Zusammenfassung
Epikur entlehnte seine theoretische Philosophie von Demokrit. Die Ähnlichkeiten waren so frappierend, daß sie der Aufmerksamkeit nicht entgehen konnten. Man warf ihm deshalb bereits im Altertum vor, ein Philosoph ohne eigentliche Originalität, ein Epigone, zu sein. Mehr noch, ein Plagiator, weil er sich nicht nur nicht zur generellen Entlehnung bekannte, sondern den Mut hatte zu behaupten, daß er keinen Lehrer in der Philosophie hätte und seine Lehre völlig selbst erschaffen habe. — Gleichzeitig führte er in die abderische Atomistik so wesentliche Veränderungen ein, daß sie ebenfalls nicht unbemerkt bleiben konnten. Aber deshalb machte man ihm auch einen Vorwurf, und zwar einen noch viel gravierenderen, weil man im Altertum das Autorenrecht nicht so ernst nahm wie in neueren Zeiten; dem Eigentum auf diesem Gebiete wurde keine übermäßige Bedeutung beigemessen und man hielt weder die Versehung des eigenen Werkes mit dem Namen irgendeines nicht mehr lebenden und nicht mehr protestieren könnenden Großen, Homers, Hero-dots, Platons, Anakreonts für eine falsche Handlung (daher die Sorgen späterer Philologen mit der riesigen apokryphischen Literatur), noch die Einverleibung ganzer Partien aus einem fremden Werk ins unter eigenem Namen herausgegebene Werk (solche Praktiken, ziemlich allgemeine, werfen sich gegenseitig nur Weltanschauungsfeinde vor, z.B. die Skeptiker dem berauschend fruchtbaren Chrysippos, während sie in der stoischen Schule selbst den Meister nicht im geringsten diskreditierten). In den in die Physik Demokrits eingeführten Veränderungen sah man nicht den Beweis der Selbständigkeit und Originalität Epikurs, sondern seiner Unfähigkeit, ja Ignoranz; alle seine Abweichungen vom großen Vorgänger sollten aus dem Unverständnis der schwierigen, wahrhaft wissenschaftlichen abderischen Lehre entstanden sein. Am deutlichsten ist diese Meinung von Cicero im Werk „De finibus“ formuliert worden. Darin heißt es: „In physicis, quibus maxime gloriatur (scil. Epicurus), primum totus est alienus. Democritea dicit perpauca mutans, sed ita, ut ea, quae corrigere vult, mihi quidem depravare videatur (Chrw(133)). Ita quae mutat, ea corrumpit, qui sequitur, sunt tota Democriti.“1
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Literatur
I 6, 17 und 2r. „In seiner Naturlehre, deren er sich am meisten rühmt, ist er (seil. Epikur) ganz von einem anderen abhängig. Er wiederholt die Lehrsätze des Demokrit, indem er nicht viel an ihnen ändert, dazu so ändernd, daß er das, was er verbessern will, wenigstens nach meiner Meinung, verdirbt (Chrw(133)). Und so verdirbt er alles, was er ändert, und alles, das er ohne Änderung behält, gehört im ganzen zu Demokrit.“
De finibus I 8, 22.
De rerum natura V g.
Ibid. V 54.
Verl. Ossolineum, Wroclaw-Varsovie-Cracovie. 1968.
Verl. MEGA I r/I, Frankfurt a/M. 1927, poln. Übers. von I. Kronska Verl. Ksiazka i Wiedza, Warszawa 1966.
Die erste noch unvollständige Ausgabe der Dissertation (die übrigens nicht ganz erhalten ist) erschien i.J. 1902 (erneut i.d. Mehringschen Ausgabe i.J. 1913). Die erste vollständige kritische Ausgabe in MEGA, s.o.
Bruno Bauer interessierte sich für den Stoizismus mit seinem „allgemeinen Selbstbewußtsein“ und seiner Ethik, er sah nämlich in ihm eine grundsätzliche Prämisse für das Christentum, dem er damit den Charakter einer Offenbarungsreligion absprach.
Die Sache der Evolution des Verhältnisses der Junghegelianer zum Protestantismus (und zum Preußischen Staate) behandelt ausführlich und auf Grund von Quellen Richard Panasiuk in Die Philosophie und der Staat. Ein Studium des politisch-gesellschaftlichen Gedankens der Hegelschen Linken des jungen Marx 1838–1843, Verl. Kziazka und Wiedza, Warszawa, 1967.
De rerum natura I 66–67. „Als erster wagte er es, die Augen gegen sie zu erheben und gegen sie aufzutreten.“
Plato,Phaedr. 23o D.
„Leere beginnt an den Grenzen des Menschen (Chrw(133)). Größere Leere ist dort, wo ein Mensch war, als dort, wo nie einer war. Der interstellare Raum ist nicht leer, die schrecklichste Leere ist eine verfallene Wohnstatt. Und ein entleerter Gedanke.“ Miroslav Holub. ObwohlChrw(133),München, 1969, S. 31.
Epikur hat sich zwar nie auf Leukippos berufen und hat angeblich behauptet, daß es so einen Philosophen überhaupt nicht gab, aber indem er die Atomistik Demokrits übernahm, übernahm er auch das Gedankengut des Leukippos.
De rerum natura 1265–266.
Marx beachtete dieses Moment in seiner Dissertation nicht gebührend, ja er übergeht es. Er sah in Epikur die totale Negation des Naturdeterminismus.
De rerum natura II 254–279.
Was N.B. eine Innovation war, die von Epikur in die Atomistik eingeführt wurde, als Ergebnis der Kritik des Aristoteles. Bei Demokrit gehört nicht das Gewicht zu den ursprünglichen, eigenen Qualitäten des Atoms, und in seinem Universum gibt es keinen Fall, kein Unten und auch kein Oben, solange die Atome in keine Wirbel hineingezogen werden, sausen sie ohne Ordnung in alle Richtungen. Wenn auch bei ihm — im Gegensatz zur Meinung des Autors der Dissertation, nach der nur Epikur der „Philosoph seiner Zeiten,“ der Abderite dagegen ein Naturforscher war — in seiner Naturlehre eine gewisse anthropologische Interpretation ist, so in dem Sinne, daß in seiner kosmogenischen Vision die Atome miteinander streiten und sich gegenseitig bekämpfen, indem sie augenblickliche Bündnisse gegen andere Atome und Atomkonglomerate abschließen, wie ewig sich streitende und in feindliche Fraktionen geteilte Bürger in der klassischen Polis Athens, die nicht im geringsten solch eine Harmonie und solch ein Kunstwerk war, wie sie Hegel sah. Verl. Diels, Democr. A 37: „stasiàzein de (und stasikzein ist eben die Bezeichnung für Unruhen und Bürgerkriege, eine politische Bezeichnung) kai phéresthai en to kenö dià tön anomoioteta kai tas àllas eireménes diaphoräs. ”Auf diesen Aspekt machte W. K. C. Guthrie, A History of Greek Philosophy,Vol. II, S. 401 aufmerksam.
Obwohl in der verworrenen Hegelschen Terminologie, macht Marx mit Recht und mit Erfinderblick in der Dissertation hierauf aufmerksam.
Miroslav Holub, op. cit., S. 70.
Verl. MEGA S. 4o, poln. Verl. S. 83.
Diss. Verl. MEGA S. 133, poln. Verl. S. 249.
Ibidem.
Ibidem.
Ibid. Verl. MEGA S. rzr, poln. Verl. S. 224–225, dieses erschrockene Individuum ist im Kontext Plutarch, und der kühne, freie Springer Lukrez.
Ibid. Verl. MEGA S. io, poln. Verl. S. 9.
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Krońska, I. (1976). Atome und Menschen die Anthropologie in der Physik Epikurs. In: Biemel, W. (eds) Die Welt des Menschen — Die Welt der Philosophie. Phaenomenologica, vol 72. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-4926-8_9
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