Zusammenfassung
So vielfältig wissenschaftliche und lebensweltliche Landschaftsverständnisse sind, so unbestimmt sind die Auffassungen darüber, was Landschaftsforschung sei. Der Text skizziert zum einen Umrisse einer Definition von Landschaftsforschung und untersucht zum anderen den Nutzen von Transdisziplinarität als Wissenschafts- und Forschungsprinzip für die mit Landschaft befassten Disziplinen. Er kommt zum Ergebnis, dass Transdisziplinarität, wenn auch unter der Bezeichnung Interdisziplinarität, in Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur vielfach praktiziert wird, als Fundierung einer theoretisch konsistenten Landschaftsforschung aber systematisch ungeeignet ist.
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Notes
- 1.
Als Disziplinen werden im Folgenden historisch gewachsene, kognitive und soziale Einheiten in den Wissenschaften verstanden (Defila und DiGiulio 1998).
- 2.
Z. B.: „Landschaft ist der gesamte Inhalt eines Teilstücks der Erdoberfläche, soweit er normativer Betrachtung zugänglich ist“ (Bobek und Schmithüsen 1949).
- 3.
Auch Buchwald arbeitet mit der Gliederung von Landschaft in „Sphären“ (Buchwald 1978, S. 15).
- 4.
„Transdisziplinäre Forschung (…) greift (…) lebensweltliche und nicht rein innerwissenschaftliche Problemstellungen auf.“ (Bergmann et al. 2005, S. 16).
- 5.
Innerwissenschaftliche oder „theoretische“ Transdisziplinarität wird auch als Entsprechung zu den Paradigmen von Kybernetik oder allgemeiner Systemtheorie diskutiert (Waag 2012).
- 6.
Wie solche Integration methodisch vorzunehmen ist, bleibt ebenso ungelöst, wie die Frage der Integration beim oben erwähnten Sphären-Modell.
- 7.
Neben dem discourse of transcendence beschreibt Klein einen „discourse of problem solving“ (Klein 2014, S. 70) und einen „discourse of transgression“ (ebd., S. 72) (und erläutert transgression als Überschreitung reduktionistischer Herangehensweisen und normaler Wissenschaft).
- 8.
Als Beispiel können etwa die Arbeiten von Nicolescu (etwa Nicolescu 2012) gelten.
- 9.
Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur sind junge Disziplinen und sind auch als Wissenschaften stark geprägt vom „Wesen des ursprünglich Handwerklichen“ (Eisel 1998, S. 127), der Realität praktisch ausgeübter Berufe.
- 10.
Die Begründung für die besondere Eignung von Modellen anstelle von Theorien zur Verallgemeinerung von Einzelfällen sind allerdings eher am Einzelnen als am Allgemeinen ausgerichtet: Modelle können an der gegenständlichen Komplexität von Problemlagen orientiert werden, lassen die Abbildung von Prozessen und die Anpassung an Prozesse zu und erlauben, beispielsweise im Rahmen von Szenarien, quantifizierende Aussagen (Bergmann et al. 2010, S. 21 ff.).
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Hokema, D. (2018). Was ist und was kann transdisziplinäre Landschaftsforschung?. In: Berr, K. (eds) Transdisziplinäre Landschaftsforschung. RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20781-6_2
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