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Interventionen als kreative Praxisform: Die Suche nach Neuheit als gesellschaftliches Phänomen

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Die Experimentalstadt

Zusammenfassung

Die zentrale These des Artikels lautet, dass (künstlerische) Interventionen als Medium einer wissens- und kreativitätsbasierten Innovationsgesellschaft gedeutet werden können, welche sich über die permanente Suche nach Neuheit reguliert. Verstanden als kreativ-experimentelle Praxisform sollen in und durch Interventionen grenz- oder felderübergreifende Gesellschaftsgestaltung und -verhandlung entstehen, die neue Formen und Interpretationen des Sozialen ermöglichen. In einer von ästhetischer Regulation und einem Kreativitätsimperativ geleiteten Gesellschaft werden gestalterische Disziplinen mit ihren ästhetisch geleiteten Praktiken zunehmend als Gesellschaftsgestalter_innen beansprucht bzw. aufgewertet, um in spezifische Gesellschaftsstrukturen zu intervenieren und neue Möglichkeiten der Arbeits- oder Lebensorganisation zur Diskussion zu stellen. Interventionen werden dabei nicht nur als Instanzen der Verhandlung von Wirklichkeit zur Etablierung und Verschiebung von Handlungs-, Organisations- und Gesellschaftsformen konzeptualisiert, sondern sie können – so die These der Autor_innen – auch die ontologischen Grundlagen des Sozialen ent-grenzen und dadurch das radikal Neue möglich machen. In Anlehnung an die von Andreas Reckwitz entwickelten Regime des Neuen (I-III) erörtern die Autor_innen ein weiteres Regime des Neuen (IV), welches mit einem postfundamentalistischen Ansatz versucht, die konstitutive Ambivalenz des Interventionsbegriffs erkenntnistheoretisch als Artikulationspraxis des radikal Neuen neu zu erschließen.

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Notes

  1. 1.

    Zur Problematik, den Begriff der Intervention zu schärfen, siehe nachfolgende Ausführung zum Glossar der Interventionen.

  2. 2.

    Die steigende Inwertsetzung der „Ressource“ Kreativität und die permanente Affizierung von Subjektiven wird unter anderem als Ästhetisierung bezeichnet (Reckwitz 2012, Schulze 2005), in der die Produktion immer neuer Ästhetisierungsweisen zum gesamtgesellschaftlichen Regulativ wird (Haug 2009).

  3. 3.

    Trotz dieses schöpferischen Beiklangs ist Raunigs Ausführung zu beachten, dass Interventionen auch im Bereich des „Präproduktiven“ liegen, sie also in engeren Sinne nicht die materielle Produktion eines (Kunst-)Werkes anstreben, sondern „[…] statt einer Arbeit an Produkten […] die Arbeit an den Mitteln der Produktion“ sind (Raunig 2000, online). So wird Intervention als prozessuale Strategie begriffen.

  4. 4.

    Gemäß einem postmarxistischen oder postfundamentalistischen Gesellschaftsverständnis darf „[…] die moderne Abwesenheit letzter Gründe (wie Gott, Vernunft oder Geschichte) nicht mit der Abwesenheit aller Gründe verwechselt werden […] – das wäre ein bloßer Antifundamentalismus“ (Marchart 2013, S. 11). Eine postfundamentalistische Gesellschaftsbetrachtung gibt sich weder der Positivität und Selbstgenügsamkeit eines Fundamentalismus noch einem totalisierenden Antifundamentalismus hin, sondern kann durch Betonung der ontologischen Abwesenheit eines gesellschaftlichen Fundaments auf die unüberwindbare Konstruiertheit von „Gesellschaft“ verweisen, was potenziell emanzipatorische Handlungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet.

  5. 5.

    Hierbei ist Rachel Maders Hinweis zu beachten, dass Kontingenz oder Ambiguität jedoch nicht per se emanzipatorisch sind (Mader 2014, S. 10). Die gilt auch für das Phänomen der Intervention.

  6. 6.

    Diese theoretische Überlegung erhebt keinen Anspruch auf eine allgemeine, empirische oder kausal erzeugbare Gültigkeit dieser Idee.

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Mohr, H., Landau, F. (2017). Interventionen als kreative Praxisform: Die Suche nach Neuheit als gesellschaftliches Phänomen. In: Reinermann, JL., Behr, F. (eds) Die Experimentalstadt. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14981-9_4

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