Chromosomenevolution bei Chironomus

Zusammenfassung

• 1. Die Speicheldrüsen-Chromosomen der Chironomus-Arten zeigen interspezifisch Unterscheidungsmerkmale homologer Strukturen, die nicht mit linearen Umbauten erklärt werden können und unter der Bezeichnung „Strukturabwandlungen” zusammengefaßt werden.

• 2. Strukturabwandlungen, die sich als Faktoren der Chromosomen-evolution erweisen, betreffen Proportionsverhältnisse der Speicheldrüsen-Chromosomen, Heterochromatindifferenzierungen an den Kinetochorregionen und unterschiedliche Ausprägung homologer interkalarer Strukturen.

• 3. Die Aufblähungen in den Speicheldrüsen-Chromosomen von Ch. th. thummi werden auf die Bruchfähigkeit des darin enthaltenen Heterochromatins untersucht. Die Spermienbestrahlung bewirkt für die drei mediokinetischen Chromosomen 34–48% mehr rekombinierte Brüche als die Direktbestrahlung embryonaler Speicheldrüsen-Chromosomen (Keyl 1958). Die für die Kinetochorregionen errechneten Werte aus Bruchzahlprozenten/Abschnittslängen werden von einigen euchromatischen Abschnitten fast erreicht, in einem Fall übertroffen.

• 4. Die Aufblähungen der heterochromatischen Querscheiben in den Kinetochorregionen der Chromosomen AB (I) und EF (III) von Ch. th. thummi erweisen sich als „puffs“, in denen RNS-Bildung nachgewiesen werden kann. Durch Malachitgrünbehandlung junger Larven können zu einem noch nicht genau bekannten Zeitpunkt der Entwicklung Diploid- und Partialbrüche in diesen RNS-Loci und dem Nukleolus bevorzugt ausgelöst werden.

• 5. Interkalare Strukturabwandlungen erweisen sich bei einigen Arten als positionsabhängige Heterochromatinisierungen, in anderen treten sie in Zusammenhang mit Unterschieden des RNS-Funktionsmusters der Speicheldrüsenchromosomen auf. Ein anderer Abwandlungstyp dürfte auf Differenzen im DNS-Gehalt homologer Querscheiben beruhen. Diese Erscheinung wird als interspezifische Differenzierung eines Funktionsmusters gedeutet, das in den Speicheldrüsen inaktiv ist.