Ethnizität, ethnische Konflikte und politische Ordnung — Theorien und Befunde im Überblick

Zusammenfassung

Ethnische und nationalistische Bewegungen scheinen allenthalben zu dominanten Akteuren in Konflikten zu werden. Nicht nur in den Regionen ethnischer Kriege und Bürgerkriege, auch in friedlichen Vielvölkerstaaten und in den westlichen Einwanderungsgesellschaften mehren sich die Gruppen, die mit Berufung auf ethnisch-nationale Kriteriensprüche auf Rechte und Resvugcen einklagen. Es stellt sich die Frage, weshalb um ethnische Bindungen Konflikte entbrennen und warum diese anscheinend so schwer zu schlichten sind. Genauso vielfältig wie die konkreten ethnischen Auseinandersetzungen sind deren theoretische Interpretationen: Kulturalistische Vorstellungen von der Unvereinbarkeit der Zivilisationen und den unhintergehbaren Loyalitäten zur eigenen Kulturgruppe stehen ökonomistischen Interpretationen ethnischer Interessengruppen gegenüber. Doch scheinen kulturelle Differenzen die Konflikte nicht zu erklären, denn sie entbrennen auch dort, wo diese gering sind, und unterbleiben in vielen Ländern mit multiethnischen Bevölkerungen; dagegen vermögen Theorien rationalen Handelns nicht zu erklären, warum ethnische Gruppen in Konflikten auch gegen ihre Interessen handeln, und zwar bis zur Selbstvernichtung. Die Frage ist, wann Ethnizität zu einem politischen Imperativ wird und warum sich Menschen darunter mobilisieren lassen. Hier soll behauptet werden, daß ethnische Mobilisierung in Zusammenhang stehen mit dem Mangel an konfliktregulierenden Institutionen. Um dies zu veranschaulichen, werden zuerst der askriptive und sozial konstruierte Charakter von Ethnizität dargestellt und in Bezug zur Politisierung ethnischer Gruppen gesetzt. Im Anschluß daran folgen Überlegungen zu Konfliktgenese und Konflikteskalation. Abschließend sollen politische Modelle der Konfliktregulierung verglichen werden.