Zusammenfassung
Nachdem bei der Polyneuritis Guillain-Barré eine Allgemeinschädigung des Gesamtorganismus nachgewiesen war — von Bannwarth im Sinne einer erhöhten Durchlässigkeit der Membranen, von Schaltenbrand im Sinne eines hepatorenalen Syndroms —, haben wir nach weiteren Blut- und Liquorveränderungen gesucht. Man kann
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1.
ein charakteristisches Verhalten von Blutbild und Blutsenkung feststellen, soferne man sie im Längsschnitt verfolgt und sie in Beziehung zur Krankheitsdauer setzt. Bei einem großen Teil unserer Polyneuritiden geht das Blutbild einen Weg ähnlich wie bei bestimmten Infektionskrankheiten: aus der Kampfphase mit einer Leukocytose und Linksverschiebung zur Abwehr- und Überwindungsphase mit Einsetzen einer Lymphocytose und Monocytose, um schließlich in eine sehr lange Heilphase mit Eosinophilie und ausgesprochener Lymphocytose überzugehen;
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die Blutsenkung ist in der Hälfte der Fälle beschleunigt, sie ist zu Krankheitsbeginn häufiger erhöht als in späteren Krankheitswochen;
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3.
die elektrophoretische Untersuchung von Blut und Liquor gibt einerseits wertvolle Aufschlüsse über bestehende Komplikationen, insbesondere über erhebliche Leberschäden. Nur ein Teil unserer Fälle konnte Wuhrmann u. Wunderlys Ansicht bestätigen, daß Plasmaveränderungen bei gleichzeitigen erheblichen Liquorveränderungen fehlen. Wir fanden darüber hinaus nämlich auch Verschiebungen der Serum-Eiweißfraktionen bei einer größeren Anzahl von Polyneuritis Guillain-Barré;
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4.
der Liquor verhält sich elektrophoretisch ähnlich wie ein Serum und läßt sich vom normalen Liquor eindeutig unterscheiden. Der Begriff „seröse Polyneuritis“ erscheint dadurch gerechtfertigt.
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Herrn Professor Dr. Schaltenbrand zum 55. Geburtstag am 26. 11. 1952 in Verehrung gewidmet.
Mit 8 Textabbildungen.
Durchgeführt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
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Steger, J. Blut- und Liquorveränderungen bei der Polyneuritis. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 170, 106–121 (1953). https://doi.org/10.1007/BF00217993
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