Zusammenfassung
Hintergrund
Die Koordinierungsfunktion ist ein konzeptioneller Grundbestandteil des hausärztlichen Berufs und wird im Rahmen von Primärarztmodellen auch gesetzlich gefordert. Überweisungen sind ein wichtiges Instrument, diese Funktion auszuüben. Die vorliegende Studie beschreibt Größenordnung und Verteilung von Überweisungen von Allgemeinärzten zu Gebietsärzten und das Inanspruchnahme-Verhalten der Patienten in Baden-Württemberg vor der Einführung bzw. Umsetzung von Hausarztverträgen.
Methode
Quantitative Auswertung der Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg aus dem Jahr 2008.
Ergebnisse
In Baden-Württemberg wurden 2008 9,2 Mio. Überweisungen ausgestellt, 43,9% davon von Allgemeinärzten. Pro Behandlungsfall veranlassen Allgemeinärzte 0,59 Überweisungen. Den höchsten Anteil an Überweisungen von Allgemeinmedizinern erhalten Kardiologen (51,5%), Hämatologen (46,2%), Pneumologen (41,8%) und Neurologen (41,7%). Am seltensten werden Anästhesisten (8,5%) und Kinderärzte (0,4%) mit Überweisung vom Allgemeinarzt kontaktiert. Allgemeinärzte in großen Praxen unterscheiden sich im Überweisungsverhalten nicht von solchen in kleinen Praxen.
Schlussfolgerungen
Die vorliegenden Daten beschreiben erstmals das Überweisungsgeschehen in einer großen Population in Deutschland, vor der Einführung alternativer Versorgungs- und Abrechnungsmodelle (Hausarztverträge).
Summary
Background
Coordination is a primary role of family practitioners and is required by newly implemented health care models in Germany. Referrals to specialists are the principal means to fulfil this role. Here, we describe the magnitude and distribution of family practitioners’ referrals to specialists and patients’ usage in Baden-Württemberg before implementation of primary care contracts with health care funds.
Method
Quantitative analysis of settlement data from the Association of Statutory Health Insurance Physicians Baden-Württemberg in the year 2008.
Results
In Baden-Württemberg there were 9.2 mio. referrals in 2008, 43.9% issued by family practitioners. Per case family practitioners issued 0.59 referrals. Most FP referrals were issued by family practitioners for cardiologists (51.5%), haematologists (46.2%), pneumologists (41.8%), and neurologists, (41.7%), least referrals for anesthetist (8.5%) and paediatricians (0.4%). Family practitioners in large practices do not differ from those in small ones.
Conclusions
Here, we describe for the first time the referral behaviour of family practitioners in a large population in Germany. Data are suitable as basis before the implementation of managed primary care contracts with health care funds.
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Gröber-Grätz, D., Gulich, M. & Zeitler, HP. Überweisungspraxis zwischen niedergelassenen Allgemeinärzten und Gebietsärzten in Baden-Württemberg vor Einführung der Hausarztverträge. Z Allg Med 87, 415–421 (2011). https://doi.org/10.3238/zfa.2011.0415
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