Zusammenfassung
Dieser Beitrag versucht zu zeigen, daß die 1795 anonym in den Annalen der Philosophie 2 erschienene Besprechung des Buches Zahlenlehre der Natur 3 von Karl von Eckartshausen (1752–1803) aus der Feder Salomon Maimons stammt. Meines Erachtens ergibt sich dies aus Maimons eigener Angabe, einem Hinweis des MaimonBiographen Sabattia Joseph Wolff (1756-1832) und darüber hinaus aus der philosophischen Position des Rezensenten.
Der Beitrag geht auf eine Anregung Gideon Freudenthals zurück. Für seine freundliche Unterstützung bei Fertigstellung und Korrektur bedanke ich mich herzlich.
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Reference
Der unvollständig erhaltene Originalbrief Maimons befindet sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Der Autograph trägt die Signatur „Archiv Autographen K. 40“. Datum und Adressat sind auf der erhaltenen Seite nicht vermerkt.
So die Auskunft der Universitätsbibliothek Halle/Saale vom 17.5.2000. Aus der Lebensgeschichte geht ferner hervor, daß Maimon mit der Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden oder aller spekulativen Beweise für das Daseyn Gottes des „scharfsinnige[n] H[errn]. Pr[ofessor]. Jakob in Halle“ (Leben, 1, 489) vertraut war. Siehe Jakob (1786). Diesen Hinweis verdanke ich Gideon Freudenthal.
Hume war’s, der auf einmal im Reiche menschlicher Erkenntnisse alles einem fürchterlichen Scepticismus durch Aufstellung seines Systems der Casualität [sic!] unterwarf.“ (Eckartshausen (1794), 1)
Leibnitz und Locke arbeiteten die Nothwendigkeit des menschlichen Erkenntnißvermögens darzustellen; allein auch diese, anstatt zur Wahrheit und Anschaulichkeit zu führen, öffneten vielmehr dem Idealismus und Scepticismus ein neues Feld, anstatt selben aus dem Weg zu räumen. Nun erscheint in unserm Jahrhunderte der tief denkende Kant, sammelte die Grundursachen von Hume’s Zweifeln, und warf sich das Problem auf:,Wie ist das Allgemeine und Nothwendige der menschlichen Erkenntniß möglich?’ Nach seinem Systeme können sich die Grundsätze des Erkenntnißvermögens nicht weiter erstrecken als auf die Erfahrung. — Das Gebiet, in welchem wir allein forschen sollen, und wo wir uns allein Erweiterung unserer realen Erkenntnisse und Wissenschaften versprechen können, ist das Reich der Erfahrung, oder die Sinnenwelt: was fiber derselben hinaus liegt, dafür haben wir keinen Sinn, und auch kein Erkenntnißvermögen.“ (ibid., 1 f.)
Kant hat auch vollkommen recht; allein vermög [sic!] seines eigenen Systems läßt er zu, daß uns reale Prädikate von einem Dinge auch mittelbar bekannt werden können, durch die Anschauung eines andern Dinges, welches mit dem zu erkennenden Dinge gewisse reale Eigenschaften gemein hat.“ (ibid., 3)
Wenn es nun eine Wissenschaft gäbe, die uns mit der Anschaulichkeit solcher Dinge bekannt machte, die mit den zu erkennenden übersinnlichen Dingen, von welchen wir keine reelle Erkenntniß, oder objektive Anschaulichkeit haben, reelle Eigenschaften gemein hätten […].“ (ibid.)
so wär’ es dem System dieses tiefen Denkers selbst nicht widersprechend, daß auch alle diese übersinnliche Gegenstände unserm Erkenntnißvermögen unterworfen wären.“ (ibid.)
Die Zahlenlehre der Natur ist eine Wissenschaft die Gesetze aller sowohl denkbarer, als körperlich existirender Dinge durch Hilfe einer denkbaren Progreßion zu finden.“ (ibid., 16)
Die denkbare Progreßion ist die Expreßion des Verhältnisses, die uns, arithmetisch betrachtet, die Zahlen-Ordnung zu repräsentativen Bildern desjenigen giebt, was progreßiv betrachtet einem denkbaren oder körperlich existirenden Dinge zu Grunde liegt.“ (ibid.)
Eine Menge zählbarer Gegenstände, die in gleichem Zusammenhange in dem Verhältnisse fortgehen, machen eine arithmetische Reihe oder Progreßion aus.“ (ibid., 18)
und eine Menge denkbarer Gegenstände, die in gleichen zusammenhangenden Verhältnissen aus einer denkbaren Einheit fortgehen, machen eine intellektuelle Reihe oder Progreßion aus, und sind die konstituirenden Theile des Progreßionscalculs der Natur.“ (ibid.)
Jedes Medium, das ein Ding an das andere anschließt, muß solche Eigenschaften haben, die theils mit dem Dinge, das angekettet wird, theils mit dem Dinge, an das es angeschlossen wird, reell gemein sind. Um also von fiber-sinnlichen Dingen sinnliche Erfahrung zu bekommen, muß das Medium solche Eigenschaften haben, die theils an das Uebersinnliche, theils an das Sinnliche sich anschließen können, und reelle Prädikate gemein haben. Ein solches Medium sind aber die Zahlen der Natur, die wir vollständig erklären werden. […1 Ich setze ein Beyspiel: — Ich bin in einer entfernten Insel, und sehe dort einen in meinem Lande unbekannten Gegenstand: wie kann ich diesen Gegenstand, der mir blos denkbar ist, weil man in meinem Lande nie davon eine sinnliche Erfahrung gehabt hat, meinen Landsleuten begreiflich machen? Ich muß ein Medium suchen, das mit dem denkbaren Gegenstande reelle Prädikate gemein hat […].“ (ibid., 21 f.)
Wir wollen betrachten, was denn geschieht, wenn ein sinnliches Ding zum Verstande gebracht wird? was geschieht, wenn ich erkenne? Der sinnliche Gegenstand affizirt meine Sinne, durch diese Affizirung oder Wirkung entsteht eine Art von Gegenwirkung in mir, eine Reaktion, diese Reaktion ist die Denkkraft, oder die Fähigkeit, das sinnliche Bild aufzunehmen, nicht als Sache, sondern als Bild, als Typus der Sache. Das aufgenommene Bild liefert die Denkkraft dem Verstande, welcher das Vermögen besitzt, das Mannichfaltige, oder mehrere Bilder zu einem Ganzen zu formen. So ist der Gang der Sinnlichkeit zum Verstande. Könnte es nun nicht auch einen Weg geben vom Verstande zur Sinnlichkeit? oder, Dinge, die der Mensch nur fähig ist zu denken, zur Sinnlichkeit zu bringen, und zwar nach den nämlichen Gesetzen? Ganz natürlich! Und daß es wirklich so einen Weg giebt, bestättigt [sic!] uns die Erfahrung. Wenn die Denkkraft das sinnliche Bild dem Verstande überliefert hat, so hört es auf für uns sinnliche Erscheinung zu seyn - so hört es auf reelle Wirklichkeit zu seyn. Wir erkennen das Gedankenbild nicht mehr unmittelbar, sondern nur mittelbar durch den noch existirenden sinnlichen Gegenstand, wovon das Gedankenbild Typus ist.“ (ibid., 23)
Die Arithmetik zählt: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und so ins Unendliche fort. Die Zahlenlehre der Natur zählt: 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und nicht weiter. […] Die Arithmetik lehrt: 1 mal 1 ist 1; 2 mal 2 ist 4. etc. Die Zahlenlehre der Natur lehrt: 1 mal 1 ist 1; 1 und 1 ist 2 u.s.f. bis 10.“ (ebd., 64 f.)
Quelle der Zahlen. 2 erste Zahl, erhält die Kraft von 1, und wird durch die Wirkung 2. Dieses 2 enthält eine fernere Kraft, wodurch 3 wird; Dieses 3 wird in 4 zur Expreßion: Dieses 4 enthält eine fernere Kraft, die sich in 5 äußert, und in 6 zur Expreßion wird.“ (ibid., 70)
Die Naturzahl 3 ist die Zahl der Grundlinie aller Körper; das Resultat aller Wirkungen und Produktionen. […] Die Emanation der Einheit formiert ihrer ersten Wesenheit nach die 3-Zahl, denn jedes aktive Wesen bringt Aktion und Reaktion hervor. Folgerung. Es liegt das Gesetz der 3-Zahl in der Natur. Alle intellektuelle sowohl als körperliche Anfänge verhalten sich nach dieser 3-Zahl.“ (ibid., 77)
Die erste Kleidung Gottes, oder Gott betrachtet in der ersten göttlichen Zahl ist die Quelle aller Zahlen — 1 — Liebe; […] Liebe in ihrer Progreßion wird Wahrheit, denn Wahrheit ist geoffenbarte Liebe, Existenz der Liebe — 2. Wahrheit und Liebe vereint machen die dritte Progreßion, oder Weisheit, denn Weisheit ist Wahrheit und Liebe — 3.“ (ibid., 83)
Wenn man also rechnen will, so bemerke man folgende Regeln: 1. Man suche die Einheit seines Gegenstandes. 2. Bringe diese Einheit in Aktion. 3. Suche die Gegenaktion. 4. Suche durch Aktion und Gegenaktion die Wirkung. 5. Bringe diese Wirkung mit der Einheit in Verhältniß. 6. Suche die weitere Dreykraft gegen der ersten; oder betrachte die erste Dreykraft als Aktion, und suche die Dreykraft der Reaktion, oder die erste Aufnahme der ersten Dreykraft.“ (ibid., 115 f.)
Jakob (1795–1797), 1795, 112. Stück, 893.
Zur Kabbala bemerkt Maimon: „Aus der Kabbale, wie wir sie jetzt haben, kann man so wenig etwas vernünftig Theoretisches, als etwas nützlich Praktisches lernen. Sie besteht in einem bloßen Spiele mit Zahlen und Buchstaben, worin die Kabbalisten große Geheimnisse suchen, und wodurch (gleich Gott, der sich, ihrem Vorgeben nach, bei Erschaffung der Welt eben dieses Mittel bedient haben soll) sie alles nach Belieben hervorzubringen im Stande sind.“ (III, 460 f. Siehe auch Leben, I, 126 f.)
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Ehrensperger, F. (2003). Salomon Maimon als Rezensent, nebst einer bisher unbeachteten Rezension. In: Freudenthal, G. (eds) Salomon Maimon: Rational Dogmatist, Empirical Skeptic. Studies in German Idealism, vol 2. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-2936-9_11
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-94-017-2936-9_11
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