Zusammenfassung
Der Begriff der sozialen Klasse nimmt in der Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung einen wichtigen Platz ein. Nicht selten wird soziale Differenzierung mit Schichtung und Schichtung mit Klassenbildung nahezu gleichgesetzt1. Oft wird der Begriff, obwohl er erst gut zweihundert Jahre alt ist, weit in die Geschichte zurückprojiziert mit der Folge, daß alle Hochkulturen als „Klassengesellschaften“ bezeichnet werden2. Diese Stellung in einem der Zentren soziologischer Aufmerksamkeit hat jedoch im Laufe der Zeit zu einer Überdeterminierung des Begriffs geführt und ihn dadurch nahezu unverwendbar gemacht. Eine lange Begriffsgeschichte scheint in Konfusion bzw. in dogmatischer Erstarrung zu enden. Die Begriffsgeschichte selbst wird kaum noch begriffen, wenn man, wie weithin üblich, den Begriff der Klasse mit dem Marxschen Theorieapparat assoziiert. Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß man den Begriff neu fassen muß — nicht zuletzt auch, um seine eigene Geschichte wieder lesen zu können.
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Anmerkungen
Vgl. etwa Kaare Svalastoga, Social Differentiation, New York 1965; Friedhart Hegner, Klasse, soziale, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 4, Basel—Stuttgart 1976, Sp. 848–853: „Klasse, soziale... — ist in seiner allgemeinen Bedeutung der begrifflich-kategoriale Ausdruck des Bemühens um die Erfassung der Unterschiede zwischen Menschen bzw. der Differenzierung von Gesellschaft in Menschengruppen“ (848).
Und dies nicht nur innerhalb der sich auf Marx berufenden Tradition, die sich hierfür wenigstens um eine theoretische Begründung bemüht. Vgl. für diesen unhistorischen Sprachgebrauch etwa Klaus Eder (Hrsg.), Seminar: Die Entstehung von Klassengesellschaften, Frankfurt 1973; Bernhard Giesen, Makrosoziologie: Eine evolutionstheoretische Einführung, Hamburg 1980, S. 157 ff.
Selbst Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die für Schichtungsfragen vielleicht am stärksten auf wirtschaftlich begriffenes Eigentum (bzw. „richesses“) abstellen, ziehen auch andere Gütersphären mit in Betracht, um dann deren Ungleichverteilung auf wirtschaftliche Ungleichheit zurückzuführen. „Tels sont les effects inséparables des lois de propriété”, heißt es zum Beispiel in Bezug auf Ungleichheiten der Erziehung und der Gesundheitspflege bei Jacques Necker, De l’importance des opinions religieuses, London—Lyon 1788, zit. nach CEuvres complètes Bd. 12, Paris 1821, S. 23 f. — mit der aufgeklärten Schlußfolgerung, daß Armut, also auch Religion, notwendig seien.
Man mag hier einen der Gründe dafür sehen, daß die Semantik geschichteter Gesellschaften moralisch-ökonomische Generalisierungen erzeugt, etwa den Begriff des „Gutes“, die solche Zusammenhänge formulierbar machen und als begründet erscheinen lassen, — oft angereichert mit weiteren Assoziationen, im griechischen Falle des tò agathòn zum Beispiel mit Assoziationen der Tüchtigkeit (auf Personen bezogen) und der Tauglichkeit (auf Sachen bezogen).
Siehe aber auch den damals gerade erschienenen Artikel „Classe“ der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers Bd. 3, Paris 1753, S. 505 f., der den Begriff für die Bezeichnung einer Einteilung von mittlerer Reichweite reserviert und ihn damit gleichsam wissenschaftlich nobilitiert.
Vgl. Analyse du Tableau économique (1758), in: OEuvres économiques et philosophiques de F. Quesnay (Hrsg. Auguste Oncken), Paris 1888, Nachdruck New York 1969, S. 305–328. Zahlreiche weitere Hinweise, zugänglich über das Register, in Ronald L. Meek, The Economics of the Physiocracy: Essays and Translations, Cambridge Mass. 1963. Zu beachten ist, daß Produktion ausschließlich landwirtschaftliche Produktion meint und der gesamte Bereich von Gewerbe und Industrie in die classe stérile fällt. Außerdem bleibt die Masse der Armen und Abhängigen ganz außerhalb des Schemas; sie wird als dernière classe des citoyens nur gelegentlich erwähnt, ohne daß ihr ökonomische Bedeutung zuerkannt würde. — Eine Variante, die etwas differenzierter ausgearbeitet ist und das Verhältnis von notwendigen und nichtnotwendigen Klassen als „natürliches Gleichgewicht“ behandelt, wird von Auxiron, Principes de tout Gouvernement..., 2 Bde. Paris 1766 vorgelegt. Die Konsequenz ist hier im übrigen: daß Aufstieg über Schulen abgelehnt wird als Störung der Lage der höheren Klassen (gens aisés). Warum sollte auch der Staat dafür zahlen, daß ein Arbeiter seinen Kindern sozialen Aufstieg verschaffen will? (Bd. 2, S. 308 ff.).
Siehe als eine der Hauptschriften der deutschen Physiokratie Johann August Schlettwein, Die wichtigste Angelegenheit für das ganze Publikum: oder die natürliche Ordnung in der Politik überhaupt, 2 Bde., Carlsruhe 1772–73, passim, insb. Bd. 1, S. 207 ff.
ders., Grundfeste der Staaten oder die politische Ökonomie, Gießen 1779, Nachdruck Frankfurt 1971, S. 81 ff. (ohne jede Begriffserläuterung).
Vgl. Anne-Robert-Jacques Turgot, Réflexions sur la formation et la distribution des richesses (Nov. 1766), zit. nach: OEuvres de Turgot (Hrsg. Gustave Schelle), Paris 1913 ff., Bd. 2, 1914, S. 533–601 (538 ff.). Vgl. auch Henri Sée, La Vie Économique et les classes sociales en France au XVIIIe siècle, Paris 1924, S. 209 ff.
Auf entsprechende Vorstellungen scheint sich die Rearistokratisierungspolitik Napoleons bezogen zu haben, die Adel an bestimmte Mindesteinkünfte zu binden suchte. Zur Reform von 1808 vgl. Félix Ponteil, Napoléon ler et l’Organisation autoritaire de la France, Paris 1956, S. 123 ff.
Siehe Grundlinien der Philosophie des Rechts §§ 202, 205.
division de la société“, heißt es bei Turgot, a.a.O., S. 538, womit offensichtlich nicht mehr der alte Gesellschaftsbegriff gemeint ist, sondern ein noch nicht klar umrissener Nachfolgebegriff für société civile. Vgl. auch Henri de Goyon de la Plombanie, L’homme en société, ou nouvelles vues politiques et économiques, Amsterdam 1763, als Übernahme des Begriffs bei anders ausgerichteten Ökonomen.
Diese Ebene ist zu jener Zeit noch ganz von anthropologischen Theorieansätzen beherrscht. Vgl. Albert O. Hirschman, The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before Its Triumpf, Princeton N. J. 1977 (dt. Übers. Frankfurt 1980). Die Ansätze zur Neuformulierung der Gesellschaftstheorie, die im 19. Jahrhundert bedeutsam werden, schließen konzeptuell nicht hier an, sondern beginnen in höheren Abstraktionslagen — fast könnte man sagen: in der Sicht einer Regierungs-, Verwaltungs-und Finanzreform.
Dieser Zusammenhang scheint Wertlehren im Sinne von Ein-Faktor-Theorien zu begünstigen, aber er ist unabhängig davon, welchem Faktor man ausschlaggebende Bedeutung beilegt, sofern er nur mit Eigentum assoziiert werden kann. Der Klassenbegriff kann deshalb auch von den Vertretern der Arbeitswertlehre übernommen werden. Vgl. z.B. Boesnier de l’Orme, De l’esprit du gouvernement économique, Paris 1775, Nachdruck München 1980. Die Rechtfertigung der Ungleichverteilung des Grundeigentums wird hier mit recht fragwürdiger Argumentation über Arbeitsteilung, Handel und Produktionsaufschwung geleitet (was alles nicht zustandekäme, wenn jeder nur das Eigentum hätte, was er zu seiner eigenen Ernährung brauche; er würde dann nur in dem Umfange arbeiten können, der zu seiner eigenen Ernährung notwendig sei).
in Absicht auf Reichtum“, heißt es zum Beispiel bei Schlettwein, a.a.O. (1772), Bd. 1, S. 207. Aber damit ist nicht gemeint: nach den persönlichen Vermögensverhältnissen, sondern: nach der Stellung im System der Erzeugung gesellschaftlichen Reichtums.
Pierre Samuel Dupont de Nemours, Abrégé des principes de l’économie politique (1772), zit. nach Eugène Daire (Hrsg.), Physiocrates, Paris 1846, Nachdruck Genf 1971, S. 367–385 (376).
und sogar: „In Deutschland sind die beyden ersten Classen (Eigentümer und Anbauer, N. L.) gemeiniglich in einerley Personen vereinigt“ — a.a.O. (1772), Bd. 1, S. 207. Für die Unterscheidung waren denn auch vor allem steuerliche Gesichtspunkte ausschlaggebend. Siehe dazu Pierre-Paul Le Mercier de La Rivière, L’ordre naturel et essentiel des sociétés politiques, London—Paris 1767, zit. nach der Ausgabe Paris 1910, S. 169 f.
Nicolas Baudeau, Première introduction à la philosophie économique ou analyse des états policés (1771), zit. nach Daire, a.a.O., S. 657–821. Die gleiche Unterscheidung, aber mit zum Teil anderen Füllungen, bei Max Weber in der Skizze „Stände und Klassen“, in: Wirtschaft und Gesellschaft, 3. Aufl., Tübingen 1948, Bd. 1, S. 177 ff.
Vgl. Abbé Morellet, Prospectus d’un nouveau Dictionnaire de Commerce, Paris 1769, S. 208 („classe nombreuse d’hommes... salariés par le revenu public“); Simon-NicolasHenri Linguet, Lettres sur la Théorie des loix civiles etc., Amsterdam 1770, S. 86 („classe inférieure de la société”); Sénac de Meilhan, Considérations sur l’esprit et les moeurs, London 1787, z.B. S. 28 („jargon d’une certain classe“), 31 („les moeurs de toutes les classes de la société”), 155, 159, 319.
So für England seit Burke Asa Briggs, The Language of,Class` in Early Nineteenth-Century England, in: Asa Briggs/John Saville (Hrsg.), Essays in Labour History: In Memoriam of G. D. H. Cole, London—New York 1967, S. 43–73 (51 f.).
So in: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793), zit. nach Kleinere Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie (Hrsg. v. Kirchmann), Leipzig o. J. Zum Beispiel: Man könnte durch keine rechtliche Tat „in die Klasse des Hausviehes eintreten“. Erblich privilegierter Stand der Grundbesitzer als „willkürlich angeordnete Menschenklasse”. Erblicher Herrenstand als „eine gewisse Klasse von Untertanen“ (a.a.O., S. 120, 123, 125). Dabei ist das Willkürliche im Gegensatz gesehen zu dem, als was der Mensch sich selbst in Übereinstimmung mit seiner Freiheit bestimmt.
Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, Fünfzehnte Vorlesung, zit. nach: Johann Gottlieb Fichte, Ausgewählte Werke (Hrsg. Fritz Medicus), Darmstadt 1962, Bd. IV, S. 617. Gegenüber diesen niederen Volksklassen rechtfertigt sich im übrigen selbst bei Fichte der Großgrundbesitzer schon mit wirtschaftlichen Leistungen im Sinne von Schumpeter: „Die Unternehmungen, die ihr mich täglich machen seht, die Proben im Großen mit neuen Arten der Bewirtschaftung, die Einführung neuer edlerer Tierarten, neuer Pflanzen und Sämereien aus entlegenen Ländern, ihre noch ungewohnte und erst zu erlernende Behandlung, bedürfen großer Auslagen und Vorschüsse, und des Vermögens, das mögliche Mißlingen zu ertragen....“ (a.a.O., S. 618).
Ein relativ frühes Zeugnis für ununterscheidbaren Gebrauch außerhalb der physiokratischen Schule ist: Christian Wilhelm Dohm, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin—Stettin 1781 (Nachdruck Hildesheim 1973), S. 97 ff. Für weitere Belege siehe Werner Conze/Rudolf Walther, Stand, Klasse, in: Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, im Druck (Druckfahne S. 75 f., 79 ff.).
Bei Benjamin Constant, Mémoires sur les cent jours (1819ff.), zit. nach der Ausgabe Paris 1961, S. 38, heißt es zum Beispiel gerade mit Bezug auf die oberste Schicht: „Les classes que, dans notre état de civilisation, nous sommes convenus de nommer supérieures sont entraïnées malgré elles, et indépendamment de tout système, à se considérer comme d’une autre espèce que le reste des hommes“. Diese Art des Durchschauens ist bereits auf eine zweifache Kontingenz gesteigert: nämlich auf Willkür („indépendamment de tout système”) der Darstellung eines kontingenten (konventionellen) Sachverhalts als Natur.
Charles Hall, The Effects of Civilization on the People in European States, London 1805, Nachdruck New York 1965, braucht abwechselnd orders, classes, sorts ohne erkennbare begriffliche Unterscheidung. Für John Gray, A Lecture on Human Happiness, London 1825 (Nachdruck London 1931 ), S. 15 ff., bilden Könige und ihre Familien eine Klasse, aber auch Prostituierte, Landstreicher, Zigeuner, Diebe, Reeder, Unterhalter von Irrenanstalten etc. Die Beispiele könnten leicht vermehrt werden.
Dazu und zum folgenden Thomas Hodgskin, Popular Political Economy, London—Edinburgh 1827, Nachdruck New York 1966, insb. 117 ff. Durkheim hat bekanntlich in „De la division du travail social“ diese Theorieanlage soziologisiert, ohne daß sie im Kontext seines soziologischen Arguments viel Bedeutung hätte gewinnen können.
Hodgskin, a.a.O., S. 29. Vgl. auch S. 245 ff.
Gerade Schriftsteller wie Thompson oder Hodgskin, die rückblickend als „sozialistisch“ oder als „Frühsozialisten” bezeichnet werden, tendieren dazu, die Klassenstruktur auf unnatürlich, das heißt politisch eingreifende Gewalt zurückzuführen und verbauen sich damit die Möglichkeit, den Staat zur Lösung der sozialen Frage in Anspruch zu nehmen. Die Wirtschaft wird gleichsam mit der Lösung „zurück zur Natur“ konfrontiert, was hier heißt: daß der gesamte Arbeitsertrag den Arbeitenden zufließen müsse. Die Lösung erwartet man von der Vernunft allein. Vgl. auch Werner Sombart, Sozialismus und soziale Bewegung, 6. Aufl. Jena 1908, S. 34 ff.
Unter diesen Autoren ist wohl Turgot (siehe oben Anm. 8) der erste, der den Übergang zum Schema Kapital/Arbeit anbahnt, und zwar dadurch, daß er den zunehmenden Kapitalbedarf auch der Landwirtschaft und den Übergang zur Lohnzahlung auch in der Landwirtschaft in Rechnung stellt.
Siehe z.B. Hall, a.a.O. (1805), S. 47 ff.
Daß es dabei auf die Differenz ankomme und nicht auf den Reichtum als solchen, betont scharfsinnig Hall, a.a.O. (1805), S. 66 ff. „Wealth is an advantage to the possessor only, as it is a disadvantage to the non-possessor; and exactly in the same Proportion. If it gave no claim on, no power on, brought no disadvantage to the non-possessor, it would give no claim to, no power to, no advantage to the possessor“. Die Vorstellung, Kapital sei äquivalent zu Arbeit, weil man Arbeit damit beschaffen könne, geht auf Adam Smith zurück. Für Ricardo ist Kapital dann im wesentlichen nur noch gespeicherte Arbeit.
Sehr deutlich bei Robert Torrens, An Essay on the Production of Wealth, London 1821, Nachdruck New York 1965. Torrens benötigt deshalb nur noch zwei Gesellschaftstypen: den einen ohne Klassendifferenzierung und den anderen mit Trennung von Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse.
Daß Vorstellungen über Organisationen auch in anderer Weise dazu dienen, mit dem Klassenbegriff zu assoziieren, läßt sich bei Saint-Simon nachlesen, der vielen als der erste Systematisierer einer Klassentheorie gilt.
Die Terminologie schwankt allerdings lange noch, und der Klassenbegriff ist zunächst durch äquivalente Terminologie ersetzbar. In einer für den Klassengegensatz zentralen Passage bei William Thompson werden z. B. labourers and capitalists einfach als „set of men“ unterschieden — Siehe An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth..., London 1824, Nachdruck New York 1968, S. 176. Ferner ist der Klassenbegriff nach wie vor auf nichtsoziale Einteilungen anwendbar. Hodgskin, a.a.O. spricht von labouring classes (passim), aber auch von „classes of circumstances” (a.a.O., S. 34 ff.).
Daß die extravagante Formulierung aus dem Kommunistischen Manifest, die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft sei die Geschichte von Klassenkämpfen gewesen, den analytischen Leistungen der (unabgeschlossenen) Marxschen Klassentheorie nicht gerecht wird, sei hier nur angemerkt. Sie würde, ernst genommen, den Klassenbegriff zu einer universalgeschichtlichen Konstante generalisieren und ihn damit für historische Analysen unbrauchbar machen.
Genau diese „bloß theoretisch“ gewonnene Folgerung wird heute weithin kritisiert. Eine „klassenlose” Gesellschaft ist denn auch nicht in Sicht, sondern allenfalls eine Gesellschaft, in der Klassenstrukturen nicht die zentrale Bedeutung haben, die Marx ihnen zugedacht hatte. Vgl. dazu Anthony Giddens, Die Klassenstruktur fortgeschrittener Gesellschaften, dt. Übers. Frankfurt 1979, insb. S. 161 ff.
Nachweise bei Asa Briggs, a.a.O., insb. S. 52 ff.
Siehe etwa Maurice Zeitlin, Class, Politics, and Historical Development in the United States, in ders. (Hrsg.), Classes, Class Conflict and the State: Empirical Studies in Class Analysis, Cambridge Mass. 1980, S. 1–37 (2 f.).
Die gesellschaftlichen Klassen sind Gesamtheiten gesellschaftlicher Agenten, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, durch ihre Stellung im Produktionsprozeß, d.h. in der Sphäre der Ökonomie, bestimmt sind. Man darf in der Tat aus der grundlegenden Bedeutung der Stellung in der Ökonomie nicht schließen, daß sie für die Bestimmung der gesellschaftlichen Klassen ausreicht“, heißt es mit kennzeichnender Unschärfe bei Nicos Poulantzas, Klassen im Kapitalismus — heute, dt. Übers. Berlin 1975, S. 13.
Siehe Simon-Nicolas-Henri Linguet, Théorie des loix civiles, ou Principes fondamentaux de la société, 2 Bde., London 1767. Die Zitate aus Bd. 1, S. 180–199.
An individual gets all the money he can, and is said to be rich in proportion as he possesses or can procure a great deal of it; but the wealth of nations is exclusively measured by the conveniences, comforts, and luxuries enjoyed by all their inhabitants“ heißt es bei Thomas Hodgskin, Popular Political Economy, London—Edinburgh 1827, Nachdruck New York 1966, S. 184. Wenn aber so gedacht wird: was liegt dann näher als eine Umverteilung des Geldes ins Auge zu fassen?
Schärfer als im gedruckten Text der Rechtsphilosophie heißt es in der Vorlesungsnachschrift 1819/20: „Die konkrete Person erscheint jetzt als besonderer Zweck für sich, und die Allgemeinheit ist von ihr verschieden, steht ihr gegenüber“. Entsprechend ist Allgemeinheit hier bloßes Mittel der Besonderheit. Siehe Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift (Hrsg. Dieter Henrich), Frankfurt 1983, S. 147 und S. 151.
Vgl. Mancur J. Olson, Die Logik des kollektiven Handeln, Tübingen 1968.
Vgl. Briggs, a.a.O., S. 69 ff.; Conze/Walther, a.a.O., S. 115 ff.
in Abweichung von einem verbreiteten, letztlich auf Marx zurückgehenden Sprachgebrauch. Vgl. oben Anm. 2.
Die auf formaler Organisation beruhenden Ausnahmen (Militär, Schiffe, Klöster) dürfen natürlich nicht übersehen werden.
Hierzu auch Niklas Luhmann, Interaktion, Organisation, Gesellschaft, in: ders., Soziologische Aufklärung Bd. 2, Opladen 1975, S. 9–20.
Daß es gerade daraufhin wieder Formen der Selektion gibt, die zum Beispiel im Bereich der Geselligkeit auf Gleichrangigkeit achten, ist damit natürlich nicht ausgeschlossen.
Zur Definitionstechnik wäre anzumerken, daß wir uns hier einige Probleme einhandeln, die mit negativen Definitionen verbunden sind — nach dem Muster von: Kaffee ist ein,Getränk, das schlecht schmeckt, wenn man vergißt, Zucker hineinzutun. Im sozialen Raum hat jedoch Negation oft, und so auch hier, eine bestimmbare Qualität. Die Tragweite der Definition wird sichtbar, wenn man vom historischen Vergleich ausgeht, nämlich von der historisch begründeten Erwartung, daß Schichtung in Unterschieden der Interaktion zum Ausdruck kommen müßte. Zuzugeben ist, daß die Definition sich nicht dazu eignet, zu erkennen, ob eine Gesellschaft Klassen bildet oder nicht. Hierfür muß man zunächst prüfen, ob Ungleichverteilungen überhaupt zu Gruppierungen führt derart, daß unterschiedliche Besserstellungen (bzw. Schlechterstellungen) sich wechselseitig verstärken.
Vgl. dazu Elisabeth Bott, The Concept of Class as a Reference Group, Human Relations 7 (1954), S. 259–286 (272).
Vgl. etwa Michail Rutkewitsch/Friedrich Filippow, Klassen und Schichten in der Sowjetunion, Berlin 1979, S. 13, wo aber konzediert ist, daß auch andere soziale Gruppen (zum Beispiel demographische Gruppen), die im System der ökonomischen Verhältnisse einen klassenähnlichen Platz einnehmen, Schichten bilden können. Siehe ferner Jürgen Brockmann, Die Differenzierung der sowjetischen Sozialstruktur, Berlin 1978, S. 1 ff., mit weiteren Hinweisen zur Diskussion. Der theoretische Gehalt dieser Umkehrung sollte nicht überschätzt werden; sie ermöglicht ein Interesse für Schichtung unter Bedingungen, die die Gesellschaft als auf dem Wege zur klassenlosen Gesellschaft definieren, wo es dann wieder nur noch Schichtung geben kann.
So in der Tat Rudolf Herrnstadt, Die Entdeckung der Klassen: Die Geschichte des Begriffs Klasse von den Anfängen bis zum Vorabend der Pariser Julirevolution 1830, Berlin 1965.
Gelegentlich wird vorgeschlagen, aus genau diesem Grunde den Klassenbegriff aufzugeben und nur noch von sozialen Ungleichheiten zu sprechen. So z. B. Dennis H. Wrong, Social Inequality without Social Stratification, in ders., Sceptical Sociology, New York 1976, S. 121–134. Damit verschwindet aber ein Begriff für die Einheit derjenigen Zusammenhänge, die eine Clusterbildung wahrscheinlich machen, während es andererseits unnnötig ist, den Klassenbegriff an die Annahme einer gesellschaftlich durchgehenden, transitiven Rangordnung zu binden.
Spätestens bei Max Weber öffnet sich auch der Klassenbegriff in deutlicher Distanz zu Marx wieder (wie vor Marx) für eine größere Vielfalt der Erscheinungen, und heute wird die Prognose einer Zuspitzung auf einen einfachen Zweier-Mechanismus (der seinerseits den Sinn von Rangdifferenzen, die mindestens drei Strata voraussetzen, aufhebt) wohl allgemein für widerlegt gehalten.
An Essay an the Freedom of Wit and Humour, zit. nach dem Abdruck in: Anthony, Earl of Shaftesbury, Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times, 2. Aufl. o. O. 1714, Nachdruck Farnborough Engl. 1968, Bd. I, S. 57–150 (112).
Auch dies Argument muß mit Vorsicht gehandhabt werden. Man darf die Schichtstruktur der alten Gesellschaftsordnung auch nicht überschätzen. In den Dörfern der peasant societies dominierte auch damals noch die segmentäre Differenzierung, und es fand sich infolgedessen wenig Anlaß, Schichtung als gesellschaftsbildendes Prinzip in der Interaktion sichtbar zu machen. Peter Laslett, The World we have lost, 2. Aufl. London 1971, S. 23 ff., nennt diese Gesellschaften geradezu one-class-societies. Aber weiträumigere („politische“) Gesellschaften konnten nur durch Interaktionen zusammengehalten werden, die die Gleichheit innerhalb einer Oberschicht in Differenz zu anderen Schichten sichtbar machten, das heißt unter besondere Bedingungen stellten.
Zitate aus Sénac de Meilhan, a.a.O. (1787), S. 317 ff.
Ein parallelliegendes, nicht auf Differenz, sondern auf Einheit bezogenes Argument habe ich im Hinblick auf den Plausibilitätsverlust von philía/amicitia/communitas/ Gemeinschaft/Solidarität entwickelt in: Niklas Luhmann, Die Differenzierung von Interaktion und Gesellschaft: Probleme der sozialen Solidarität, Vortrag an der Universität Basel, Jan. 1983.
Für den Übergang siehe etwa Jean La Placette, Traité de l’orgueil, Amsterdam 1692.
Vgl. dazu Arthur O. Lovejoy, Reflections an Human Nature, Baltimore 1961, S. 131 ff., 152 ff.
Dies hatte Pascal bekanntlich von den Großen selbst verlangt: ihr prätentiöses Gebaren sei für die Erhaltung der Ordnung unerläßlich; aber sie müßten das selbst durchschauen und sich mit einem Hintergedanken (pensée plus cachée im Gegensatz zur pensée publique) bewußt halten, daß sie nicht besser seien als andere. Siehe die Trois discours sur la condition des Grands, in: L’OEuvre de Pascal (éd. de la Pléiade ), Paris 1950, S. 386–392.
So für das18. Jahrhundert im Vergleich zu früheren Zeiten Charles Duclos, Considérations sur les Moeurs de ce Siècle (1751), zit. nach der Ausgabe Lausanne 1970, S. 191 ff. (239 ff.).
Bemerkenswert auch eine genau darauf gestützte Steigerung des Nationalbewußtseins: Die Franzosen können ihre Sitten verfallen lassen, ohne daß dies ihren Nationalcharakter im Kern trifft (Duclos, a.a.O., S. 205). Das gleiche wird man mit mehr Recht für Klassen sagen können.
Siehe etwa Louis-Sébastian Mercier, L’homme sauvage, histoire traduite de..., Paris 1767, S. 66.
Vgl. etwa Ruth Kelso, The Doctrine of the English Gentleman in the Sixteenth Century, Urbana Ill. 1929, S. 18 ff.; Frank Edmund Sutcliffe, Guez de Balzac et son temps: Littérature et Politique, Paris 1959, S. 113 ff.
So heißt es bei dem sehr konfliktsensiblen Nicole, daß nach dem Sündenfall Geburt besser als Verdienst die Ordnung garantiere, weil über letzteres das Urteil streitig sein kann (Pierre Nicole, De la Grandeur, in ders., Essais de Morale, Bd. II, 4. Aufl. Paris 1682, S. 154–260 (179 ff.).
Was die Fakten betrifft, so heißt es denn auch klipp und klar: die Natur... „fait aussi peut d’effort dans le ventre d’une Reyne pour former un Roy, que dans le ventre d’une Paisane pour faire naistre un misérable“ (Jacques de Caillière, La fortune des gens de qualité et des gentilhommes particuliers, Paris 1658, zit. nach der Ausgabe 1664, S. 155).
Celuy néanmoins qui jouit de ces honneurs (des Kontaktes mit Höhergestellten) doit observer de ne rendre pas sa conversation et son amitié commun à toutes sortes de personnes, de peur qui à la fin elle ne devinst de mauvaise odeur à ceux qui croyent beaucoup ravaler la leur que de la laisser descendre jusqu’à luy“, rät Nicolas Faret, L’honneste homme, ou l’art de plaire à la Cour, Paris 1630, zit. nach der Ausgabe von Maurice Magendie, Paris 1925, S. 67.
Vgl. für diese Formel und zur Sache Jacques Necker, De l’administration des finances de la France (1784), zit. nach OEuvres complètes, Paris 1821, Bd. 4 (= Bd. 1), S. 49 ff. (50).
Auch wenn man über Geschmacksurteile nicht sinnvoll disputieren kann: „il est cependant tres assuré qu’il y a un bon et un mauvais goust“, urteilt Abbé de Bellegarde, Reflexions sur le ridicule et sur les moyens de l’éviter, 4. Aufl. Paris 1699, S. 160 ff.
So Jean-Baptiste Dubos, Reflexions critiques sur la poesie et sur la peinture, erw. Neuauflage Paris 1733, Bd. II, S. 325.
Le coeur s’agite de lui-même et par un mouvement qui precède toute déliberation, quand l’objet qu’on lui présente est réellement un objet touchant“ (Dubos, a. a. O., Bd. II, S. 326).
Vgl. John Gilbert Cooper, Letters Concerning Taste and Essays on Similar and Other Subjects, 3. Aufl. London 1757 (Nachdruck New York 1970 ), S. 2 ff. d’Alembert schränkt dies ein: es gelte „pour l’ordinaire“. Aber bedauerlicherweise liege es in der condition humaine, daß eine nachträgliche Analyse oft das anfängliche Vergnügen zerstöre. Trotzdem: „Les vraies beautés gagnent toujours à l’examen”. S.ehe: Réflexions sur l’usage et sur l’abus de la philosophie dans les matières de goût“, in OEuvre Complètes, Bd. IV, Nachdruck Genf 1967, S. 326–333 (332f.).
Anthony, Earl of Shaftesbury, Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times, o. O. 1714, (Nachdruck Farnborough 1968 ), Bd. III, insb. S. 163 ff.
Vgl. Rémy G. Saisseling, Taste in Eighteenth Century France: Critical Reflections on the Origin of Aesthetics or an Apology for Amateurs, Syracuse N. Y. 1965, insb. S. 64 f.
Scarce is there any-one, who pretends not to know and to decide What is well-bred and handsom“ — so sichert Shaftesbury, a.a.O., Bd. III, S. 179, seinen Zentralbegriff „taste”.
Siehe Dubos, a.a.O., Bd. II, S. 334ff.: „Je ne comprend point le bas peuple dans le public capable de prononcer sur les poèmes... Le mot public ne renferme ici que les personnes qui ont acquis des lumières, soit par la lecture, soit par le commerce du monde“.
Für „esprit“ hat diese Auffassung bereits eine längere Vorgeschichte. Siehe insb. den Teil I des Discours de la Méthode, zit. nach Descartes, CEuvres et Lettres, éd de la Pléiade, Paris 1952, S. 126 ff. Vgl. auch Shaftesbury, a.a.O., Bd. I, S. 73f.: The Magistral Voice and high Strain of the Pedagogue, commands Reverence and Awe. „Tis of admirable use to keep Understandings at a distance, and out of reach”.
Vgl. Charles Duclos, Considérations sur les Moeurs de ce Siècle, 1751, zit. nach der Ausgabe Lausanne 1970, S. 287 f.
Vgl. Anthony, Earl of Shaftesbury, An Essay on the Freedom of Wit und Humour, 1709, zit. nach Shaftesbury, a.a.O., 1714/1968, Bd. I, S. 57–150 (61).
And if I have either laugh’d wrong or been impertinently serious; I can be content to be laugh’d at, in my turn. If contrariwise I am rail’d at, I can laugh still, as before; and with fresh advantage to my Cause.“ (a.a.O., S. 149). Vgl. auch d’Alembert, Dialogue entre la Poésie et la Philosophie, zit. nach OEuvres complètes, Bd. IV, Nachdruck Genf 1967, S. 373–381 (381):,,Rien n’est si ridicule que de vouloir attacher du ridicule aux talens, et de paraitre dédaigner ce qu’on n’est pas en état de faire”.
Siehe Abbé de Bellegarde, a. a.0., S. 1 ff.
Interessant ist ein Argument, das bei Shaftesbury, a.a.O., Bd. I, S. 76, anklingt (aber nicht voll durchgeführt ist): In der Öffentlichkeit würden die Angehörigen der Oberschicht, wenn sie Zustände und Verhaltensweisen als lächerlich behandeln, gezwungen sein, „to affect a Superiority over the Vulgar, and to despise the Multitude“. Das wiederum wäre „contrary to good Breeding”. Bei voller, die Schichtdifferenzen übergreifender Spannweite müßte man Repräsentation in Anspruch nehmen, und das kann man nicht mehr. Das oberschichtinterne Verfahren des Lächerlichkeitstestes versagt.
Shaftesbury, a.a.O., Bd. I, S. 75.
Vgl. die Nachzeichnung dieser Entwicklung bei Alfred Baeumler, Das Irrationalitätsproblem in der Aesthetik und Logik des 18. Jahrhunderts bis zur Kritik der Urteilskraft, 2. Aufl. Darmstadt 1967.
Vgl. Sénac de Meilhan, a.a.O., S. 9 ff., 32 ff., 88 ff. (Zitat S. 28).
Noch im Revolutionsjahr gibt eine Dame aus höheren Gesellschaftskreisen zu bedenken: „Were we to dive too deeply into the sources and motives of the most laudable actions, we may, by tarnishing their lustre, deprive ourselves of a pleasure“ (Countess Dowager of Carlisle, Thoughts in the Form of Maxims, Addressed to Young Ladies on Their First Establishment in the World, London 1789, S. 81 ).
Hierzu Alois Hahn, Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalisierter Bekenntnisse: Selbsthematisierung und Zivilisationsprozeß, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 34 (1982), S. 407–434.
So will Pierre de Villiers, Réflexions sur les défauts d’autrui, Amsterdam 1695, S. 144ff. den Radikalismus der jansenistischen Motivkritik nicht gelten lassen, meint aber selbst, daß Devotion kein ausreichendes Motiv für Devotion sei, sie biete auch Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs, sie schaffe Moden (zum Beispiel das Servieren grüner Erbsen, das Tragen grauer Tuche), die dann nachgeahmt werden. Das hindere die Profession der Seelsorger aber nicht, die wahren Motive zu erkennen.
supplemental motives“ in diesem Sinne zum Beispiel bei Anthony, Earl of Shaftesbury, Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times, o. 0. 1714, Nachdruck Farnborough Engl. 1968, Bd. II, S. 273.
How comes it then... that even these good Terms are so ill accepted, and hardly ever taken... except on further terms?“,fragt Shaftesbury, a.a.0., S. 247 (aber sein Verdacht geht wiederum schlicht auf Lohn und Strafe, so daß es ihm leichter fällt als den Franzosen, die Tugend dann doch als natürlichen Affekt zu behandeln).
So in: Pierre de Villiers, Pensées et reflexions sur les égaremens des hommes dans la voye du salut, 3. Aufl. 3 Bde., Paris 1700–1702 (Bd. 2, S. 128 ff.).
A. a.0., Bd. 2, S. 94 f.
A. a.O., Bd. 2, S. 96: „On tombe en faisant profession d’être devot dans tous les vices ordinaires à ceux qui se piquent de quelche profession particulière. Un homme qui fait profession d’une chose, ne cherche ordinairement qu’a se faire valoir sa profession, il s’attache moins à la chose même qu’il professe, qu’à la gloire de la professer“.
The Logic of Social Systems: A Unified, Deductive System-Based Approach to Social Science, San Francisco 1974, S. 273f.
Daß mit der Abschwächung des stratifikatorischen Aufbaus der Gesellschaft die Oberschichteninteraktion ihre gesellschaftliche Sonderfunktion verliert und dadurch für Eigendynamik und Reflexion freigesetzt wird, ist eine mögliche Erklärung. Vgl. Niklas Luhmann, Interaktion in Oberschichten: Zur Transformation ihrer Semantik im 17. und 18. Jahrhundert, in ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 1, Frankfurt 1980, S. 72–161.
Vgl. oben Anm. 60.
So Charles K. Warriner, The Emergence of Society, Homewood 111. 1970, S. 110.
Zur Bedeutung dieser Entwicklung für eine Theorie sozialer Ungleichheit vgl. Ulrich Beck, Jenseits von Stand und Klasse? Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten, in: Reinhard Krekel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten, Sonderband 2 der Sozialen Welt, Göttingen 1983, S. 35–74.
Auch dieser Zug läßt sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, bis auf die damals auf Individuen übertragene Differenz von Original und Copie zurückverfolgen.
In gewisser Weise lebt in dieser Thematik das orgueil/vanité-Motiv fort. Vgl. dazu René Girard, Mensonge romantique et vérité romanesque, Paris 1961.
Grundlinien der Philosophie des Rechts § 297.
Robert von Mohl, Über Staatsdienstprüfungen, Deutsche Viertelsjahrs-Schrift 4 (1841), S. 79–103.
Nach Milovan Djilas, Die neue Klasse: Eine Analyse des kommunistischen Systems, dt. Übers. München 1963.
Nach Nicos Poulantzas, Klassen im Kapitalismus — heute, dt. Übers. Berlin 1975, S. 165 ff. Vgl. auch Karl Hörning (Hrsg.), Der „neue“ Arbeiter: Zum Wandel sozialer Schichtstrukturen, Frankfurt 1971.
Vgl. u.a. Eric Olin Wright, Class Structure and Income Determination, New York 1979, hier aber immer noch als Variante der marxistischen Theorie, das heißt mit einem Klassenbegriff, der durch Bezug auf Produktion definiert ist.
Vgl. z.B. Carlo Carboni, Elementi per uno studio su stato e classi sociali, Rassegna Italiana di Sociologia 23 (1982), S. 201–250.
Ich folge hier den Einsichten von Robert Musil, „Aus den Lebensregeln reicher Leute“, in: Der Mann ohne Eigenschaften, Hamburg 1952, S. 419–422.
Darauf vor allem hatte sich die sog. funktionalistische Schichtungstheorie bezogen.
Eine gute Hypothese für Angehörige der Prominenzklasse ist, daß sie am Engagement in Konflikten interessiert sein müssen, weil dies zur Erwähnung in den Massenmedien führt. Vgl. dazu Hans Matthias Kepplinger, Realkultur und Massenmedien: Literarische Karrieren in der Bundesrepublik, Freiburg 1975. Insofern trifft auch der philosophische Begriff des Njet Set (Odo Marquard) einen klassentheoretisch wichtigen Sachverhalt. Im übrigen führt das Fernsehen zu einer neuen Art von Verkörperung (oder soll man sagen: Körperkultur?) der Prominenz. Das zwingt dazu, daß man den Vorgang des Zeigens im Fernsehen in den Begriff der Erwähnung einschließen muß. Entscheidend ist die Ereignishaftigkeit und „Substanzlosigkeit“ der Reproduktion.
Vgl. H. Kreuzer, Veränderungen des Literaturbegriffs, Göttingen 1975, S. 65; Kepplinger, a.a.O. In jedem Falle leistet also Kunst-und Literaturkritik selektive Klassenaufbauhilfe.
So Alfred Kuhn, a.a.O., S. 399.
Untersuchungsvorschlag: Man frage Journalisten, die an internationalen Konferenzen teilnehmen, nach dem wirklichen Verhalten und Erscheinungsbild, der Erschöpfung und der Aufmöbelung, der relativen Hilflosigkeit und der Unterstützungsangewiesenheit der weltpolitischen Führer, von denen nachher in den Medien berichtet wird, was sie getan, erreicht, vereinbart bzw. abgewendet haben.
Dazu bereits im 18. Jahrhundert ausführliche Analysen in Bezug auf London. Hinweise bei Ian Watt, The Rise of the Novel: Studies in Defoe, Richardson and Fielding, London 1957, Neudruck 1967, S. 177 ff.
Bemerkenswert dazu, daß gerade in höheren Rängen die weitere Beförderung mehr auf äußere Umstände als auf eigene Qualitäten und Verdienste zugerechnet wird (wobei als äußerer Umstand nicht zuletzt das Freiwerden von Stellen in der richtigen Konstellation und zu einem guten Zeitpunkt in Betracht kommt). Siehe die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung dieser Frage bei Niklas Luhmann, Zurechnung von Beförderungen im öffentlichen Dienst, Zeitschrift für Soziologie 4 (1973), S. 326–351 (337 f.).
Vgl. z.B. Gérard Lemaine/Benjamin Matalon/Bernard Provansal, La lutte pour la vie dans la cité scientifique, Revue française de Sociologie 10 (1969), S. 139–165.
Zu dem hier vorausgesetzten Verhältnis von Summenkonstanz und Moral vgl. für ältere Gesellschaften George M. Foster, Peasant Society and the Image of Limited Good, American Anthropologist 67 (1965), S. 293–315.
ganz zu schweigen von der Verehrung des Alters einer Familie, die darauf beruhte, daß man vergessen konnte, wie der Rang einstmals konkret erworben worden war.
Die neuere Literatur hierzu blickt vor allem auf die politische Szene, was den Rückschluß erlauben könnte, daß andere Prominenz sich inzwischen Skandale leisten kann. Vgl. etwa Manfred Schmitz, Theorie und Praxis des politischen Skandals, Frankfurt 1981; Francesco M. Battisti, Sociologia dello scandalo, Bari 1982.
Das gilt ebenso und erst recht für Darstellungen der Diskussion selbst. Siehe die (ihrerseits parteiergreifende) Darstellung bei Paul Blumenberg, Inequality in an Age of Decline, New York 1980, S. 9 ff. Selbst die Einsicht in diesen Zusammenhang (S. 61 f.) kann den Verfasser nicht hindern, selbst eine ideologisch tendenzierte Analyse vorzulegen.
Die Literatur spricht hier oft von Multifunktionalität oder funktionaler Diffusität.
Dasselbe Argument läßt sich auf regionale Differenzierung anwenden. Wir können nicht einsehen und wir können uns schwer damit abfinden, daß die Verteilung der Chancen gesellschaftlichen Lebens einige Regionen vor anderen bevorzugt, obwohl dies weder wirtschaftlich noch politisch noch sonstwie notwendig ist, um die Gesellschaft zu erhalten oder zu entwickeln.
Nach Drucklegung erschienen: Dallas L. Clouatre, The Concept of Class in French Culture Prior to the Revolution, Journal of the History of Ideas 45 (1984), S. 219–244.
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Luhmann, N. (1985). Zum Begriff der sozialen Klasse. In: Luhmann, N. (eds) Soziale Differenzierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11396-6_5
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