Zusammenfassung
In der Geschichte der Philosophie lassen sich drei Typen von Philosophen unterscheiden: 1) die großen Schulgründer; 2) deren Schüler, Nachfolger und Anhänger; schließlich 3) die Einzelgänger. Wenn man sich mit Cartesianern beschäftigt, wendet man sich also der zweiten Gruppe zu, d.h. man hat es mit Philosophen zu tun, von denen man von vornherein keine herausragenden Sonderwege, keine prononcierte Selbständigkeit, nichts völlig Neues erwartet; sonst würden sie ja nicht in die zweite Gruppe gehören.
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Anmerküngen
Vgl. Michael Albrecht, Artikel ‘Sekte’. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 9 (Basel 1995), Sp. 277–284.
Vgl. Rainer Specht, Artikel ‘Cartesianismus’. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, a.a.O. Bd. 1 (Basel 1971), Sp. 969 f.
Wenn de Raey (wie Theo Verbeek im vorliegenden Band belegt) Clauberg im Namen Descartes’ kritisiert, so stellt dies eine der seltenen Ausnahmen dar.
[Lodewijk Meyer:] Philosophia S. Scripturae Interpres; Exercitatio Paradoxa, in qua, veram Philosophiam S. Literas interpretandi normam esse, apodictice demonstratur […] Eleutheropoli [Amsterdam] 1666.
Louis Meyer, La Philosophie interprète de l’Écriture Sainte. Traduction du Latin, notes et présentation par Jacqueline Lagrée et Pierre-François Moreau. Paris 1988; J. Lagrée, ‘Louis Meyer et la Philosophia S. Scripturae Interpres. Projet cartésian, horizon spinoziste.’ Revue des Sciences philosophiques et théologiques, 71 (1987), S. 31–43; J. Lagrée, ‘Sens et vérité. Philosophie et théologie chez L. Meyer et Spinoza.’ Studia Spinozana, 4 (1988), S. 75–91; P.-F. Moreau, ‘Louis Meyer et l’Interpres.’ Revue des Sciences philosophiques et théologiques, 76 (1992), S. 73–84.
Roberto Bordoli, ‘Filosofia e teologia in Meyer e in Spinzoza.’ Il Pensiero, 33 (1993), S. 149–176.
Ernst Bizer, ‘Die reformierte Orthodoxie und der Cartesianismus.’ Zeitschrift für Theologe und Kirche, 55 (1958), S. 306–372; S. 333.
Klaus Scholder, Ursprünge und Probleme der Bibelkritik im 17. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entstehung der historisch-kritischen Theologie, München 1966 (Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus, Reihe 10, Bd. 33), S.159.
Meyer (wie Anm. 4), S. 3* des unpaginierten Prologs.
Vgl. Michael Albrecht, Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie-und Wissenschaftsgeschichte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994 (Quaestiones 5), S. 84 ff. Meyer (S. 45) versteht die eklektischen Kirchenväter dagegen als Philosophen, d.h. als Denker, die ihre eigenen Lehren aus all den Lehren der verschiedenen Sekten allererst gewonnen hätten.
Spinoza, Opera, hrsg. von Carl Gebhardt. Bd. 1. Heidelberg 21972, S. 132.
Vgl. Albrecht, Eklektik (wie Anm. 10), S. 180 f
Meyer (wie Anm. 4), S. 116* des unpaginierten Epilogs.
Vgl. dazu z.B. Lagrée, ‘Sens et vérité’ (wie Anm. 5), S. 85 ff.
Gebhardt sagte: “Mit seinem Theologisch-politischen Traktat […] ergriff [Spinoza] die Partei Jan de Witts gegen Ludwig Meyer. Es scheint, daß seit dieser Zeit auch in den persönlichen Beziehungen der beiden Männer eine Entfremdung eingetreten ist.” Baruch de Spinoza, Theologisch-Politischer Traktat, übers, und hrsg. von Carl Gebhardt, Hamburg 51955 (Philosophische Bibliothek 93), S. XXIII. — Da Gebhardt hier die einzige Quelle für Thijssen-Schoute ist, irrt sie sich also, wenn sie die Entfremdung schon in die Zeit nach dem Erscheinen von Meyers Buch datiert; in der Sache könnte sie allerdings Recht haben. Caroline Louise Thijssen-Schoute, Nederlands Cartesianisme, Amsterdam 1954 (Verhandelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afd. Letterkunde, N.R. 60), S. 404.
Meyer (wie Anm. 4), S. 31.
“Placeat tegen het vermengen van de Theologie en Philosophie” (30.9.1656). Spinoza, Opera, hrsg. von Carl Gebhardt. Bd. 5. Heidelberg 1987, S. 81.
Ebd.
Johann Clauberg, Opera omnia philosophica, Bd. 2, Amsterdam 1691 (Nachdruck Hildesheim 1968), S. 959 (‘Defensio Cartesiana’, cap. V. § 21). Vgl. schon Descartes’ Discours (AT VI, 8) sowie bei Clauberg S. 954 (§ 16), S. 955 f. (§ 6–9). — Daß Meyers Buch von Descartes gnadenlos verurteilt worden wäre, meint Caroline Louise Thijssen-Schoute, ‘Lodewijk Meyer en diens verhouding tot Descartes en Spinoza’ (1953). In: dies., Uit de republiek der teueren, ‘s-Gravenhage 1967, S. 173–192; S. 184.
Jakob Freudenthal, Die Lebensgeschichte Spinoza’s in Quellenschriften, Urkunden und nichtamtlichen Nachrichten, Leipzig 1899, S. 139–141. Die Namen der Verfasser erscheinen hier noch nicht; Spinozas Name taucht ab dem 21.6.1675 auf (S. 147 u. ff.). -Bossers meint, Meyer sei vorsichtiger gewesen als Koerbagh.
Anton Bossers, ‘Nil volentibus arduum: Lodewijk Meyer en Adriaan Koerbagh’. In: Opstellen over de Koninklijke Bibliotheek en andere studies. Bundel samengesteld door medewerkers van Dr. C. Reedijk […], Hilversum 1986, S. 374–383; S. 381. Warum Bossers ausdrücklich an Thijssen-Schoutes (wie Anm. 15, S. 395, Anm. 3) Vermutung, Bouwmeester habe vielleicht am Interpres mitgewirkt, erinnert, begründet er leider nicht.
Meyer (wie Anm. 4), S. 4.
Lagrée, ‘Sens et vérité’ (wie Anm. 5), S. 78 ff.
Scholder (wie Anm. 8), S. 25–27.
Zu Recht weist Thijssen-Schoute (wie Anm. 15), S. 395 ff., Dunin-Borkowskis Versuch zurück, Meyer in den Sozianismus einzuordnen. Man wird Kolakowski beipflichten müssen: Meyer gehörte zu den “hommes les plus émancipés de toute préoccupation religieuse.” Leszek Kolakowski, Chrétiens sans Église. La conscience religieuse et le lien confessionnel au XVIIe siècle, Paris 1969 01965), S. 210.
Meyer (wie Anm. 4), S. 94.
Vgl. z.B. Wittich, s. Bizer (wie Anm. 7), S. 342, und Scholder (wie Anm. 8), S. 152.
Ansätze bei Scholder (wie Anm. 8), S. 105 ff. Die Position(en) Gassendis dürfte(n) unter diesem Aspekt besondere Beachtung verdienen, vgl. z.B. Sylvia Murr, ‘Toi religieuse et libertas philosophandi chez Gassendi,’ Revue des Sciences philosophiques et théologiques, 76 (1992), S. 85–100.
Den Zeitgenossen galt diese Formulierung als “l’interprétation traditionnelle des dogmes religieux.” Kolakowski (wie Anm. 24), S. 267. Allerdings erwies sich diese schöne Formel als angreifbar: Yvon behauptete, die fundamentalen Glaubenswahrheiten seien gerade nicht supra, sondern contra rationem (ebd. S. 766).
Ob dies “der Konsequenz seines Systems” widerspricht (Scholder [wie Anm. 8], S. 135), ist eine andere Frage.
Ludwig Wolzogen, Orthodoxa Fides sive Adversus Johannem de Labadie Censura Censurae Medioburgensis in libellum De Interprete Scripturarum. Ipse libellus secunda editione praemißus est. Utrecht 1668.
A Enthält: ‘De Scriptur[arum] Interprete adversus Exercitatorem Paradoxum libri duo’ (Erstausgabe auch 1668). Diese Schrift wird im folgenden sowohl nach den Seitenzahlen der Orthodoxa Fides als auch nach den dort angegebenen Seitenzahlen der Erstausgabe zitiert.
Wilhelm Goeters, Die Vorbereitung des Pietismus in der reformierten Kirche der Niederlande bis zur labadistischen Krisis 1670, Leipzig 1911, S. 219.
Thijssen-Schoute (wie Anm. 15), S. 400 f.; Anm. 1 auf S. 401 meint genauso wie Anm. 5 auf S. 400 ein bloßes Meyer-Referat. — Auch wenn im Folgenden Velthuysens Text bloß auf seinen Bezug zu Meyer hin abgefragt wird, ist mangels irgendwelcher Vorarbeiten eine gewisse Ausführlichkeit nicht zu vermeiden.
Lambert van Velthuysen, ‘Dissertatio de usu rationis in rebus theologicis, et praesertim in interpretatione S. Scripturae’. In: Opera omnia, Bd. 1, Rotterdam 1680, S. 97–159. Der Erstdruck von 1668 lautete kühner: … in theologia. Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Opera omnia. Daß Velthuysen, der von manchen selber für den Verfasser von Meyers Schrift gehalten wurde (vgl. S. 148), den Anonymus nicht zu kennen beteuert (S. 100) ist glaubhaft. Es fehlt auch irgendein Bezug auf Spinoza.
Sofern die Lehre vom ‘eingeborenen’ Sohn (S. 109) zur Trinität gehört, ist dieses Mysterium (S. 110, 129 f.) aber auch das einzige, das Velthuysen anerkennt. Von der Inkarnation heißt es dagegen, sie sei nicht supra rationem (S. 129).
Mit den ‘Unsrigen’ (nostri) meint Velthuysen einfach die Reformierten, nicht etwa die Coccejaner.
Allerdings deutet er die Anwendung dieser Methode auf Glaubensangelegenheiten anders als Meyer: Der Zweifel sei die Urteilsenthaltung bei (zunächst) unklaren Schriftstellen, also kein Zweifel an den Dingen, die zum Glauben gehören, sondern ein Zweifel an Interpretationen von Stellen, der solange anhält, bis tragfähige Erklärungen gefunden werden (S. 156).
Zu Vogelsang sowie zum Folgenden s. Ferdinand Sassen, Het wijsgerig onderwijs aan de Illustre School te ‘s-Hertogenbosch (1636–1810), Amsterdam 1963 (Mededelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afd. Letterkunde, N.R. 26, no. 10), S. 48 ff.
Reiner Vogelsang, Contra libellum, cui Titulus Philosophia S. Scripturae interpres; Exercitatio Paradoxa, Indignatio justa […] Accessit Specimen conflictus eundem inter Auctorem & Celeberrimum Virum, D. Johannem de Bruin […] super Dubitatione Cartesiana. Nec non Diatribe de Idea Dei […], Utrecht 1669. Die Indignatio umfaßt 264 Seiten; das mit eigenem Titelblatt (Utrecht 1669) angebundene Specimen conflictus umfaßt 115 Seiten mit neuer Zählung und enthält auf S. 60–103 die Diatribe.
Vgl. Paul Dibon, La Philosophie néerlandaise au Siècle d’or. Tome I, Amsterdam/Paris 1954 (Publications de l’institut français d’Amsterdam, Maison Descartes, 2), S. 212 ff.; Sassen (wie Anm. 37), S. 53 f.
Johannes de Bruyn, Defensio Doctrinae Cartesianae, De Dubitatione et Dubitandi Modo […], Amsterdam 1670.
De Bruyn, in: Specimen conflictus, S. 2; vgl. Vogelsang, Indignatio, S. 71 f.
Indignatio, S. 69 (vgl. S. 7). Dies ist offensichtlich diejenige Äußerung Vogelsangs über Descartes, die ich früher vergeblich gesucht hatte, weil Bohatecs Stellenangabe irreführend war; vgl. Albrecht, Eklektik (wie Anm. 10), S. 26, Anm. 28. — Von begriffsgeschichtlichem Interesse ist Indignatio, S. 196 f.: Daß die eklektischen Kirchenväter Platon anhingen, könne nicht verwundern, da dieser die ratio Eclectica empfohlen habe: Es ging ihm nicht darum, wer etwas gesagt habe, sondern ob es wahr sei. Ferner setzt Vogelsang die secta Electiva mit den ‘Vermischern’ gleich, ohne dies abwertend zu meinen: Der numerosíssima natio der Eklektiker schlossen sich diejenigen an, deren Liebe zur Wahrheit so stark war, daß sie es sich nicht sauer werden ließen, die Zeugnisse aller möglichen Philosophen zu durchmustern.
Indignatio, S. 70, vgl. S. 36 (zu Descartes, AT VI, 549).
Indignatio, S. 37.
De Bruyn, Defensio (wie Anm. 40), S. 3, sowie schon ders. in Vogelsangs Specimen conflictus, S. 3. Zur Eklektik-Kritik der Cartesianer s. Albrecht, Eklektik (wie Anm. 10), S. 278 ff. Schon das Motto bei Meyer (wie Anm. 4) ist bezeichnend: “Prüft alles, das Gute behaltet” (1 Thess. 5, 21), denn dies war das klassische Schlagwort der Eklektiker (vgl. mein Register S. 757 v. ‘Paulus’). Meyer meinte anscheinend, daß nicht die Eklektiker, sondern allein die Cartesianer das Gute behalten hätten. Die von den Eklektikern beanspruchte Treiheit des Philosophierens’ war damals ein ähnlich beliebtes Zitat, das gleichfalls von den Cartesianern den Eklektikern ab- und sich selber zugesprochen wurde.
Mit diesen Worten habe er Descartes auf die gütigste Weise gepriesen, sagt Vogelsang im Specimen conflictus, S. 14.
Indignatio, S. 70–72.
Ebd. S. 72.
Ebd. S. 93.
Ebd. S. 88.
Ebd. S. 180, vgl. S. 125.
Ebd. S. 170.
Ebd. S. 183.
Ebd. S. 246, vgl. S. 258 (recte S. 264; in der Paginierung folgt auf S. 256: S. 251).
Ebd. S. 247.
Ebd. S. 200.
Ebd. S. 253–257 (recte S. 259–263). Auch Velthuysen wird abgelehnt (S. 142,160 f.).
Ebd. S. 200 f.
Ebd. S. 197 (s.o. Anm. 42).
Specimen conflictus, S. 66.
Ebd.
Vgl. Albrecht, Eklektik (wie Anm. 10), S. 765 v. ‘Augen, eigene’.
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Albrecht, M. (1999). Einengung und Befreiung als Wirkungen des Cartesianismus am Beispiel Lodewijk Meyers. In: Verbeek, T. (eds) Johannes Clauberg (1622–1665). Archives Internationales d’Histoire des Idées / International Archives of the History of Ideas, vol 164. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-015-9237-6_11
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