Auszug
Werte und Normen finden nicht nur im Kontext allgemeiner und beruflicher Bildung, sondern auch in der beruflichen Praxis zunehmende Beachtung. Das Wort „Wert“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen volks- und betriebswirtschaftlichen Handelns geradezu inflationär verwendet. Kennzeichnend dafür sind vielfältige Aktivitäten zur Begründung und Verwirklichung dessen, was als „Unternehmenskultur“ und „Unternehmensethik“ (vgl. u. a. Holleis 1987; Rebstock 1988; Osterloh 1989) seit etwa zwanzig Jahren mit wechselndem Engagement diskutiert wird (vgl. Corsten/Lempert 1992, S. 66ff.). Auf diesem bemerkenswerten „Umweg“ finden Begriffe und Intentionen dieser Debatte neuerdings sogar Eingang in Abhandlungen über Aufgaben so genannter allgemeinbildender Schulen (z. B. bei Lohrer 1994, S. 176); hier ist von der „Unternehmenskultur einer Schule“ und von „corporate identity“ die Rede. Gesteigertes Interesse an Werten und Normen spielt vor allem in Erörterungen zur Entwicklung und Realisierung von Konzepten betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung eine Rolle. Das damit Gemeinte und Geforderte steht u. a. in der Tradition dessen, was als „Humanisierung der Arbeit“ bzw. „der Arbeitswelt“ in den gesellschaftspolitischen Sprachgebrauch eingegangen ist (vgl. u. a. Matthöfer 1977; Preiss 1977). Als jüngeres Beispiel für Bestrebungen dieser Art ist das „Anthropozentrische Produktionssystem“ (Lehner/Widmaier 1992, S. 56ff.) zu nennen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Einrichtung von eigenen Lehrstühlen für Wirtschaftsethik in Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten (z. B. in den Hochschulen St. Gallen, Eichstätt, München oder Marburg), wenngleich wirtschaftsethische Fragen in der katholischen und evangelischen Soziallehre eine sehr bemerkenswerte Tradition besitzen (vgl. z. B. die Sozialenzykliken Rerum novarum vom 15.05.1891 und Quadragesimo anno vom 15.05.1931; zu nennen wären auch die Protagonisten O. v. Nell-Breuning; G. Gundlach; F. Karrenberg; A. Rich; zur gegenwärtigen Diskussion vgl. u. a. Rebstock 1988; Steinmann/Löhr 1989; Ulrich/Thielemann 1992).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Albert, H., 1961: Allgemeine Wertproblematik. In: Beckerath, E. v., u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (Bd. 11). Stuttgart/Tübingen/Göttingen, S. 637–642.
Die Ausbildung ist auch eine Sache der Einstellung, 1984. In: schule & wir, 2, S. 2–5.
Bolte, K. M., 1993: Wertewandel, Lebensführung, Arbeitswelt. Eichstätt.
Brecht, A., 1961: Politische Theorie. Tübingen.
Corsten, M./ Lempert, W., 1992: Moralische Dimensionen der Arbeitssphäre. Materialien aus der Bildungsforschung (Nr. 42). Hrsgg. vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin.
Durkheim, E., 1961: Die Regeln der soziologischen Methode (1895). Neuwied/Berlin.
Dunkel, D., 1984: Probleme der betrieblichen Bildungsarbeit. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Berufliche Bildung. Herausforderung für die Wirtschaft, Chance für die Jugend. Bonn, S. 27–30.
Edelstein, W., 1986: Moralische Intervention in der Schule. Skeptische Überlegungen. In: Oser, F./ Fatke, R./ Höffe, O. (Hrsg.): Transformation und Entwicklung. Frankfurt a. M., S. 327–349.
Grundsätze der BMW-Führungskultur (Hektogramm). April 1985.
Hare, R. M., 1972: Die Sprache der Moral (1952). Frankfurt a. M.
Hartmann, N., 1926: Ethik (2 Bde.). Berlin.
Heid, H., 1992: Was „leistet“ das Leistungsprinzip? In: Zeitschrift für Berufs-und Wirtschaftspädagogik, 88,2, S. 91–108.
Heid, H., 1993: Zur Fragwürdigkeit einer Werterziehung. In: Busch, F. W. (Hrsg.): Wege entstehen beim Gehen. Erziehungswissenschaft in Dresden. Dresden, S. 49–72.
Herrmann, T., 1982: Wertorientierung und Wertewandel. Eine konzeptionelle Analyse aus dem Blickwinkel der Psychologie. In: Stachowiak, H., u. a. (Hrsg.): Bedürfnisse, Werte und Normen im Wandel. München/Paderborn/Wien/Zürich, S. 29–71.
Hoff, E.-H./ Lempert, W./ Lappe, L., 1991: Persönlichkeitsentwicklung in Facharbeiterbiographien. Bern/Stuttgart/Toronto.
Holleis, W., 1987: Unternehmenskultur und moderne Psyche. Frankfurt a. M.
Hüchtermann, M./ Lenske, W., 1991: Wettbewerbsfaktor Unternehmenskultur. Köln.
Inglehart, R., 1989: Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Frankfurt a. M..
Institut der Deutschen Wirtschaft, 1990: Forschungsstand und Forschungsperspektiven im Bereich betrieblicher Weiterbildung aus betrieblicher Sicht. In: Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.): Betriebliche Weiterbildung. Forschungsstand und Forschungsperspektiven (Schriftenreihe Studien zu Bildung und Wissenschaft, Bd. 88). Bonn, S. 1–191.
Klages, H./ Kmieciak, P. (Hrsg.), 1984: Wertewandel und gesellschaftlicher Wandel. 3. Auflage, Frankfurt a. M.
Kohlberg, L., 1987: Moralische Entwicklung und demokratische Erziehung. In: Lind, G./ Raschert, J. (Hrsg.): Moralische Urteilsfähigkeit. Weinheim/Basel, S. 25–43.
Kraft, V., 1951: Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre. 2. Auflage, Wien.
Kutschera, F. v., 1973: Einführung in die Logik der Normen, Werte und Entscheidungen. Freiburg/München.
Kutschera, F. v., 1981: Plädoyer für eine intuitionistische Ethik. In: Morscher, E./ Stranzinger, R. (Hrsg.): Ethik — Grundlagen, Probleme und Anwendungen. Wien, S. 108–114.
Lehner, F./ Widmaier, U., 1992: Eine Schule für eine moderne Industriegesellschaft. Essen.
Lohrer, K., 1994: Plädoyer für die Planung wertorientierter Erziehung. In: Christ und Bildung, 40,6, S. 175–177.
Matthöfer, H., 1977: Humanisierung der Arbeit und Produktivität in der Industriegesellschaft. Köln/Frankfurt a. M.
Meyer-Dohm, P., 1990: Qualifikation als Standort-und Wettbewerbsfaktor. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Berufliche Bildung in der Offensive. Bonn, S. 3–9.
Morawski, J., 1991: Der Wandel der Wirtschafts-und Arbeitswelt im nächsten Jahrzehnt. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Berufliche Bildung für den Wandel. Bonn, S. 5–13.
Noelle-Neumann, E., 1978: Werden wir alle Proletarier? Wertewandel in unserer Gesellschaft. Zürich.
Oser, F./ Althoff, W., 1992: Moralische Selbstbestimmung. Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Stuttgart.
Osterloh, M., 1989: Unternehmensethik und Unternehmenskultur. In: Steinmann, H./ Löhr, A. (Hrsg.): Unternehmensethik. Stuttgart, S. 143–161.
Ouchi, W. G., 1980: Markets, bureaucracies and clans. In: Administrative Science Quarterly, 25, S. 129–141.
Perlitz, M., 1992: Lean-Management — Wettbewerb der Qualifikationen. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Ausbilden für den Markt der Zukunft. Bonn, S. 6–15.
Posth, M., 1989: Qualifizierung als Wettbewerbsfaktor. In: Meyer-Dohm, P./ Lacher, M./ Rubelt, J. (Hrsg.): Produktionsarbeit in angelernten Tätigkeiten. Frankfurt a. M., S. 19–29.
Preiss, Chr., 1977: Humanisierung der Arbeitswelt. Köln.
Prim, R./ Tilmann, H., 1975: Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialwissenschaft. 2. Auflage, Heidelberg.
Rebstock, W., 1988: Unternehmensethik. Werte und Normen für die Unternehmung. Spardorf.
Reuband, K.-H., 1985: Arbeit und Wertewandel — Mehr Mythos als Realität? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37, S. 723–746.
Scheler, M., 1913 und 1916: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. In: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung (Bd. 1 und 2). Ohne Ort.
Stegmüller, W., 1960: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. 2. Auflage, Stuttgart.
Steinmann, H./ Löhr, A. (Hrsg.), 1989: Unternehmensethik. Stuttgart.
Stössel, H., 1986: Schlüsselqualifikationen und kaufmännische Berufsausbildung. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Berufliche Bildung bei veränderten Bewerberstrukturen und neuen Qualifikationsanforderungen. Bonn, S. 37–47.
Tippelt, R., 1990: Bildung und sozialer Wandel. Eine Untersuchung von Modernisierungsprozessen am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland seit 1950. Weinheim.
Tropitzsch, H., 1990: Anforderungen an eine zukunftsorientierte Personalpolitik. In: Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.): Berufliche Bildung in Zeiten des Umbruchs. Bonn, S. 7–12.
Tropitzsch, H., 1993: Die Herausforderung für das duale System. In: Fels, G./ Schlaffke, W. (Hrsg.): Standort Deutschland: Bildung. Mangel an Fachkräften — Überfluss an Akademikern. Köln, S. 25–45.
Ulrich, P./ Thielemann, U., 1992: Ethik und Erfolg. Unternehmensethische Denkmuster von Führungskräften — eine empirische Studie. Bern/Stuttgart.
Wollert, A., 1985: Werteorientierte Personalpolitik als Bestandteil einer gesamthaften Unternehmenspolitik. In: Bayer, H. (Hrsg.): Unternehmensführung und Führungsethik. Heidelberg, S. 95–113.
Zecha, G., 1984: Für und wider die Wertfreiheit der Erziehungswissenschaft. Paderborn/München.
Zukunftssicherung des Standortes Deutschland (hrsgg.v. Bundesministerium für Wirtschaft). Bonn o. J. (1994).
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Heid, H. (2006). Werte und Normen in der Berufsbildung. In: Arnold, R., Lipsmeier, A. (eds) Handbuch der Berufsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90622-5_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90622-5_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15162-5
Online ISBN: 978-3-531-90622-5
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)