Zusammenfassung
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1.
Für Epidermis, larvale Schwanzflosse, Ocellpigment, Seitenrumpf — muskulatur, Chorda dorsalis, Kiemendarm und Mitteldarm des Branchiostoma lanceolatum wurde Doppelbrechung sichergestellt, des näheren untersucht und mit Abbildungen belegt.
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2.
Die zylindrischen Epidermiszellen zeigen am Querschnitt eine Aufgliederung in die — bezogen auf die Tangente an die Oberfläche — positiv doppelbrechende Wolffsche Cuticula, die schwächer und negativ doppelbrechende Deckplatte und den positiv zur Zellachse wirkenden Tonofibrillenmantel. Wolffsche Cuticula und Deckplatte lassen auch am Längsschnitt Anisotropie erkennen; danach kann man vermuten, daß diese beiden, vorwiegend aus Protein bestehenden Schichten Folientextur besitzen, während die Wirkung des Mantels auf die vornehmlich nach der Zellachse verlaufenden Tonofibrillen zu beziehen ist.
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3.
Die Schichten I und III des cutanen Gewebes setzen sich fast ausschließlich aus enggebündelten, positiv doppelbrechenden Kollagenfasern zusammen. Zwischen ihnen liegt eine breitere Schicht II (Mittellamelle) mit radial zur Achse des Tieres streichenden feineren Kollagenfibrillen. Die Kollagennatur dieser Fibrillen wurde erstmalig, und zwar durch die Umkehr ihrer Doppelbrechung mit Sumachextrakt erbracht.
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4.
Die larvale Schwanzflosse wird durch positiv zur Länge doppelbrechende, in ihrer Optik weder auf Phenol noch auf Sumach reagierende, fächerartig angeordnete Flossenstrahlen epidermalen Ursprungs gestützt; beim Ersatz der larvalen durch die definitive Flosse im weiteren Verlauf der Entwicklung finden sich hier und dort Reste der larvalen Flossenstrahlen dem Epithel des jungen Tieres aufsitzend. Der epidermale Ursprung der Flossenstrahlen zusammen mit dem genannten optischen Verhalten beweist ihre tonofibrillenartige Natur.
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5.
An lebenden Larven wurden 2 Arten von Pigment gefunden: einerseits auf den feinen Strahlen der Schwanzflosse grünlichbraune optisch isotrope, andererseits im larvalen Augenfleck und als kleine Anhäufungen im Rückenmark purpurrote Körnchen mit positivem Polarisationskreuz. Bei älteren Larven fehlt das Schwanzflossenpigment und es erscheint das der Becherocellen von braunvioletter Farbe. Dieses Pigment erfährt schon bei Berührung mit Luft eine charakteristische Farbänderung über Blau nach Braunrot; die gleiche Farbumwandlung zeigt sich auch nach Fixierung. Behandlung mit Säuren und Basen ändert ebenfalls die Farbe des Ocellpigmentes, was Melaninnatur ausschließt. Prüfung auf Porphyrin mittels der Fluoreszenzlampe fiel negativ aus. Oxydierende und reduzierende Stoffe erzeugen reversibel den Farbumschlag wie bei Luftzutritt, so daß es sich um ein Redoxpigment handelt.
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6.
Die charakteristische Anisotropie der Myofibrillen in den Myomeren wurde des näheren beschrieben. Die Enden der Myofibrillen heben sich mit scharfer Grenze von den kollagenen Myosepten ab. Goldimprägnation macht das äußerst feine Sarkoplasmagerüst sichtbar.
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7.
Die in der larvalen Chorda zunächst auftretenden Vacuolen werden durch feine, positiv doppelbrechende Lamellen begrenzt. Auf dem Querschnitt der Chorda findet man zu dieser Zeit bereits transversal verlaufende, positiv doppelbrechende Fibrillen, die wohl den später sich entwickelnden „Chordafasern“ entsprechen. Diese sind beim erwachsenen Tier in ganzer Ausdehnung positiv doppelbrechend, jedoch aufgegliedert in stärker (X) und schwächer (Y) wirksame Abschnitte, was sich vor allem in ihrem verschiedenen Gangunterschied und ihrem Verhalten nach Goldimprägnation widerspiegelt. Mit Kongorot gefärbte Chordafasern erfahren eine beträchtliche Verstärkung ihrer positiven Doppelbrechung, bei nur sehr schwachem Dichroismus. Neue Faserabschnitte X und Y entstehen miteinander abwechselnd in der Mitte der Fibrillen. Skeletbildende Schicht, Chordafaserscheide und elastische Scheide (Elastica interna) bieten auf dem Querschnitt ein negatives Polarisationskreuz dar, entsprechend ihrem Aufbau aus tangential verlaufenden positiv doppelbrechenden Fasern. Chordafaserscheide und skeletbildende Schicht bestehen aus Kollagen, gemäß ihrem Verhalten gegenüber Sumach.
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8.
Alle Stützelemente des Kiemendarmes zeigen positive Doppelbrechung in bezug auf ihre Länge. Erstmalig gelang es hier an Hand der Sumach-Reaktion die Kollagennatur der Skeletstäbe nachzuweisen. In den Spitzen der Hauptbögen, jeweils über einen Nebenbogen ziehend, verlaufen feine senkrecht dazu angeordnete Stützfasern, auf welche die Sumach-Reaktion nicht anspricht.
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9.
Die hohen schlanken Zellen des Mittel- und Enddarmepithels besitzen in den basalen und mittleren Abschnitten nur schwache positive Doppelbrechung. Der distale Rand der Zellen dagegen erscheint im Polarisationsmikroskop deutlich abgesetzt: hier zeigt sich der einzelne Zellkörper als stark, und zwar positiv zu seiner Achse doppelbrechendes Gebilde, das eine schwach doppelbrechende positiv zu ihrer Länge wirkende Geißel trägt. Im Enddarm ist die anisotrope Randzone breiter1.
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Dissertation der Naturwissenschaftlichen Fakultät Gießen. Leitung Prof. W. J. Schmidt.
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Tenbaum, E. Polarisationsoptische Beiträge zur Kenntnis der Gewebe von Branchiostoma lanceolatum (P). Z. Zellforsch. 42, 149–192 (1955). https://doi.org/10.1007/BF00319281
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