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Individualisierung, Selbstrestriktion und Soziale Ungleichheit

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Soziologie der sozialen Ungleichheit

Part of the book series: Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung ((BEISOFO,volume 101))

Zusammenfassung

Entwickelte kapitalistische Gesellschaften lassen nicht in derselben Weise wie traditionale stratifizierte Gesellschaften eine scharf geschnittene Differenzierung und Entgegensetzung von herrschenden und beherrschten Klassen erkennen. Die vertikale Differenzierung, die sich aus der spezifischen Stellung zu den Produktionsmitteln ergibt, also die Differenz von Besitzern und Nicht-Besitzern von Kapital, wird durch andere Prozesse überlagert. Teilweise sind es Prozesse der Homogenisierung und Gleichsetzung, die die Klassenstruktur in den Hin-tergrund drängen: Als Rechtssubjekt und spezifischer als Staatsbürger verfügt jedes Mitglied der Gesellschaft formell über gleiche Rechte, mit der Einrichtung eines staatlichen Erziehungssystems erhalten alle gesellschaftlichen Mitglieder Zugang zu formalen Bildungsprozessen, das Sozialversicherungssystem eröffnet allen einen Zugang zur medizinischen Versorgung usw.1 Vor allem aber gewinnen nun eine Reihe von Differenzierungslinien Bedeutung, die, weil sie quer zur vertikalen Differenzierung laufen, zu komplizierten Aufspaltungen der Klassenstruktur führen. Zu diesen gehört insbesondere die funktionale Differenzierung, die in modernen Gesellschaften relativ autonome gesellschaftliche Teilsysteme mit jeweils eigenem Operationsmodus entstehen läßt.

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Anmerkungen

  1. T.H. Marshall, Class, Citizenship, and Social Development, Garden City, N.Y., 1933. Indem Parsons der von Marshall vorgenommenen Interpretation der Entwicklung von legalen, politischen und sozialen Bürgerrechten folgt, kommt er zu dem Resultat: “In der Tat scheint man mit Berechtigung sagen zu können, daB die neue gesellschaftliche Gemeinschaft zumindest im Prinzip heute als Gesellschaft von Gleichen bezeichnet werden kann.” T. Parsons, Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S.120. Umgekehrt operiert Giddens, der Marshall mit Marx zurechtzurücken sucht. Vgl. A. Giddens, Klassenspaltung, Klassenkonflikt und Bürgerrechte, in: Soziale Welt, Sonderband 2, Soziale Ungleichheiten, 1983, S. 15–34.

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  2. Zu dieser Schwierigkeit kommt ferner noch hinzu, daB das Problem nicht in einer alles überspannenden Sphäre, sondern in den vielen verschiedenen Sphären auftaucht. Es gibt viele Grundlagen für funktionale Ungleichheiten; die Klassifizierung ‘Kompetenz - wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - kollektive Wirksamkeit’ stellt lediglich einen sehr elementaren Rahmen dar. Es müssenchrw(133) verschiedene Arten von Ansprüchen auf besondere Vorrechte in einem höchst pluralistischen Sy-stem miteinander integriert werden.“ (T. Parsons, a.a.O., S. 153f.) Eine ähnliche Argumentationslinie findet sich in N. Luhmann, Zum Begriff der sozialen Klasse, in: ders. (Hg.), Soziale Differenzierung: Zur Geschichte einer Idee, Opladen 1985, S. 119–162, hier insbesondere S. 145ff.

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  3. Als Versuch, der Komplexität der Schichtungsstruktur dadurch Herr zu werden, daB man nicht nur eine Achse für die Plazierung der Schichten verwendet, vgl. S. Hradil, Die Ungleichheit der “sozialen Lage”, in: Soziale Welt, Sonderband 2, Soziale Ungleichheiten, 1983, 5.101–118. Ferner Hradils Beitrag in diesem Band.

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  4. Diese Konsequenz zieht E.O. Wright. Vgl. seinen Aufsatz: Wo liegt die Mitte der Mittelklasse?, in: Prokla 58, 1985, S. 35–62. Eine Kritik dieses Ansatzes findet sich bei C. Offe, Bemerkungen zur spieltheoretischen Neufassung des Klassenbegriffs bei Wright und Elster, in: Prokla 58, 1985, S. 83–88. Zur Kategorie des kulturellen Kapitals vgl. P. Bourdieu/J.-C. Passeron, Die Illusion der Chancengleichheit, Stuttgart 1971.

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  5. U. Beck, Jenseits von Klasse und Stand? Soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten, in: Soziale Welt, Sonderband 2, Soziale Ungleichheiten, 1983, S. 35–74.

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  6. Vgl. J. Goldthorpe u.a., Der ‘wohlhabende’ Arbeiter in England, 3 Bände, München 1970. J. Mooser, Abschied von der ’Proletarität’–Sozialstruktur und Lage der Arbeiterschaft in der Bundesrepublik Deutschland in historischer Perspektive, in: Soziale Welt, 1983, S. 270–306.

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  7. K.U. Mayer/W. Mül-ler, Soziale Ungleichheit, Prozesse der Statuszuweisung und Legitimitätsglaube, in: K. Hörning (Hg.), Soziale Ungleichheit, Darmstadt 1976.

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  8. E. Beck-Gernsheim, Vom ‘Dasein für Andere’ zum Anspruch auf ’Ein Stück eigenes Leben’ - Veränderungen im weiblichen Lebenszusammenhang, in: Soziale Welt, 1983, S. 307–340. Zusammenfassend U. Beck, op.cit., S.38ff. und S. 45ff.

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  9. U. Herlyn, Einleitung: Wohnquartier und soziale Schicht, in: ders. (Hg.): Stadt-und Sozialstruktur, München 1974, S. 16–41. M. Riege, Räumliche Strukturen sozialer Ungleichheit, in: Hamm, B. (Hg.), Lebensraum Stadt, Frankfurt/New York 1979, S. 23–34.

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  10. P. Willis, Spaß am Widerstand. Gegenkultur in der Arbeiterschule, Frankfurt 1982.

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  11. L. Hack u.a., Leistung und Herrschaft. Soziale Strukturzusammenhänge subjektiver Relevanz bei jüngeren Industriearbeitern, Frankfurt/New York 1979.

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  12. P. Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt 1984.

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  13. H.J. Giegel/G. Frank/U. Billerbeck, Industriearbeit und Selbstbehauptung. Über berufsbiographische Orientierung und Gesundheitsverhalten bei Lohnarbeitern, very. Manuskript, Marburg 1985.

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  14. T. Parsons, Der Stellenwert des Identitätsbegriffs in der allgemeinen Handlungstheorie, in: R. Döbert/J. Habermas/ G. Nunner-Winkler (Hg.), Entwicklung des Ichs, Köln 1977. Nicht identisch mit Parsons’ Begriff der Ich-Identität ist der, den Habermas benutzt. Habermas reserviert den Begriff für die auf der postkonventionellen Stufe des moralischen Urteils mögliche Identitätsformation. Damit fehlt bei ihm ein Begriff für die Regulierung von Individualisierungsprozessen, die vor Erreichung dieser Stufe stattfinden. ( Vgl. dazu Anmerkung 18 ).

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  15. A.N. Leontiew, Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit, Köln 1982.

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  16. Diese Übersicht ist entnommen aus H.J. Giegel/G. Frank/U. Billerbeck, op. cit., S. 682.

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  17. Zu Recht hat U. Beck deshalb bemerkt: “Im Zuge einer sich so entfaltenden Individualisierungsdynamik entsteht eine eigentümlich ambivalente Situation: für den statistisch sehenden, indikatorengeleiteten Blick des Schichtungsforschers (ebenso wie übrigens für den marxistischen Klassen-theoretiker) hat sich möglicherweise nichts Wesentliches verändert, denn die Abstände auf der Einkommenshierarchie, Arbeitsteilungsstrukturen etc. einerseits und fundamentale Bestimmungen der Lohnarbeit andererseits sind, allgemein betrachtet, gleich gebliebenchrw(133)”, a.a.O., S. 41f.

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  18. Das wird aus den folgenden Äußerungen eines Arbeiters, der das berufsbiographische Orientierungsmuster IV repräsentiert, deutlich: “Wenn Se als Arbeiterkind geboren, in einer Arbeiterfamilie aufwachsen, das oberste Gebot ist, nicht auffallen. Das kriegen se eingebleut von vorne bis hinten und das merken sie ihren Eltern an, nur nicht auffallen, nur nicht auffallenchrw(133) und gut durchrutschen, ne. Nix auf’s Spiel setzen und sochrw(133) Der junge Meister, der hat eben viel, viel Unruhe gestiftet, durch sein, hat den alten Meister an die Wand gedrängt und der kann sich nicht so wehren, wie das so ist manchmal, dann ist der Betriebsrat da ausgeschieden und dann kam ein anderer hin und der hat einen Herzinfarkt gekriegt beim Kegeln und ist umgefallen.”

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  19. Auf diesen Punkt zielt die folgende Bemerkung eines dem berufsbiographischen Orientierungsmuster VI zugehörenden Meisters: “Ich habe einen, der beherrscht seine Maschine net, aber der Mann ist hochintelligent, der ist total verkehrt an seinem Arbeitsplatz... Der beste Job wäre für den, ‘nen Bürojob oder sowas, hier, da wäre der Spitze drin, den hat er nicht, er hat nicht die Voraussetzungen dafür, die müßte er sich selber schaffen. Er ist an sich ‘nen bißchen träge, ich habe mich schon mit ihm darüber unterhalten, ich habe schon versucht, den dadrüber, den dafür anzuregen, aber er sagt: Ja Gott, ich verdiene hier gutes Geld, hier, das reicht mir... ”

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  20. In den meisten Fällen ist diese Restriktion der Interessenverfolgung durch reflexionsloses Akzeptieren grundlegender Mechanismen der vorgegebenen gesellschaftlichen Ordnung, insbesondere des Leistungsprinzips, vermittelt, bewegt sich also vermutlich auf dem konventionellen Niveau der Ich-Entwicklung. Schon deshalb ist es problematisch, die Fähigkeit zur Individualisierung erst auf dem postkonventionellen Niveau als gegeben anzusehen, wie Habermas dies tut. Es stellt sich dann die Frage, welcher Art die auf konventionellem Niveau stattfindende Individualisierung ist. Vgl. J. Habermas, Moralentwicklung und Ich-Identität, in: ders.,Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 6391, hier S. 80.

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  21. Also beherrschte Lohnabhängige würde ich streichen, Lohnabhängige draus machenchrw(133) So beherrscht fühl ich mich auch wieder net, weil ich hier nämlich die Möglichkeit habe, dem ein Ende zu machen.“

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  22. Ich sag immer, der (Selbständige, H.J.G.) kann auch nicht mehr machen, wie satt essen. Ich kann auch nicht mehr machen. Ob jetzt der, sag mal, wenn der jeden Tag e Steak ißt, was will denn der, da bild ich mir gar nichts ein damit.“ H.J. Giegel/G. Frank/U. Billerbeck, op. cit., S. 521 und 327.

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  23. Einige Individuen der Arbeiterklasse ‘schaffen es’ und jeder einzelne kann hoffen, einer von diesen zu sein. Für die Klasse oder Gruppe aber bedeutet Mobilität nichts.“ P. Willis, op. cit., S. 200.

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  24. Vgl. auch K. Hurrelmann, Soziale Ungleichheit und Selektion im Erziehungssystem, in: H. Strasser/J.H. Goldthorpe (Hg.), Die Analyse sozialer Ungleich-heit, Opladen 1985, S. 48–69.

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  25. Zur schichtspezifischen Selektivität der Inanspruchnahme öffentlicher Güter vergleiche R.G. Heinze, Politische Regulierung sozialer Ungleichheit. Zur Verklammerung von Arbeitsmarkt, Verbänden und staatlicher Politik, in: Soziale Welt, Sonderband 2, Soziale Ungleichheiten, S. 163–180, hier S. 176.

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  26. D. Schmädel, Schichtspezifische Unterschiede im Gesundheits-und Krankheitsverhalten der Bevölkerung der Bundesrepublik, in: D. Ritter-Röhr (Hg.), Der Arzt, sein Patient und die Gesellschaft, Frankfurt 1975. D.B. Dutton, Explaining the low use of health services by the poor, in: Ameri-can Sociological Review, 43, 1978, S. 348ff.

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  27. A. HendelKramer/J. Siegrist, Soziale und psychische Determinanten des Krankheitsverhaltens, in: dies. (Hg.): Weg zum Arzt, München, Wien, Baltimore 1979, S. 24–55.

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  28. Vgl. die Übersicht über die Muster gesundheitsbezogener Orientierungen in H.J. Giegel/G. Frank/U. Billerbeck, op. cit., S. 666.

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© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH. Opladen

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Giegel, HJ. (1987). Individualisierung, Selbstrestriktion und Soziale Ungleichheit. In: Giesen, B., Haferkamp, H. (eds) Soziologie der sozialen Ungleichheit. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 101. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88691-0_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-88691-0_12

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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