Zusammenfassung
Dass Demokratie heute in aller Munde ist, „als Schlagwort zur Begründung jedweder Politik ins Feld geführt“1 wird, ist oft genug und zurecht bemerkt worden. Wie immer politische Organisationsformen der Gegenwart verfasst sein mögen, die demokratische Intention wird ihnen als legitimierendes Theorem von vornherein unterschoben, nicht zuletzt in der Absicht, mögliche Kritik am sozio-politischen Kontext, den Aufweis der demokratischen Bruchstellen im Verfassungsgefüge antizipierend als potentiell undemokratisch verwerfen zu können. Die damit zugleich betriebene inhaltliche Entleerung demokratischer Begrifflichkeit führt gelegentlich zu paradoxen Aussagen, so beispielsweise dann, wenn in offenbarer Verkehrung politischer Verhältnisse behauptet wird, einen anderen als den demokratischen Staatstyp gebe es heute nicht mehr2, was wohl meint, dass alle Verfassungen der Welt sich mittlerweile zu demokratischer Selbstlegitimierung gezwungen sehen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Carl Joachim Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, Heidelberg, 1959, S. 9.
Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart, 1966, S. 368.
Carl Joachim Friedrich, Prolegomena der Politik, Politische Erfahrung und ihre Theorie, Berlin, 1967, S. 10.
Vgl. dazu neuerdings Christian Meier, Entstehung des Begriffs „Demokratie“, Vier Prolegomena zu einer historischen Theorie, Frankfurt/M., 1970;
darüberhinaus für das hier vertretene Demokratieverständnis informierend Klaus von Beyme, „Artikel Demokratie“, in: Sowjetsystem und Demokratische Gesellschaft, Bd. L, Freiburg, 1966
sowie Walter Euchner, „Demokratietheoretische Aspekte der politischen Ideengeschichte“, in: Politikwissenschaft, Eine Einführung in ihre Probleme, hrsg. von Gisela Kress und Dieter Senghaas, Frankfurt/M., 1969, S. 38fr, bes. S. 45fr.
Diese Interpretation des Identitätspostulates findet sich bei Autoren völlig unterschiedlicher Richtungen; vgl. z. B. Carl Schmitt, Verfassungslehre, Berlin, 1957, S. 204fr;
Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, Berlin, 1966, bes. S. 28ff.;
für die neomarxistisch orientierte Demokratiediskussion Gert Schäfer, „Demokratie und Totalitarismus“, in: Politikwissenschaft, S. 105ff und Johannes Agnoli/Peter Brückner, Die Transformation der Demokratie, Berlin, 1967. Es braucht wohl nicht betont zu werden, dass hier die Problematik dieses Identitätspostulates — und damit der unterschiedlichen Demokratiebegriffe-nicht eingehend diskutiert werden kann.
Selbst engagierte Verfechter eines konservativ-repräsentativen Demokratiebegriffes, wie beispielsweise Manfred Hättich, bemerken gelegentlich: „Fundamentales Prinzip der Demokratie ist es, dass. .. die faktische Machtbasis mit der Legitimationsbasis identisch sein soll. Dieses Prinzip verlangt eine Organisation des Systems, in der sich die faktisch jederzeit mögliche Auseinanderentwicklung von Machtbasis und Legitimitätsbasis immer wieder in Richtung auf die Identität einpendelt“, Manfred Hättich, „Innerparteiliche Demokratie und politische Willensbildung“, in: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, В 49/1969, S. 31.
Hinweise auf den vordemokratischen Ursprung des Repräsentationsgedankens finden sich in der Literatur immer wieder. Aus der Fülle dieser Literatur sei verwiesen auf Carl Joachim Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, Berlin, 1953, bes. S. 298 ff;
die Arbeiten von Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart, 1968
sowie dessen Artikel: „Repräsentation“ in: Staat und Politik, hrsg. von Ernst Fraenkel und Karl Dietrich Bracher, Frankfurt/M 1969;
schliesslich das wichtige Buch von Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, Überlegungen zur Lehre von der Repräsentation des Volkes, Leiden, 1966, und die je nützliche Überblicke vermittelnden Sammelbände Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hrsg. von Heinz Rausch, Darmstadt, 1968;
J. Roland Pennock/John W. Chapman (Ed.), Representation, Nomos X, New York, 1968.
Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, a.a.O. S. 26. Man könnte hierin den Versuch sehen, Repräsentation ebenfalls identitär zu interpretieren — was ja auch westlichem Repräsentationsverständnis entspricht.
Neben Burke’s Rede an die Wähler von Bristol ist dieser Umbruch wohl klassisch formuliert worden von Abbé Sievès. Vgl. dazu Carl Joachim Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 298 ff; Karl Loewenstein, Volk und Parlament nach der Staatstheorie der französischen Nationalversammlung von 1789, München, 1922, bes. S. 1ff;
Martin Draht, Die Entwicklung der Volksrepräsentation, Berlin, 1954;
und neuerdings Eberhard Schmitt, Repräsentation und Revolution, Eine Untersuchung zur Genesis der kontinentalen Theorie und Praxis parlamentarischer Repräsentation, München 1969.
Vgl. die schon in Anm. 7 erwähnten Sammelbände. Zum Aspekt der Instrumentalisierung des Repräsentationsgedankens vgl. Hanna F. Pitkin, The Concept of Representation, Berkeley and Los Angeles, 1967.
So Ernst Fraenkel, „Die repräsentative und plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat“, in: Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 81 ff.
Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 205 ff; vgl. auch vom selben Verfasser: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin, 1961.
Gert Schäfer, Demokratie und Totalitarismus, a.a.O., S. 113 f.
Als Beispiel mag der Verweis auf Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1961, genügen, in welcher der Autor ein differenziertes Pluralismus-Modell entwickelt, das die einzelnen, mehr oder weniger autonomen Teilsysteme gegenseitig ausbalanciert und kontrolliert, damit zugleich Machtmissbrauch zu verhindern sucht, ohne doch die Stärkeverhältnisse dieser Teilsysteme, ihre gesellschaftlichen Bedingungen und daraus resut-lierend Durchsetzungschancen eingehend zu diskutieren.
So weitgehend die verschiedenen Arbeiten von Ernst Fraenkel; vgl. darüberhinaus auch Ernst Fraenkel, Kurt Southeimer, Bernhard Crick, Zur Theorie der pluralistischen Demokratie, Bonn, 1969.
Jürgen Habermas, „Reflexionen über den Begriff der politischen Beteiligung“, in: Friedeburg/Habermas/Oehler/Weltz (Hrsg.), Student und Politik, Neuwied 1969, S. 24.
Charakteristisch dürfte dafür der systemtheoretische Ansatz sein; vgl. beispielsweise Niklas Luhmann, „Soziologie des politischen Systems“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1968, S. 705 ff, der hier wie in seinen zahlreichen anderen Arbeiten den gemeinten Sachverhalt prägnant formuliert;
kritisch dazu Jürgen Habermas“, Zur Logik der Sozialwissenschaften“, in: Philosophische Rundschau, Beiheft 5, 1967.
Vgl. Kurt Lenk/Franz Neumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, Neuwied, 1968, S. XXI.
Dazu Erwin Faul, „Verfemung, Duldung und Anerkennung des Parteiwesens in der Geschichte des politischen Denkens“, in: Politische Vierteljahresschrift, 1964, S. 60 ff.
Kurt Lenk/Franz Neumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, S. XXXII.
Die Parteienstaatslehre ist entwickelt worden vor allem in den verschiedenen Arbeiten von Gerhard Leibholz. Vgl. vor allem Strukturprobleme der modernen Demokratie, Karlsruhe, 1958; „Verfassungsrechtliche Stellung und innere Ordnung der Parteien“, in: Verhandlungen des 38. Deutschen Juristentages 1950, Tübingen, 1951;
ebenso Hans Justus Rinck, „Der verfassungsrechtliche Status der Parteien in der Bundesrepublik“, in: Die moderne Demokratie und ihr Recht, Festschrift für Gerhard Leibholz, Bd. II, Tübingen, 1966.
Aus der kaum mehr überschaubaren, kritischen Literatur zur Parteienstaatsthese siehe etwa Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, bes. S. 63 ff; Wilhelm Hennis, „Amtsgedanke und Demokratiebegriff“, in: Politik als praktische Wissenschaft, München, 1968;
Konrad Hesse, „Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien im modernen Staat“, in: Veröffentlichungen der deutschen Staatsrechtslehrer, Berlin, 1959;
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, Leiden, 1966;
Winfried Steffani, „Zur Kritik am Parteienstaat und zur Rolle der Opposition“, in: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, В 45/1965;
Irenäus K. Underberg, „Zu Wahlrechts- und Parteienstaatstheorie von Gerhard Leibholz“, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1967, hrsg. von Ferdinand A. Hermens, Köln und Opladen, 1967, S. 222 ff.
Vgl. dazu Wilhelm Henke, Das Recht der politischen Parteien, Göttingen, 1964, bes. S. 12 bis 26(mit ausführlichen Literaturhinweisen); ebenso Maunz-Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 21 und Art. 38 GG.
Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juni 1967, BGBI I S. 773, § 1 (Verfassungsrechtliche Stellung und Aufgaben der Parteien).
So Heinrich Triepel in seiner nachmals berühmt gewordenen Rektoratsrede, Die Staatsverfassung und die politischen Parteien, Berlin, 1928;
vgl. auch die entsprechenden Beiträge in Kurt Lenk/Franz Neumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien sowie Beiträge zur allgemeinen Parteienlehre, Zur Theorie, Typologie und Vergleichung politischer Parteien, hrsg. von Gilbert Ziebura, Darmstadt, 1969.
Diese Problematik wird eingehender erörtert bei Wilhelm Grewe, „Zum Begriff der politischen Partei“, in : Um Recht und Gerechtigkeit, Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart, 1950.
Literaturhinweise bei Maunz-Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 21 GG.
Vgl. u.a. Horst Ehmke, „Staat und Gesellschaft als verfassungstheoretisches Problem“, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen, 1962, S. 23 ff
und Ernst Maste, „Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und ihre Beziehung zum Staatsbegriff“, in: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B4/1966.
Im Anschluss an Werner Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, Stuttgart, 1958, hat Wilhelm Henke, Das Recht der politischen Parteien, diese Position juristisch zu entwickeln versucht.
Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 93 f.
Ebd.
Vgl. die in Anm. 21 genannte Literatur.
Für die Bundesrepublik wäre hier entschieden auf Art. 20 GG zu verweisen und seine Interpretation etwa durch Wolfgang Abendroth, Das Grundgesetz, Eine Einführung in seine politischen Probleme, Pfullingen, 1966,
sowie die verschiedenen Arbeiten Abendroths in: Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie, Neuwied 1967;
ebenso auf die entsprechenden Beiträge in Gert Schäfer/Carl Nedelmann, Der CDU-Staat, Studien zur Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik, München, 1967.
Otwin Massing, „Parteien und Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, Aspekte politischer Soziologie“, m: Politikwissenschaft“, a.a.O. S. 339.
Zu dem im Anschluss an die Parteienstaatsthese immer wieder festgestellten „Spannungsverhältnis“ von Art. 21 und Art. 38 GG vgl. die Wiedergabe der verschiedenen Positionen bei Gerhard Stuby, „Die Macht des Abgeordneten und die innerparteiliche Demokratie“, in: Der Staat 1969, S. 306 ff.
Dazu auch u.a. Helmut Immesberger, Zur Problematik der Unabhängigkeit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag, Diss. jur. Mainz, 1962, sowie Wilhelm Henke, Das Recht der politischen Parteien, bes. S. 90 ff; Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, S. 5 ff und Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 21 und Art. 38 GG.
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 5–21 (mit ausführlichen Literaturhinweisen).
Werner Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, a.a.O., S. 21 ff.
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 125 ff und Martin Draht, Die Entwicklung der Volksrepräsentation, a.a.O., S. 30 ff.
Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, a.a.O., S. 72 ff.,
So Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 220.
Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, a.a.O., S. 84 f; Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, a.a.O., bes. S. 104 ff sowie allgemein Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin, 1961.
Johannes Agnoli, Die Transformation der Demokratie, a.a.O., S. 56 ff.
Das findet sich mehrfach scharf ausformuliert bei Carl von Rotteck. Vgl. dessen Ideen über Landstände, Karlsruhe, 1819; Lehrbuch des Vernunftrechts, Bd. I/II, Stuttgart, 1840 sowie meinen Aufsatz: „Über Landstände, Zur Theorie der Repräsentation im deutschen Vormärz“, in: Sprache und Politik, Festgabe für Dolf Sternberger, hrsg. von C. J. Friedrich und Benno Reifenberg, Heidelberg 1968, S. 241 ff.
Claus Offe, „Politische Herrschaft und Klassenstrukturen. Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme“, in: Politikwissenschaft, a.a.O., S. 161 f.
C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Von Hobbes zu Locke, Frankfurt/M., 1967.
So haben z.B. sowohl Locke als auch Sieyès — um nur zwei der prominentesten Theoretiker des bürgerlichen Liberalismus zu nennen — parlamentarische Vertretungen hinsichtlich ihrer Positionen während der Revolutionen von 1688 bz.w. 1789 interpretiert.
So, für die Gegenwart überspritzt, Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, a.a.O., S. 94.
Die folgenden Überlegungen generalisieren die Ergebnisse empirischer Untersuchungen vorwiegend aus dem Bereiche der Bundesrepublik. Es braucht wohl kaum betont zu werden, dass damit konkrete Modifikationen des Parteiwesens nicht in jedem Falle abgedeckt werden können.
Das tritt besonders drastisch bei Listenkandidaturen zutage, vgl. allgemein Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, Probleme eines Parteiengesetzes, Bericht der vom Bundesminister des Innern eingesetzten Parteienrechtskommission, Frankfurt/M, 1957, sowie die einschlägigen Untersuchungen zum Problem der Kandidatennominierung (Anm. 60 ff).
So etwa im Falle — der von den politischen Parteien je nominierten — „politischen Beamten“.
Dazu aus der kaum übersehbaren Literatur u.a. Ulrich Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, Eine Untersuchung der Verfassungswirklichkeit politischer Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart, 1963, S. 35 ff;
Nils Diederich, „Party Member and Local Party Branch“, in: Parteiensystem, Parteiorganisationen und die neuen politischen Bewegungen, hrsg. von Otto Stammer, Berlin, 1968, S. 107 ff;
Jörg Steiner, Bürger und Politik, Empirisch-theoretische Befunde über die politische Partizipation der Bürger in Demokratien unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, Meisenheim/Glan, 1969.
Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 213; Wolfgang Abendroth, Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie, a.a.O., S. 286 ff sowie die Referate
von Theodor W. Adorno, Knut Borchardt und Bergmann et. al. auf dem 16. Deutschen Soziologentag 1968, in: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft, Stuttgart, 1969.
Ohne hier auf Einzelbeispiele eingehen zu können (etwa: für die SPD der Ausschluss des SDS; die Parteiverfahren gegen „linke Flügel“ wie Ristock in Berlin) sei generell verwiesen auf Lenz/Sasse, „Parteiausschluss und Demokratiegebot“, Juristenzeitung 1962, S. 233 ff; für die SPD vgl. u.a. Theo Pirker, Die SPD nach Hitler, München, 1965.
Vgl. Jürgen Habermas, Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt/M., 1968
sowie neuerdings Claus Offe, Leistungsprinzip und industrielle Arbeit, Mechanismen der Statusverteilung in Arbeitsorganisationen der industriellen Leistungsgesellschaft, Frankfurt/M., 1970.
Vgl. dazu exemplarisch die Kontroverse, die über mehrere Jahre hinweg im Anschluss an Helmut Schelsky, „Demokratischer Staat und moderne Technik“, in: Atomzeitalter, 1961, S. 99 ff in eben dieser Zeitschrift geführt wurde.
In welchem Masse etwa die Parteiführungsstäbe der grossen bundesrepublikanischen Parteien ihre eigenen Positionen immer wieder abzusichern verstehen, machen fast alle parteisoziologischen Untersuchungen, die etwa die personelle Kontinuität der Führungsgruppen untersuchen, deutlich.
Gerhard Stuby, Die Macht des Abgeordneten und die innerparteiliche Demokratie, a.a.O., S. 309.
Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, a.a.O., bes. S. 200 ff.
Vgl. dazu etwa Otto Kirchheimer, Politik und Verfassung, Frankfurt/M., 1965 sowie dessen Politische Herrschaft, Fünf Beiträge zur Lehre vom Staat, Frankfurt/M., 1967;
ebenso Joachim Hirsch, „Zur politischen Ökonomie des politischen Systems“, in: Politikwissenschaft, a.a.O., S. 190 ff und die in Anm. 51 genannten Referate des 16. Deutschen Soziologentages.
Unter der Bedingung der Konkurrenz von Volksparteien müsste es wohl präziser heissen: Verhaltensorientierung primär an den (vielfach entpolitisierten) Randwählerschichten, die über den Mehrheitszuschlag entscheiden.
Vgl. dazu Ludwig Bergsträsser, „Parteien — Fraktionen — Regierungen“, in: Zeitschrift für Politik, 1955, S. 84 ff;
Hartmut Ulrich, „Die Rolle von Bundestagsfraktion und ausserparlamentarischen Parteigremien in der politischen Willensbildung der FDP“, in: Politische Vierteljahresschrift, 1967, S. 103 ff;
Hartmut Soell, „Fraktion und Parteiorganisation, Zur Willensbildung der SPD in den 60er Jahren“, in : Politische Vierteljahresschrift, 1969, S. 604 ff;
Gerhard Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen, 1969, S. 216 ff ;
Ulrich Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, a.a.O. S. 66 ff; Gottfried Eisermann, „Partei und Fraktion in Staat und Gesellschaft der Gegenwart“, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1953, S. 74 ff sowie die
Beiträge von Karl Moersch, Günther Müller, Josef Ertl, Walter Althammer, Manfred Schulte und Martin Hirsch in: Der Bundestag von innen gesehen, hrsg. von Emil Hübner/Heinrich Oberreuter/Heinz Rausch, München, 1969.
Dazu Wolfgang Abendroth, Das Problem der innerparteilichen und innerverbandlichen Demokratie in der Bundesrepublik, S. 272 ff; kritisch Peter Haungs, „Innerparteiliche Demokratie im parlamentarischen Regierungssystem“, in: Civitas, Jahrbuch für christliche Gesellschaftsordnung, Bd. IV, Mannheim, 1965.
Jürgen Dittberner, Die Bundesparteitage der CDU und der SPD von 1946 bis 1968, Eine Untersuchung der Funktionen von Parteitagen, Diss. rer. pol., Berlin, 1969; vom selben Autor „Funktionen westdeutscher Parteitag“, in: Parteiensysteme, Parteiorganisationen und die neuen politischen Bewegungen, hrsg. von Otto Stammer, Berlin, 1969, S. 116 ff;
Wolfgang Steiner, Die SPD-Parteitage, Analyse und Vergleich, Meisenheim/Glan, 1970,
sowie Alf Mintzel, Die CSU-Parteitage im April und Juli 1970, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1970, Heft 2, S. 364 ff;
Ute Müller, Die demokratische Willensbildung in den politischen Parteien, Mainz, 1967, bes. S. 33 ff, 73 ff.
In diesem Zusammenhang muss verwiesen werden auf den geradezu klassischen Fall der Kehler Koalitionsentscheidung der SPD vom Frühjahr 1968. Im April 1968 hatten in Baden-Württemberg Landtagswahlen stattgefunden, die zu empfindlichen Einbussen für die SPD führten. Das Ergebnis, zumeist als Votum gegen eine grosse Koalition auf Landesebene interpretiert, hielt die Führung der SPD nicht davon ab, diese grosse Koalition wieder anzustreben. Um sich möglichst breiter Zustimmung zu versichern, berief der SPD-Landesvorstand eine ausserordentliche Delegiertenversammlung nach Kehl ein, die über die zukünftige Koalition entscheiden sollte. Obwohl die Mehrheit der Delegierten — entgegen den Empfehlungen von Landesvorstand und Fraktionsführung — gegen eine Koalition mit der CDU votierten, beschloss die Partei- und Fraktionsführung mit Hinweis auf die parlamentarische Unabhängigkeit der Landtagsabgeordneten und unter Zustimmung des Bundesparteivorstands der SPD, Bonn, mit der CDU zu koalieren, missachtete also den Beschluss der Delegierten und dokumentierte damit, dass die Koalitionsentscheidung tatsächlich lange vor der Delegiertenversammlung und eben nicht in demokratischer Abstimmung getroffen worden war.
Strukturell ähnlich fiel die Entscheidung für die grosse Koalition auf Bundesebene im Herbst 1966. Seitens der SPD wurde die Regierungsbildung mit CDU/CSU am 25. November in einer gemeinsamen Sitzung von Partei- und Fraktionsvorstand beschlossen. Am folgenden Tage trafen sich die Verhandlungskommissionen von SPD und CDU/CSU zu einem „zusammenfassenden Gespräch“. Nach dieser Sitzung gaben beide Kommissionen (aus Mitgliedern der Partei- und Fraktionsführungsstäben) bekannt, dass die Voraussetzungen für eine grosse Koalition geschaffen worden seien, dass dies den Fraktionen mitgeteilt werde. Damit war die definitive Entscheidung — ohne vorherige Konsultation der Fraktionen — gefallen. Die SPD-Fraktion tagte in der Nacht vom 26./27. November. In dieser Sitzung wurde — nach heftiger Debatte — nicht abgestimmt, sondern der Fraktionsvorstand formulierte einen positiven Beschluss zur Koalitionsfrage. Der entscheidende Streitpunkt — der Wiedereintritt von Franz J. Strauss ins Kabinett — konnte seitens des Fraktionsvorstandes insofern der Diskussion entzogen werden, als dieser keine Personalfragen zuliess. Wehner selbst äusserte später, man habe die Sitzung einberufen, „um Dampf abzulassen“ (Süddeutsche Zeitung, Nr. 283, 28. November 1966). Zur personalen Kooptation vgl. allgemein Ute Müller, Die demokratisch Willensbildung, a.a.O., S. 66 ff; Wolfgang Abendroth, Das Problem der innerparteilichen und innerverbandlichen Demokratie, a.a.O., S. 309; Ulrich Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 117 ff; Hans Apel, Der Deutsche Parlamentarismus, Hamburg, 1968, S. 140 ff sowie Gerhard Loewenberg, Parlamentarismus, a.a.O., S. 165 ff.
Vgl. Manfred Abelein, „Die Stellung des Abgeordneten im parlamentarisch-repräsentativen System“, in: Sonde, 1969, S. 27 ff
Klemens Kremer, Der Abgeordnete, München, 1953 sowie die entsprechenden Beiträge in Hübner/Oberreuter/Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, a.a.O.
So Hans Apel, Der Deutsche Parlamentarismus, a.a.O., S. 86 ff und Günther Müller, „Dreiklassenparlament in Bonn? Zur Stellung des Abgeordneten im Bundestag“, in: Der Bundestag von ihnen, a.a.O., S. 42 ff.
Vgl. das SRP-Urteil, BVerfGE 2, 1 (72–78) und das KPD-Urteil, BVerfGE 5, 85 (392). Dazu ausführlicher Wilhelm Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 104 ff und Werner Schmitt, Der Verlust des Abgeordneten-Mandates in den politischen Volksvertretungen, Diss. Göttingen, 1955.
Dass diese Probleme indessen auch nach Gesichtspunkten der politischen Oportunität entschieden werden, dafür — neben zahlreichen anderen Beispielen — jüngst der Fall Meyer-Saevenich (SPD), die Anfang 1970 in Niedersachsen zur CDU übertrat, kurz danach verstarb, worauf das Mandat — nach einiger Überlegung — wieder der SPD zufiel, die einen ihrer Politiker nachrücken Hess. Vgl. zur Problematik des Mandatsverlustes bei Partei — bzw. Fraktionswechsel konsequent Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, Tübingen, 1929, S. 42 f.
Das Hesse sich an zahlreichen Beispielen sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene belegen. Entscheidend für die Wirkungsmöglichkeiten eines Fraktionswechslers dürfte wohl das „Stimmenpaket“ sein, das er seiner neuen Fraktion einbringt: vgl. z.B. die Position Seebohms (als Sprecher der Sudetendeutschen) oder Heinemanns (als GVP-Vorsitzender). Die überwiegende Regel bleibt jedoch das Gegenbeispiel: so etwa Nellen; Stammberger, Rehs u.a. Die politische Ergebnislosigkeit solcher Wechsel hat dazu geführt, dass sie zunehmend weniger stattfinden.
Zur Verdeutlichung der hier angesprochenen Diskussion zwei Hinweise: Walter Althammer, „Politiker oder Spezialisten? Aufgabe und Arbeitsweise der Fraktionen“, in: Der Bundestag von Innen gesehen, S. 59 ff sowie Arnd Morkel, „Müssen Abgeordnete Experten sein?“ in: Sprache und Politik, Festgabe für Dolf Sternberger, a.a.O., S. 400 ff.
Insoweit entscheidend mitbestimmt, als das direkte Hineinreichen ökonomischer Interessen in Parlament und Regierung diese auf der Ebene des politischen Entscheidungssystems reproduziert: zu fragen wäre deshalb, inwieweit hier restriktive Bedingungen politischen Handelns festgemacht werden können, die auf die Repräsentationsgehalte direkt einwirken. Für diesen Zusammenhang vgl. etwa Joachim Hirsch, „Zur politischen Ökonomie des politischen Systems“, in: Politikwissenschaft und Jörg Huffschmid, Die Politik des Kapitals, Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, Frankfurt/M., 1969.
Günter Müller, „Dreiklassenparlament in Bonn?“ in: Der Bundestag von innen gesehen, a.a.O., S. 47.
Bodo Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, Berlin, 1969, S. 92.
Zur Kandidatenaufstellung vgl. Karlheinz Kaufmann/Helmut Kohl/Peter Molt; Kandidaturen zum Bundestag, Die Auswahl der Bundestagskandidaten 1957 in zwei Bundesländern, Köln-Berlin, 1961
Heino Kaack, Wahlkreisgeographie und Kandidatenauslese, Köln-Opladen, 1969, derselbe, Wer kommt in den Bundestag, Köln-Opladen, 1969
Helmut Bilstein, „Kandidatenaufstellung oder Wie demokratisch sind unsere Parteien?“, in: Gegenwartskunde, 1969, S. 3 ff sowie
Bodo Zeuner, Kandiatenaufstellung zur Bundestagswahl 1965, Den Haag, 1970. Unverkennbar ist allerdings, dass sich bei den Nominierungen der Kandidaten zur Bundestagwahl 1969 Verschiebungen zugunsten der Einflussnahme unterer Parteigremien bzw. der Mitglieder ergeben haben, vgl. den entsprechenden Bericht in: Spiegel, Heft 28, 1969.
Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, S. 61 ff; Konrad Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien im modernen Staat’, Bodo Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, a.a.O., S. 90 f.
Aus diesem Grunde wird immer wieder die Übernahme der in Amerika üblichen primaries erwogen, ohne dass damit jedoch bereits ernsthafte Reformansätze sichtbar würden; die Ablehnung erfolgt zumeist mit Hinweis auf die unterschiedliche Parteienstruktur dieser Länder.
Gerhard Leibholz, Strukturprobleme, der modernen Demokratie, a.a.O., S. 97.
Vgl. Anm. 72.
Abgesehen von bestehenden rechtlichen Absicherungen — wie etwa Art. 46 GG -wäre hier vor allem zu denken an den Ausbau der finanziellen Versorgung der Abgeordneten in Bund und Länder, also Diäten und Altersversorgung.
Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, a.a.O., S. 85.
Carl Joachim Friedrich, Prolegomena der Politik, a.a.O., S. 70 ff.
Dazu Marek Sobolewski, „Electors and Representatives, A Contribution to the Theory of Representation“, in: J. Roland Pennock/John W. Chapman (Ed.), Representation, Nomos X, S. 95 ff; vgl. auch vom selben Verfasser, „Politische Repräsentation im modernen Staat der bürgerlichen Demokratie“, in: Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation, a.a.O., S. 419 ff.
In diesen Zusammenhang gehört die so bezeichnete „Entideologisierung“ des westeuropäischen Parteiensystems, in Parallele zur amerikanischen Parteienstruktur; und korrespondierend damit die Personalisierung der politischen Auseinandersetzungen. Zum letzteren Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern 1950. Zum ersteren Peter Molt, „Wertvorstellungen in der Politik, Zur Frage der „Entideologi-sierung“ der deutschen Parteien“, in: Politische Vierteljahresschrift, 1963, S. 350 ff.
Carl Joachim Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, a.a.O., S. 306.
Neben den Wahlen und — auf einzelne Länder begrenzte — Möglichkeiten direkter Volksbefragungen vor allem hier die Möglichkeiten des Streiks und der Demonstrationen.
Wolfgang Abendroth, „Die Vermittlungsfunktion der Parteien,“ in: Kurt Lenk/ Franz Neumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, a.a.O., S. 230.
Carl J. Friedrich spricht im Zusammenhang der Diskussion des Repräsentationsbegriffes „mit Absicht von Einfluss anstatt von Teilnahme oder Kontrolle, da es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass die Mehrzahl der Bürger am staatlichen Handeln teilnehmen oder eine wirksame Kontrolle darüber ausüben wird“, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 307. Eine solche, durchaus weitverbreitete Auffassung gerät indessen in die Gefahr, historische Gegebenheiten als naturgesetzlich zu interpretieren, damit aber auch zwangs- läufig von vornherein in die Notwendigkeit, auf eine inhaltliche Demokratisierungsstrategie zu verzichten.
Es ist freilich einzuräumen: „Eine Modellvorstellung von innerparteilicher Demokratie, welche die Parteien nur einseitig als Transmissionsriemen von der Gesellschaft zur Regierung hin sieht, ist irreal“, so Manfred Hättich, Innerparteiliche Demokratie und politische Willensbildung, S. 28. Sie ist deshalb irreal, weil sie zu wenig komplex bleibt und damit die Umwelt nicht angemessen zu erfassen versteht; angesichts bestehender, ja sich verschärfender Oligarchisierung und Bürokratisierung von Parteiorganisationen bleibt sie freilich in ihrer postulatorischen Formulierung notwendig, um auf Dauer die lebenswichtige demokratisch Rückkoppelung herstellen zu können.
Im folgenden sollen oft diskutierte Institute demokratischer Provenienz, wie etwa: Referendum und Plebiszit, bewusst nicht einbezogen werden; dies auch deshalb nicht, weil über solche Vorkehrungen eine Demokratisierung des bestehenden Institutionenge-füges, hier : der politischen Parteien kaum erreicht werden kann.
Sieht man von älteren Arbeiten wie Hans Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, Tübingen 1929, bes. S. 38 ff
von Fritz Morstein-Marx, „Rechtswirklichkeit und freies Mandat“, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 1926, S. 430 ff einmal ab, so liegt für die neuere Diskussion, neben Hanna Pitkin, The Concept of Representation, bes. S. 144 ff, nur das schon oft zitierte, sehr sorgfältig gearbeitete Buch von Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, vor, dessen generelle Tendenz zugunsten eines uneingeschränkt freien Mandates hier nicht geteilt werden kann. Erstaunlicherweise hat Gerhard Leibholz in seinen verschiedenen Arbeiten die aus der Parteienstaatsthese sich doch konsequent ergebende Forderung nach imperativem Mandat nicht deutlich gezogen, allenfalls in publizistischen Äusserungen der jüngsten Zeit (z.B. Panorama-Sendung Nr. 224 vom 2. März 1970).
Vgl. dazu Udo Bermbach, „Rätesystem als Alternative? Zum Repräsentationscharakter direkt-demokratischer Organisationsprinzipien“, in: Probleme der Demokratie heute, Sonderheft 2 der Politischen Vierteljahresschrift Köln-Opladen, 1970, S. 110 ff.
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 206.
Wilhelm Hennis, „Amtsgedanke und Demokratiebegriff“, in: Politik als praktische Wissenschaft, a.a.O., S. 54.
Ebd., S. 63.
Vgl. dazu Fritz Morstein-Marx, Rechtswirklichkeit und freies Mandat, a.a.O., S. 434: „Dieser Grundsatz der Repräsentation besagt aber seinem Wortlaut nach im Grunde nichts weiter, als dass das Parlament das Volk repräsentiert. Der Repräsentationsgedanke in seiner Allgemeinheit ist also logisch ebensosehr mit dem freien wie mit dem imperativen Mandat vereinbar; denn auch das imperative Mandat lässt ein Repräsentationssystem in der Weise zu, dass die Gesamtheit der Abgeordneten, eben „die Abgeordneten“ das ganze Volk — nämlich in seiner Differenziertheit ständischer, religiöser, landsmannschaftlicher Art — repräsentieren“.
Insoweit ist es immer als Errungenschaft der französischen Revolution interpretiert worden, Vgl. etwa Karl Loewenstein, Volk und Parlament nach der Staatstheorie der französischen Nationalversammlung von 1789.
Gerhard Stuby, Die Macht des Abgeordneten und die innerparteiliche Demokratie, a.a.O., S. 324; in diesem Sinne auch noch die Interpretation von Gerhard Leibholz, der meint, Art. 38 GG habe heute nur noch die Bedeutung, „gewisse äusserste Konsequenzen des Parteienstaates abzuwehren“, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 117. Vgl. dazu auch Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 38.
Vgl. Anm. 63 und Ute Müller, Die demokratische Willensbildung in den politischen Parteien, S. 220, die meint, das freie Mandat komme heute mittelbar den Parteien zugute.
Manfred Hättich, Innerparteiliche Demokratie und politische Willensbildung, a.a.O., S. 30.
In diesem Zusammenhange ist nachdrücklich darauf zu verweisen, dass Demokratisierungskonzepte und Effizienzanforderung an politische Entscheidungssysteme sich nicht — wie häufig unterstellt — gegenseitig ausschliessen müssen. Dazu, Überblick gebend, Frieder Naschold, Organisation und Demokratie, Untersuchungen zum Demokratisierungspotential in komplexen Organisationen, Stuttgart, 1969, und derselbe, „Demokratie und Komplexität“, in: Politische Vierteljahresschrift, 1968, S. 494 ff.
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 206.
Vgl. dazu allgemein Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Sieht man im Modell von solchen Vorbedingungen ab, die ja von der Erkenntnis ausgehen, dass in-stitutionelle Regelungen dann nur einen begrenzten Effekt haben, wenn sie nicht zugleich auch sozialpsychologisch abgesichert werden, d.h. dass jede Institutionalisierung im Zusammenhang mit sozialen Lernprozessen gesehen werden muss, so bleibt in der Tat der ansonsten völlig verfehlte Einwand, „dass konsequente innerparteiliche Demokratie in Spannung geraten kann zu der Rolle des Wählers im repräsentativen System“, so Manfred Hättich, Innerparteiliche Demokratie und politische Willensbildung, a.a.O., S. 33.
Thomas Ellwein, „Staat und Verwaltung“, in: Nach 25. Jahren, Eine Deutschland-Bilanz, hrsg. von Karl-Dietrich Bracher, München 1970, S. 40.
Gerhard Stuby, Die Macht der Abgeordneten und die innerparteiliche Demokratie, a.a.O., S. 321. Eine nahezu klassische Formulierung findet sich bei Theodor Eschenburg: „Das Volk ist nicht zur schöpferischen Gestaltung im politischen Bereich in der Lage und ebensowenig zur politischen Führung. Das ist immer nur Sache einer ganz kleinen Minderheit“, in: „Einige Voraussetzungen des Funktionierens einer parlamentarischen Demokratie“, in: Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik, Bd. II, München 1966, S. 54; ähnlich auch Dieter Hilger, „Die demokratischen Parteien und die Parteiendemokratie“, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Bd. I, Tübingen 1956, S. 177.
Es braucht hier wohl kaum betont werden, dass eine sofortige, umstandslose Praktizierung von Instruktion und recall unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen eher die Konsequenz einer weiteren Absicherung bestehender Herrschaftspositionen haben würde denn ihrer Demokratisierung. Wahlsoziologische Analysen haben inzwischen genügend Aufschluss über die eher konservativen Neigungen sowohl von Parteimitgliedern wie erst recht der Wählerschaft insgesamt gegeben. Die zentrale Frage dürfte daher wohl sein, wie die stabilisierende Wirkung eines auf Veränderung des politischen Entscheidungssystems hin angelegten Institutes umgangen werden kann, oder ob gegebenenfalls solche -möglicherweise vorrübergehenden — Nachteile bewusst zugunsten langfristig erhoffter Demokratisierung von Gesamtgesellschaft in Kauf genommen werden können.
primer Naschold, „Demokratie und Komplexität“, in: Politische Vierteljahresschrift, 1968, S. 503.
Zur Problematik des Innovationsbegriffes vgl. das Arbeitspapier für die Arbeitsgruppe „Vergleichende politische Systemforschung“ von Gerhard Lehmbruch, Politische Innovation, Begriff und Fragestellung, Berlin 1969 (Masch.). Um zu verdeutlichen, woran hier gedacht ist, sei auf politische Entscheidungen wie: Koalitionsbildung, wichtige personalpolitische Fragen (Parteivorsitz, Kanzlerkandidat) oder Sachentscheide (Wiederbewaffnung, Anerkennung der DDR, der Oder-Neisse-Gren-ze u.a.m.) verwiesen.
Als brauchbaren Ansatz einer solchen Entscheidungstypologie vgl. den Systemati-sierungsversuch von Frieder Naschold, Organisation und Demokratie, a.a.O., S. 56 ff.
Dass solche Disziplinierungsmittel heute (wieder seitens der Parteiapparate) vielfach wahrgenommen werden, liesse sich an einigen Beispielen : etwa Fall Ristock, Berlin, oder Fall Boljahn, Bremen, durchaus demonstrieren. Ihre demokratische Umkehrung, also die Möglichkeit, solche Disziplinierungsmittel seitens der „Basis“ gegen Mandatare und somit gegen Führungsstäbe einsetzen zu können, beantwortet freilich noch nicht die Frage der Demokratisierung des gesellschaftlichen Gesamtsystems. Gerade an diesem Punkt zeigt sich, dass auch partikular einsetzende Demokratisierungsstrategien nicht ohne die Diskussion der notwendigerweise zu verändernden sozio-Ökonomischen Bedingungen entworfen werden können, eine Diskussion, die hier allerdings auch nicht andeutungsweise geleistet werden kann. Insofern versteht sich der hier formulierte Ansatz auch durchaus als transitorischer.
Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, a.a.O., S. 213.
Ebd., S. 2.
Vgl. dazu Udo Bermbach, „Probleme des Parteienstaates, Der Fall Littmann“, in : Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 3, 1970, S. 342 ff.
So Manfred Hättich, Innerparteiliche Demokratie und politische Willensbildung, a.a.O., S. 33. Dieser — auch sonst oft zu hörende — Einwand zielt darauf ab, Entscheidungen in Partei und Staat, auch wenn sie von Parteipolitikern geleistet werden, qualitativ zu sondern mit der Konsequenz: „Innerparteiliche Demokratie kann nicht in einem von unten nach oben abgestuften imperativem Mandat bestehen“ (ibidem, S. 33). Damit wird Demokratisierung allenfalls noch im Bereiche der Willensbildung, nicht aber in dem der Entscheidungsgruppen möglich. Zu überlegen wäre aber doch wohl, wie solche qualitative Trennung angesichts der immer enger werdenden Verflechtung von Partei und Staat wirklich gerechtfertigt werden kann, bzw. nachzuweisen wäre, worin-im hier verstandenen Sinne — der Eigenwert des staatlichen gegenüber einem wie immer definierten nichtstaatlichen Bereiche liegt.
Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, a.a.O., S. 90.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1971 Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands
About this chapter
Cite this chapter
Bermbach, U. (1971). Repräsentation, Imperatives Mandat und Recall: Zur Frage der Demokratisierung Im Parteienstaat. In: von Beyme, K. (eds) Theory and Politics / Theorie und Politik. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-015-1063-9_25
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-94-015-1063-9_25
Publisher Name: Springer, Dordrecht
Print ISBN: 978-94-015-0429-4
Online ISBN: 978-94-015-1063-9
eBook Packages: Springer Book Archive