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Typenbildung, Generalisierung und komparative Analyse: Grundprinzipien der dokumentarischen Methode

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Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis

Zusammenfassung

Abhandlungen zur Typenbildung nehmen ihren Ausgangspunkt in der Regel beim Idealtypus von Max Weber. Zwei Tradierungslinien oder auch Paradigmata sozialwissenschaftlicher Forschung, die für die qualitative Forschung wegweisend sind, positionieren sich allerdings in je unterschiedlicher Weise zum Weberschen Konzept. Die eine Linie ist diejenige, wie sie in der Weber-Rezeption von Alfred Schütz im Zuge seiner Ausarbeitung der Phänomenologischen Soziologie begründet wurde. Die andere ist diejenige der Wissens- und Kultursoziologie, vor allem von Mannheim und Bourdieu, die dort, wo sie auf Weber Bezug nehmen, nicht — wie Schütz und die meisten Weber-Interpreten — von den theoretischen und erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretischen Schriften Webers ausgehen, sondern sich auf eine Rekonstruktion seiner forschungspraktischen, d.h. historischen Arbeiten, vor allem der religionssoziologischen, beziehen.1

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Literatur

  1. So unterscheidet Bourdieu (1974, 29 ff.) zwischen den Ausführungen Webers zum Idealtypus in dessen ‚Wissenschaftslehre’(Weber 1968) einerseits und dem Verständnis des Idealtypus, wie es in Webers Forschungspraxis, d.h. in der in dieser Praxis implizierten „Logik der Forschung“(Bourdieu 1974, 30) sich dokumentiert (s. dazu auch Anm. 4). Nach Mannheim (1964a, 151) „muß hervorgehoben werden, daß Max Webers theoretische Reflexionen keineswegs mit seinem historischen Verfahren immer zusammenfallen. Will er sich in den ersteren von Kausalerklärungen nicht lossagen, so verfährt er sehr oft bei seiner historischen Arbeit dokumentativ“. Wobei Mannheim mit dem Begriff „dokumentativ“Bezug nimmt auf die von ihm in dem zitierten Aufsatz entworfene „dokumentarische Methode“.

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  2. Genaueres dazu in meinem theoretischen Beitrag zur Bildinterpretation i. d. Band.

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  3. Dieser Begriff stammt von Bourdieu (vgl. 1996, 269), dessen Analyseeinstellung in dieser Hinsicht mit der hier vertretenen übereinstimmt.

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  4. Zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Bourdieus Kultursoziologie und Mannheims Wissenssoziologie siehe den Beitrag von Meuser i. d. Band.

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  5. Im Sinne von Bourdieu (1996, 268) ist „das analogische Denken, das sich auf die (…) vernunftgetragene Intuition der Homologien stützt“, Grundlage der „komparativen Methode“. Trotz vieler grundlagentheoretischer Gemeinsamkeiten zwischen der Bourdieuschen kultursoziologischen Analyse und unserer eigenen finden sich jedoch auch erhebliche Unterschiede, so u.a. hinsichtlich der empirischen Verfahrensweise. Vgl. dazu auch den Beitrag von Meuser i. d. Band.

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  6. Die soziogenetische Typenbildung entspricht in dieser Hinsicht der Konstruktion des Idealtypus bei Max Weber. Eine derartiges idealtypisches Verstehen fasst er als ein „erklärendes Verstehen“(Weber 1980). Übereinstimmungen zwischen der Konstruktion von Idealtypen bei Weber und der soziogenetischen Typenbildung zeigen sich u.a. im Hinblick auf das, was in der Weber-Rezeption auch als „genetische Rekonstruktion“bezeichnet wurde (vgl. Seyfarth 1979, 156; Gerhardt 1986, 36 ff.). Mit „genetischer Rekonstruktion“ist gemeint, „daß bei einem Phänomen in breit schauender historischer Betrachtung nach und nach herausgearbeitet wird, welche vorausgehenden Vorgänge verständlich als Vorstufen und Entwicklungsformen des später (in der Gegenwart) Gegebenen erkannt werden können“(Gerhardt 1986, 50). Gerhardt (1999, 198) arbeitet auch die Bedeutung der komparativen Analyse für die Konstruktion von Idealtypen heraus und unterscheidet drei Schritte: „Fallvergleich (Kontrastierung) — Bildung von Idealtypen — Konfrontierung“. Allerdings legt auch Gerhardt keine genaue Rekonstruktion der Weberschen genetischen Rekonstruktion in dessen Forschungspraxis vor. Es lässt sich aber in „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“(Weber 1920) die genetische Rekonstruktion u.a. dort sehr schön rekonstruieren, wo Weber zu zeigen vermag, wie die ursprünglich religiös motivierte Methodik der Lebensführung, also die spezifische Rationalisierung des Alltagslebens (als zentrale Komponente des kapitalistischen Geistes) sich zunehmend von ihrer ursprünglichen religiösen Motivation gelöst, sich ihr gegenüber verselbständigt hat (zur Rekonstruktion der Weberschen Forschungspraxis siehe auch: Bohnsack 2000a, 242–244).

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  7. Das von der DFG finanzierte Projekt mit dem Titel: „Entwicklungs- und milieutypische Ausgrenzungs- und Kriminalisierungserfahrungen in Gruppen Jugendlicher“(s. dazu u.a: Bohnsack/Nohl 1998 sowie 2001b und Nohl 2001) steht in einem Zusammenhang mit vorangegangenen DFG-Projekten zu Jugendlichen in Gruppen sowohl in Berlin (s. Bohnsack et al. 1995) als auch in einer Kleinstadt mit ihren umliegenden Dörfern in Franken (s. Bohnsack 1989). Letztgenannte Studie stellt die erste empirische Realisierung des hier skizzierten Modells einer mehrdimensionalen praxeologischen Typenbildung dar. Der Vergleich möglichst unterschiedlicher Milieus wurde darüber hinaus auch auf Jugendliche in Säo Paulo und — hinsichtlich der systematischen komparativen Analyse der Migranten mit einheimischen Jugendlichen — in Ankara (s. Nohl 2001) ausgeweitet.

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  8. Hierin liegt einer der zentralen Unterschiede zur Ethnographie, aber auch zur objektiven Hermeneutik, die beide -jenseits der großen Unterschiede zwischen ihnen — die fallspezifische Besonderheit in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellen und damit ihr eigenes Wissen um das Typische eher implizit voraussetzen, als dass sie es explizieren. Glaser/Strauss (1969, 58) haben konsequent zwischen typen- bzw. theoriegenerierender Analyse und Ethnographie unterschieden und betont: Zuerst müsse der Forscher im Sinne der grounded theory „sich daran erinnern, dass er Sammler theorierelevanter Daten ist, nicht ein Ethnograph, der versucht, die umfassendsten Daten über eine Gruppe zu erhalten.“Auch in diesem Sinne ist die von Glaser/Strauss (1969, 101 ff.) und Strauss/Corbin (1994, 273) geforderte „constant comparative method“als eine in allen Stadien und auf allen Ebenen des Forschungsprozesses operierende Vergleichsgruppenbildung zu verstehen. Es lassen sich hier viele Parallelen zur grounded theory von Glaser/Strauss (1969) ziehen. Allerdings bleibt der Schritt der soziogenetischen Typenbildung aus deren Modell der Theorie- oder Typengenerierung weitgehend ausgeschlossen wie auch die Mehrdimensionalität der Typenbildung (s. dazu auch Kap. 5).

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  9. Vgl. dazu genauer den Beitrag von Nohl i. d. Band.

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  10. Die Auswahl dieser Altersgruppe von männlichen Jugendlichen aus den ‚bildungsfernen Milieus’war durch die kriminologische Ausgangsfrage bedingt. Es sind eben diese Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, die in der Kriminalstatistik deutlich überrepräsentiert sind.

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  11. Auf die Verankerung dieses Habitus im dörflichen Milieu finden sich zwar viele Hinweise in den biographischen Interviews und Gruppendiskussionen. In valider Weise ist dies aber auf der Grundlage unseres Materials nicht herauszuarbeiten. Wir können hier jedoch auf die empirischen Analysen zur „Ordnung der Gesellschaft im türkischen Dorf von Schiffauer (1987, 23 f.) zurückgreifen: „ ‚Ehre’bezeichnet die Integrität, die Unantastbarkeit und Unbescholtenheit eines Haushaltes (…). Man erzählt in Subay von Fällen, in denen Frauen nur in der Absicht geschändet wurden, ihre Ehemänner oder Väter zu treffen.“

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  12. Der Kontext der Zitate aus dieser und den folgenden Gruppen findet sich in Bohnsack/Nohl 1998 u. Bohnsack 2001c.

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  13. Siehe zu dieser Kritik auch den Beitrag von Nentwig-Gesemann i. d. Band.

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© 2001 Leske + Budrich, Opladen

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Bohnsack, R. (2001). Typenbildung, Generalisierung und komparative Analyse: Grundprinzipien der dokumentarischen Methode. In: Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., Nohl, AM. (eds) Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92213-7_11

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92213-7_11

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8100-2999-7

  • Online ISBN: 978-3-322-92213-7

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