Zusammenfassung
Da es in der Politikwissenschaft seit Anbeginn zentral um die Frage verbindlicher gesamtgesellschaftlicher Ordnung und damit um die Bedingungen und Voraussetzungen für deren Einrichtung und Gewährleistung ging, stand das Problem der legitimen physischen Gewaltsamkeit immer im Mittelpunkt politikwissenschaftlicher Theoriebildung und Forschung. Max Webers weithin akzeptierte Definition, wonach der Staat als der Inhaber des Monopols auf legitime Gewaltsamkeit auf seinem Territorium zu charakterisieren sei, unterstreicht den grundlegenden Sachverhalt, dass Gewalt, verstanden als unmittelbarer physischer Zwang, in der Politik und damit auch in Politikwissenschaft und politischer Kulturforschung keineswegs prinzipiell als eine problematische Größe figuriert. Legitime Gewalt, in erster Linie die des Staates, erscheint in der gesamten Geschichte des politischen Denkens mit wenigen Ausnahmen der anarchistischen Tradition vielmehr als Voraussetzung und Garant guter politischer Ordnung. Umstritten war hingegen in der politischen Praxis und in der Politikforschung gleichermaßen, welche Legitimitätsbedingungen für die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols gelten und wann sie erfüllt sind. Seit den Tyrannenmord-Debatten der Antike bis zu den Widerstands- und Revolutionstheorien der frühen Moderne hat es daher in der Politiktheorie immer Argumente für die Auffassung gegeben, dass auch Gewalt gegen die Repräsentanten der verfassten staatlichen Macht legitim sein kann, wenn diese die anerkannten Legitimitätsbedingungen verletzen. Vorläufer der politischen Kulturforschung von Aristoteles bis zu Montesquieu und Tocqueville haben anhand historischer Erfahrungen und vergleichender Beobachtungen darüber spekuliert, inwieweit der vermeintliche, Nationalcharakter’ und ihre jeweiligen politischen Institutionen bestimmte Völker dazu disponieren, Konflikte friedlich zu lösen oder die Anwendung von Gewalt zur Gewohnheit werden zu lassen.
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Meyer, T. (2002). Politische Kultur und Gewalt. In: Heitmeyer, W., Hagan, J. (eds) Internationales Handbuch der Gewaltforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80376-4_48
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