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Das gesättigte Phänomen

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Übermaß und Widerstand
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Zusammenfassung

Weiterhin werden die Bestimmungen der Gegebenheitsweisen thematisiert. Die Bedingungen dafür, ein Phänomen als Gegebenes zu bestimmen, exponiert Marion in Gegeben sein. Es geht hierbei primär darum, das Phänomen als intrinsisch gegeben beschreiben zu können, was wiederum die Identität von Phänomenalität und Gegebenheit erweisen könnte. Ein Phänomen kann als intrinsisch gegeben bestimmt werden, wenn 1) es ausschließlich von seinem Gebensakt – als Verhältnis zwischen Gebbarkeits- und Akzeptabilitätserlebnissen verstanden – beschrieben werden kann, nämlich, ohne einen Geber oder eine Wirkursache vorauszusetzen; 2) wenn es „unwiderruflich“ als Gegebenes bestimmt werden kann, d. i. wenn Gegebenheit notwendigerweise seine Phänomenalität beschreibt und nicht einfach eine alternative Seins- oder Erscheinungsweise ist; 3) wenn es folglich als Gegebenes überhaupt besteht, d. i. als radikal gegeben, wobei die Identität zwischen Phänomen und Gegebenem in dem „als“ postuliert wird, d. i. wenn das Gegebene in der Reduktion als ein solches bestimmt bleibt und nicht einfach als ein unmittelbar Sinnliches verstanden wird. Diese drei Bedingungen lassen sich letztlich als Prinzip einer Phänomenologie der Gegebenheit bündeln in der Formel, dass alles, was sich zeigt, sich auch selbst geben muss. Dies berührt auch das Prinzip der Reduktion Marions: je mehr Reduktion, desto mehr Gegebenheit. Ich möchte nun zu den Spezifizierungen dieser Bestimmungsweise fortschreiten.

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Notes

  1. 1.

    Im Kant-Kapitel zeige ich mit Lanier Anderson (2015), dass Kant in der Tat einen Durchbruch im Verständnis der Metaphysik durch seine neue Interpretation des Unterschieds zwischen synthetischen und analytischen Urteilen geschafft hat und dabei Metaphysik als phänomenal orientiert versteht.

  2. 2.

    Ich werde im zweiten und dritten Teil der Arbeit zeigen, dass Kant nicht-begriffliche Anschauungen wohl thematisiert hat und ihre Rolle anerkannt hat, obwohl nicht in der KrV.

  3. 3.

    Ob dies stimmt, wird später in meiner Arbeit behandelt. Es wird z. B. gezeigt, dass für Kant sogar rein mathematische Sätze eine Darstellung in einer äußeren (reinen) Anschauung erfordern, um gültig zu sein.

  4. 4.

    Das Gegebene gibt sich gemäß Marion als ein fait accompli, d. i. als eine vollendete Sache: Es gibt sich als ein schon gegebenes Faktum, das zeitlich, individuell und einzigartig aufgeführt wird. Da die Erscheinung des Gegebenen eine Aufführung seiner Selbstgebung ist, erfordert das Gegebene keine Ursachen. Es ist einfach als ein Faktum geschehen.

  5. 5.

    Im Kontrast dazu behauptet Badiou (2005), dass jede kontemporäne Ontologie der Mathematik gleichgesetzt werden soll, da der mathematischen Diskurs die unendliche Seinsausdrücke ohne Rückbezug auf figurative Sprache oder auf Begriffe von Entzug formulieren kann. In Anlehnung an Badiou behaupten auch viele von den spekulativen Realisten, vor allem Meillasoux (2018), dass Mathematik eine vom Bewusstsein losgelöste Realität beschreiben kann.

  6. 6.

    Unmittelbarkeit bedeutet für Marion keine unmittelbar-sinnliche Gegebenheit, sondern eine, welche sich erst nach einem reduktiven Vorgang als unmittelbar erweist. Dies ist ein weiterer Punkt, welcher in der Auseinandersetzung mit Kant vertieft werden kann.

  7. 7.

    Marion weist hier auf Husserls Auffassung hin, dass jedes Phänomen in sich alle seine phänomenalen Abschattungen, d. i. Manifestierungsweisen, enthält.

  8. 8.

    Das Eintreffen ist eine Bestimmung der Gegebenheit für Marion. Das Eintreffen zeigt den phänomenologischen Vorrang der Kontingenz der Notwendigkeit gegenüber auf. Die Kontingenz wird aber nicht als ein Gegensatz zur metaphysischen Notwendigkeit gedacht, sondern als ein ursprünglicheres Eintreffen, welches die Notwendigkeit (und ihr Gegenpaar) schon in sich beinhaltet. Jede Notwendigkeit, so Marion, setzt ein Eintreffen – als ein Mich-Berühren, als ein Erscheinen oder In-Sichtbarkeit-Aufspringen – voraus, auf welches sie modal im Nachhinein angewandt wird. Das Eintreffen ist weiterhin an sich notwendig, da jedes Phänomen eintreffen muss, um sichtbar zu sein. Paradoxerweise aber bleibt das Eintreffen während des Eintreffens kontingent: im ersten Sinne der Kontingenz als zufallen, aber auch in einem zweiten Sinne, da das Eintreffen nie zweimal gleich eintrifft.

  9. 9.

    Eine genauere Darstellung folgt im Kant-Kapitel.

  10. 10.

    Ob dies von Kant nur vorausgesetzt wird oder sich durch die Argumente der Transzendentalen Deduktion begründen lässt, wird erst im Deduktion-Kapitel behandelt. Hier geht es vor allem um die Darstellung der Phänomenologie Marions.

  11. 11.

    \({\sum }_{n=1}^{\infty }\left({Schema}_{n}(Kategorie(Wahrnehmung\right)))\). Diese mathematische Formel möchte den unendlichen Prozeß des Schematisieren zeigen, welcher von einer übermäßigen Anschauung erfordert wäre. Die Formel soll den dynamischen Charakter dieses Prozesses veranschaulichen, in dem sich das Subjekt der perspektivistischen Auffassung der Phänomene bewusst wird und dabei versucht, die gesamte Breite der Perspektiven durchzugehen.

  12. 12.

    Dies ist möglich dank der Aktivität der Einbildungskraft, welche die Vorstellung der Zeit nach den Regeln des Verstandes bestimmt. Dazu mehr in Deduktionskapitel,

  13. 13.

    Zum Unterschied zwischen mathematischen und empirischen Zeitbestimmungen siehe Ferarrini (1995).

  14. 14.

    Vorfall bedeutet für Marion ein Phänomen, welches allein im Erscheinen seines Erscheinens besteht, d. i. ohne Rückzug auf Ursachen oder Gründe seines Erscheinens. Seine Charakteristika sind, dass es sich „ohne Ursache, Form, Notwendigkeit, kurz: ohne nichts, es sei denn es selbst“ (Marion, 2015, s. 267) vollzieht.

  15. 15.

    Die Transzendentalien sind in der klassischen Transzendentalienlehre deckungsgleich und daher auch konvertibel.

  16. 16.

    Diese Beschreibung entspricht dem Ideal Galileis, die Natur mathematisch zu bestimmen, wobei die Natur experimentell gezwungen wird, sich als meßbare Eigenschaften zu zeigen. Ob Kant in dieser Tradition zu verorten ist oder ob er eine erweiterte Version dieses Gedankens vertreten hat, wird im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt.

  17. 17.

    Hier lässt sich wieder Heideggers Kritik an der Platonischen Wahrheitslehre als Richtigkeit der Vorstellbarkeit ablesen.

  18. 18.

    Diese beschreibt den Erscheinungsprozess des Gegebenen, welches als solches nur dann gesehen werden kann, wenn sein eigener Perspektivpunkt eingenommen wird. Dies erfordert – ganz empirisch gesprochen – Bewegung und Anpassung vom Subjekt, um den Perspektivpunkt zu entdecken. Es bedarf Arbeit des Subjekts an sich selbst, um das Gegebene als Gegebenes zu empfangen.

  19. 19.

    Eine genauere Beschreibung des Subjektes bei Marion folgt. Hier wird nur darauf aufmerksam gemacht, wie relevant das Subjekt und sein Verständnis ist.

  20. 20.

    Vgl. Marion (2016b); Sandru (2019).

  21. 21.

    Diese Perspektive kristallisiert sich meiner Meinung nach erst im In Excess und in den späteren Werken heraus.

  22. 22.

    Marion spricht sogar davon, dass durch Kant der Phänomenalitätshorizont erweitert werden könnte, was Kant selbst nicht sieht. Dieses Potenzial ist erst anhand von Husserls Zeitverständnis konkretisiert. Davon spreche ich mehr im Kapitel über unendliche Hermeneutik.

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Sandru, A.R. (2021). Das gesättigte Phänomen. In: Übermaß und Widerstand. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62568-2_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-62568-2_4

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-62567-5

  • Online ISBN: 978-3-662-62568-2

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