Zusammenfassung
Zu Pfingsten des Jahres 1735 konnte der Magister August Gottlieb Spangenberg in Herrnhut einen Reisenden empfangen, der sich über die näheren Umstände der neuen, inzwischen weltbekannten Brüdergemeine des Grafen von Zinzendorf unterrichten wollte und vom Grafen persönlich dazu eingeladen worden war. Der Hofmeister und Schriftsteller Johann Christian Edelmann hatte mit Zinzendorf zuvor schon brieflichen Kontakt aufgenommen und sich von ihm die Reisekosten erstatten lassen. Dennoch sollte bereits ihre erste Begegnung unter ungünstigen Vorzeichen stehen, Edelmann bemerkte nämlich sogleich eine gewisse Abneigung gegen den gastfreundlichen Grafen, bemühte sich aber, die Zeit seines Aufenthaltes nicht dadurch unangenehm werden zu lassen und begann, die Geselligkeitsformen der Brüdergemeine zu studieren. Er berichtet in seiner Autobiographie von der sehr gräflich hergerichteten Tafelrunde, den geistlichen Gesprächen bei Tisch, er erzählt von einer mißlungenen Wunderheilung, führt den Leser vom Liebeskuß nach aufgehobener Tafel, von Gesprächen über die Wiedergeburt, verschiedene Erbauungsstunden und sonntägliche liturgische Versammlungen zum sogenannten Liebesmahl, den gemeinsamen Mahlzeiten mit einheitlichen Speisen, die als Vorbereitung des Abendmahls, als christliche Symposien galten und Ausdruck christlicher Geselligkeit schlechthin waren.1 Edelmanns Schilderung ist allerdings ganz negativ gefärbt, er zeigt sich als scharfer Kritiker der Sektiererei und mißbilligt den Versuch der Herrnhuter, nach urchristlichem Vorbild zu leben.
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Literatur
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Daher verstanden die Pietisten ja unter Gespräch zunächst nur den vertrauten Umgang mit Gott im Gebet. Vgl. das Kapitel ‚Aufklärung und Gespräch‘. Auch in der Biographie der erwähnten Johanna Eleonora Petersen zeigt sich der Konflikt zwischen Frömmigkeit und Kavaliersleben am Hof. Sie war dort aufgewachsen, hatte sich aber nie damit abgeben können. Ihre Autobiographie, in der sie vom Verhalten bei Hof, sie wurde ständig Opfer von Neckereien, berichtet, findet sich in der farbigen, aber sehr genauen Darstellung des pietistischen Lebensstils bei Gustav Freytag: Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Hg. von Heinrich Pleticha. Bd.3 Hamburg 1978, S. 164 ff. Besonders S. 174.
Nikolaus Ludwig Zinzendorf: Schöne Gedancken vom Reden und Gebrauch der Worte. In: ders.: Der Freywilligen Nachlese… ND Hildesheim 1972, S. 720 f.
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Bruno Bauer: Geschichte der Politik, Cultur und Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts. Berlin 1843, Bd. 1, S. 170 ff.
Wolfgang Trillhaas: Adiaphoron. In: Theologische Literaturzeitung 79/ 1954, Sp. 458 f.
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Auglist Langen: Der Wortschatz des deutschen Pietismus. Tübingen 21968 für die sprachlichen Wirkungen.
Robert Minder: Glaube, Skepsis und Rationalismus. Frankfurt/Main 1974 für die literarischen Wirkungen.
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Fauser, M. (1991). Pietismus und Gespräch. In: Das Gespräch im 18. Jahrhundert. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04158-6_6
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