Der Vagabund als anarchistische Ausdrucksform bei Gustave Courbet

Zusammenfassung

Im Frankreich des 19. Jahrhunderts, das von Revolutionen und damit einhergehenden politischen und sozialen Umwälzungen sowie wechselnden Hierarchieund Staatsformen geprägt war, nahmen einige Künstler, darunter Gustave Courbet (1819–1877), unter Beeinflussung sozialistischer und anarchistischer Strömungen eine sozialkritische Rolle ein. Die Rolle des Künstlers wurde vor diesem Hintergrund nicht mehr alleine im Erschaffen eines Kunstwerkes gesehen, sondern er trat immer öfter als Person auf, die in der Öffentlichkeit zu den sozialen und politischen Gegebenheiten und Entwicklungen Stellung bezog. Allerdings führte das Bestreben nach Machterhaltung unter den auch nach der Revolution von 1789 immer wiederkehrenden autoritären Herrschaftsformen, wie der Juli- Monarchie von 1830 bis 1848 unter dem sogenannten Bürgerkönig Louis-Philippe und dem Zweiten Kaiserreich von 1852 bis 1870 unter Louis-Napoléon, dazu, dass eine offene Kritik an den herrschenden Machthabern und das Artikulieren abweichender politischer Meinungen zeitweise mit erheblichen Risiken verbunden war, die von Beschattung bis Verhaftung reichen konnten.¹ Doch fanden Künstler wie Courbet Sujets für ihre Bilder, die sie als Ausdruck ihrer politischen Ansichten einsetzten und dabei den offenen Interpretationsspielraum nutzten, den die Kunst als Medium bietet. Insbesondere die Darstellungen von sozialen Typen, die eine gesellschaftliche Randposition einnehmen, diente der subtilen kritischen Meinungsäußerung.