Zusammenfassung
Bei der Beurteilung der Schuldfahigkeit hat sich für den voluntativen Aspekt der dem Umkreis der finalen Handlungslehre zuzurechnende Begriff „Steuerungsfahigkeit“durchgesetzt. Der Psychiater Ehrhardt hatte ihn 1961 in einem Handbuchbeitrag der forensischen Psychiatrie nahegebracht und ihn 1963 in einem Vortrag auch vor Juristen gebraucht;1 in den Kommentaren erscheint er 1964 bei Dreher, 1967 bei Lackner-Maaßen, 1974 bei Schönke-Schröder. Welzel war bei der Entwicklung seines täterbezogenen (personalen) Unrechtsbegriffs und des ihn begründenden Handlungsmodells von einer Kritik des naturwissenschaftlich-mechanistischen Denkens, das alles deliktische Geschehen als Verursachungsvorgänge gedeutet habe, ausgegangen und hatte dem Kausaldogma eine teleologische Betrachtungsweise entgegengestellt: Der kausale Zusammenhang ist nur Teilkomponente eines durch wertgerichtete Sinn- intentionalität bestimmten und gelenkten Sinnzusammenhangs.2 In Überein-stimmung mit der Kategorienlehre N. Hartmanns und der hier erläuterten Überformung des Kausalnexus durch den Finalnexus legten die Bemühungen um eine „Wiedergewinnung der Person im Recht“1935 den Nachdruck auf die finale Überdeterminierung des Kausalgeschehens durch den Willen.3
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Notes
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Janzarik, W. (1991). Desaktualisierung als Prinzip von Steuerung und Handlung. In: Schütz, H., Kaatsch, HJ., Thomsen, H. (eds) Medizinrecht — Psychopathologie — Rechtsmedizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-76290-1_22
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