis zu den groβen Zellen, ähnlich dem kindlichen Striatum. Dieser Befund wird durch Vergleich mit dem Fall Dewulf u, Bogaert, mit chronischer Chorea und mit normalen kindlichen wie erwachsenen Gehirnen verdeutlicht. Die Zahl und Dichte der kleinen Striatumzellen entspricht bei unserem 42 jähr. Pat. etwa dem Striatum eines gesunden 1 jährigen Kindes.

  3. 3.

    Diese verschiedene Verteilung der großen und kleinen Zellen wird als mangelnde Ausreifung und Differenzierung des Striatum gedeutet. Die größere Dichte ist wahrscheinlich durch verminderte Entwicklung der zwischen den Zellen liegenden Strukturen zu erklären. Es wird angenommen, daß diese mangelnde Ausreifung des Striatums eine verminderte striäre Koordinierung der tiefen Stammhirnmotorik mit den cortical gesteuerten Bewegungen bedingt. Die Parallelen mit der kindlichen Motorik werden kurz besprochen.

  4. 4.

    Die Ähnlichkeit des normalen frühkindlichen Striatums mit dem unseres Pat. macht eine Entwicklungshemmung des Striatum als anatomisches Substrat der Tic-Hyperkinese der GTK wahrscheinlich.

  5. 5.

    Es ist möglich, daß die Meningoencephalitis, deren Dauer und Alter anatomisch nicht mehr bestimmt werden kann, mit den in der Substantia reticularis gefundenen Gliaknötchen eine unterstützende Bedeutung für die Progredienz der Unruhe- und Drangzustände hatte.

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Balthasar, K. Über das anatomische Substrat der generalisierten Tic-Krankheit (maladie des tics, Gilles de la Tourette): Entwicklungshemmung des corpus striatum. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f.d.ges.Neurologie 195, 531–549 (1957). https://doi.org/10.1007/BF00343129

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