Zusammenfassung
Der Befund ist eindeutig. Die technologische Transformation der Mediengesellschaft ist bereits weit fortgeschritten und es gibt keinen Weg zurück ins analoge Zeitalter. Alles andere wäre Nostalgie. Die digitale Revolution hat zu einer Erosion tradierter Kommunikationskanäle geführt. In Konsequenz ist das Kommunikationsmonopol von Unternehmen, Organisationen und Institutionen unwiederbringlich gefallen. Die kommunikative Aufgabenteilung zwischen Unternehmen und Medien – die einen liefern die Inhalte, die anderen sorgen für deren Distribution, was kritische Nebentöne natürlich nicht ausschließt – ist eine radikal andere geworden. In Zeiten der sozialen Medien konkurrieren die gesteuerten Informationsangebote der Organisationen mit mehr oder weniger anarchischen Meinungsbekundungen durch Blogger, Freizeitjournalisten, Trolle und mitteilungsfreudige Twitterer. Das einzig verbindende Element dieser Entwicklung ist die Tendenz, die Medieninhalte von der Informationsquelle selbst zu entkoppeln. In Konsequenz implodiert die Kontrolle über selbstgenerierte Inhalte auf Seiten der Organisationen, Institutionen und Unternehmen. Dieser Verlust ist total. Wenn jeder Mensch sein eigenes Medium ist, wird dadurch auch die Rolle jedes einzelnen Mediums radikal entwertet.
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Notes
- 1.
„To make the world a better place“ ist nicht von ungefähr eine häufig gebrauchte Worthülse, wenn es um die Erläuterung von digital basierten Geschäftsmodellen geht.
- 2.
Arnold Gehlen formulierte in seinem ambitionierten Buch „Der Mensch“ die anthropologische Grunderkenntnis über den Menschen „als Mängelwesen“ (Gehlen 1943). Heute kann man sagen: Je größer die Konsumbedürfnisse werden, desto deutlicher wird der eigene innere Mangel empfunden.
- 3.
Zum gesamten Diskurskomplex von Massenkommunikation und Massenpsychologie, der vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders virulent war, vgl. u. a. Le Bon (1908), Ortega y Gasset (1931), Jaspers (1932), Jünger (1932) sowie Canetti (1961). Kommunikationstheoretisch von hohem Belang ist ferner die Studie des amerikanischen Sozialwissenschaftlers Riesman (1950). In den 60er Jahren schwand das Interesse an massenpsychologischen Phänomenen, zumal sie stets in gesellschaftlicher Engführung mit Totalitarismustendenzen diskutiert wurden. Abschließend Eliot (1991 [1962], S. 107): „A mass-culture will always be a substitute-culture.“
- 4.
Dies zumindest ist die Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durch die breitgefächerten ethnologischen Studien von Ruth Benedict, Bronislaw Malinowski und Margaret Mead bis hin zu Claude Lévi-Strauss zieht. Zum historisch neuen Zusammenhang von Ethnologie und digitale Medien vgl. Miller (2012). In seiner Studie aus Trinidad „Das wilde Netzwerk“ kommt Miller zu dem Befund, dass soziale Medien auch in anderen Kulturkreisen primär zwei Zwecken dienen: Statusabsicherung und Kontrolle. Anders gesagt, auch soziale Medien stehen im paradoxen Spannungsfeld von Freiheit und Überwachung, Belohnung und Sanktion, Privilegierung und Marginalisierung (vgl. Miller 2012, S. 137 ff.).
- 5.
Vgl. die folgenreiche Abhandlung von La Mettrie (2001), S. 160.
- 6.
Dies ist auch der Grund, weshalb Medienunternehmen eigene Blogs unterhalten bzw. ursprünglich unabhängige Blogger in ihre eigenen Dienste stellen. Eine Praxis, die vor allem im Bereich Fashion und Lifestyle verbreitet ist.
- 7.
FAZ, 29. August 2015, S. 29.
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Pietzcker, D. (2016). Kommunikation und soziale Netze. In: Kampagnen führen. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07194-3_5
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