Die Bedeutung von Gruppencharisma und Gruppenschande für die Entwicklung der Figurationssoziologie bei Norbert Elias

Zusammenfassung

Norbert Elias bemühte sich ab den 1960er Jahren um eine stärkere Synthese seines soziologischen Ansatzes. Es gelang ihm, seine figurationssoziologische Perspektive über eine intensive Kritik des Weberschen Idealtyps der charismatischen Herrschaft klarer herauszuarbeiten. In Leicester und während seiner Zeit als Professor für Soziologie in Ghana 1962-1964 entwickelte er anhand des Begriffspaares Gruppencharisma und Gruppenschande ein innovatives Erklärungsmodell für die Spannungen zwischen Etablierten und Außenseitern, das weitreichende theoretische Implikationen haben sollte. Elias präsentierte es 1964 auf dem Soziologentag in Heidelberg. In der westdeutschen Nachkriegssoziologie blieb sein Referat jedoch aus mehreren Gründen ohne Resonanz. Allerdings vermochte er es, seine theoretische Weiterentwicklung als Etablierten-Außenseiter-Figuration und mit dem allgemeineren Begriff der Figuration in seine soziologische Perspektive zu integrieren und diese mit der Neuauflage von Über den Prozeß der Zivilisation (1939/1969), seiner intensiv überarbeiteten Habilitationsschrift Die höfische Gesellschaft (1933/1969) und mit Was ist Soziologie? (1970) auf ein höheres Syntheseniveau zu heben. Seine innovative und nach wie vor wenig bekannte Charismatheorie bietet auch heute ein noch nicht ausgeschöpftes Analysepotential.