Zusammenfassung
Studentischer Workload ist eines der zentralen Konzepte von universitären Curricula. Dennoch steckt dessen Messung noch in den Kinderschuhen. Hier wird eine Übersicht zu den Methoden der Workloadmessung gegeben und die Ergebnisse eines Pilotprojekts berichtet, bei dem der Workload mit der Tagebuchmethode mit einem standardisierten Papier-Fragebogen und alternativ erstmalig auch mit einer Applikationssoftware (App) für Smartphones oder Tablets gemessen wurde. Weiterhin werden auch pro- und retrospektive Einschätzungen des Workloads untersucht. Methodisch zeigt sich, dass die Tagebuchmethode die valideste Messung ergibt. Allerdings war der App-Fragebogen, der noch viel Entwicklungspotential aufweist, dafür weniger geeignet als die konventionelle Papierbroschüre. Die Messung des Workloads über eine retrospektive Einschätzung der letzten ein bis zwei Wochen könnte eine mögliche Alternative zu der aufwändigen Tagebucherhebung darstellen. Insgesamt zeigt sich, dass bei der Workloaderhebung noch viel methodologische Forschung notwendig ist. Der Beitrag schließt mit praktischen Hinweisen zur Durchführung einer Workloaderhebung.
Wir danken Franziska Wittgrebe für ihre Mitarbeit beim Design und der Durchführung der Studie, Ruslan Hrushchak und Sebastian Katzer von der Firma appPlant für die kostenlose Erstellung der App und die Mitarbeit bei der Durchführung, den Studierenden des Jahreskurses „Empirisches Forschungsseminar“ im Sommer 2014 und im Winter 2014/2015, sowie den Studierenden, die an der Erhebung teilgenommen haben.
Siehe „Über die Autoren“ für nähere Informationen.
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Notes
- 1.
In der Folge abgekürzt auch nur: Workload.
- 2.
ECTS steht für „European Credit Transfer System“.
- 3.
Z. B. wenn Studierende mit anderweitigen hohen zeitlichen Belastungen den vorgesehenen Workload nicht erbringen können.
- 4.
Z. B. wenn der Workload eines Studiengangs konsequent und eindeutig unter dem vorgesehenen Gesamtworkload pro Woche liegt.
- 5.
Statistisches Bundesamt (2001) ist eine der wenigen Ausnahmen.
- 6.
Vgl. den ECTS-Leitfaden der EU (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 2009: 11).
- 7.
- 8.
Es existieren einige weitere Studien, die andere Messverfahren verwenden. Es ist symptomatisch für die bisher wenig ausgeprägte methodische Entwicklung des Feldes, dass für mehrere dieser Studien die genau Workloadmessmethode nicht erkennbar wird (z. B. Fleischhack et al. 2004; Lüders et al. 2006; Jantowski 2009; Oppermann 2011).
- 9.
Nach den administrativen Vorgaben sollte eigentlich jedes Studium den gleichen Workload haben. Dies ist jedoch offensichtlich eine Fiktion (siehe oben).
- 10.
Der Effekt ist vergleichbar mit dem „panel conditioning“, dass von Teilnehmern an Panelstudien bekannt ist.
- 11.
Bspw. könnte durch wiederholte Messungen festgestellt werden, dass eine zweistündige Vorlesung in „Empirische Sozialforschung“ mit einer zusätzlichen Stunde Lektüre pro Woche verbunden ist. Die ECTS Punkte könnten dann mit einem Workload von 14 Semesterwochen zu 3 Stunden, also 42 Stunden verbunden werden.
- 12.
Schulmeister und Metzger (2011) erheben ein vollständiges Semester, inkl. der vorlesungsfreien Zeit.
- 13.
An dieser Stelle besten Dank an alle Studierenden, die an dem Projekt teilgenommen und mitgearbeitet haben.
- 14.
Technisch wurde die App kostenlos durch Ruslan Hrushchak, Sebastian Katzer und die Firma appPlant (http://www.appplant.de/) programmiert und bereit gestellt. Die App war für die Betriebssysteme Android (ab Version 3.1, z. B. für Smartphones von Samsung, LG, Nexus etc.) und iOS (für iPhones) vorhanden.
- 15.
In den Studierendenbefragungen der Fakultät, die online durchgeführt wurden, lag die Teilnahmequote hierzu bei bis zu 63 % (vgl. Großmann in diesem Band).
- 16.
Wenn der Workload, wie es typischerweise der Fall ist, veranstaltungsbezogen erhoben wird, kann diese Gruppe allerdings identifiziert und dafür kontrolliert werden.
- 17.
Worin die Entschädigung besteht, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Als günstig könnten sich z. B. Gutscheine in elektronischer Form, z. B. für amazon.com oder die lokale Mensa erweisen.
- 18.
Das Projekt wurde vollständig aus Institutsmitteln finanziert.
- 19.
Zum Vergleich: Schulmeister und Metzger (2011) haben sogar über ein ganzes Semester erhoben.
- 20.
Jantowski (2009) und Fleischhack et al. (2004) geben einen tieferen, Webler (2002) einen ähnlichen Wert und Blüthmann et al. (2006) höhere Werte an. Schulmeister und Metzger (2011), deren Studie am ehesten mit der vorliegenden vergleichbar ist, erzielen zum Teil wesentlich höhere und zum Teil wesentlich tiefere Ausschöpfungsquoten.
- 21.
In Tab. 3 ist zu erkennen, dass diese Gruppe im Sommer auch eindeutig weniger Eintragungen hat.
- 22.
Die bisherigen Ergebnisse legen allerdings nahe, dass der Workload in der vorlesungsfreien Zeit für viele Fächer und während der längsten Zeit des Studiums nahe Null ist, so dass man sich diese Erhebung im Zweifelsfall auch sparen kann.
- 23.
Großmann (in diesem Band) findet z. B. mit einer retrospektiven Messung des Workloads mit einem Online-Fragebogen unter den Erstsemester-Studierenden aller Studiengänge an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie zum Zeitpunkt der Herbsterhebung des Pilotprojekts für die anderen Fächer ähnliche Werte im Bereich von 20 Stunden pro Woche.
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Berger, R., Baumeister, B. (2016). Messung von studentischem Workload. In: Großmann, D., Wolbring, T. (eds) Evaluation von Studium und Lehre. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10886-1_6
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