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Husserls Theorie der Vorprädikativen Erfahrung

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Erfahrung und Kategoriales Denken

Part of the book series: Phaenomenologica ((PHAE,volume 147))

  • 169 Accesses

Zusammenfassung

In der 6.Logischen Untersuchung bietet Husserl als eines der ersten Ergebnisse seines Neuansatzes einer phänomenologischen Philosophie einen Begriff der Wahrheit, der auf der Evidenz aufbaut. Husserls Verständnis von Wahrheit ist nicht an dem traditionellen Ausgangspunkt orientiert, daß der Ort der Wahrheit vor allem das Urteil sei. ‘Wahrheit’ im Sinne der anschaulichen Selbstgegebenheit eines Gegenstandes kommt bereits in der Wahrnehmung vor.1 Seine Bestimmung der Wahrheit läßt sich auch nicht auf die traditionelle Konzeption einer Adäquation zwischen Denken und gedachter Sache reduzieren (bzw. einer Korrespondenz zwischen dem vorgestellten und dem real existierenden Gegenstand). Dennoch verwendet er zum Zweck der Darstellung noch die Terminologie von ‘Korrespondieren’, ‘Übereinstimmen’ und ‘Adäquation’.

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Notes

  1. Hier liegt auch der Grund, warum Husserl das Thema der Wahrheit noch vor der Einführung der kategorialen Anschauung (im 6.Kapitel der 6. Logischen Untersuchung) im 5.Kapitel behandeln kann. Gäbe es Wahrheit allein im Urteil, dann müßte zuvor die Möglichkeit kategorialer Anschauung geklärt sein.

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  2. Husserl verwendet die Begrifflichkeit der Korrespondenz in erster Linie im Zusammenhang der Erfüllung einer Bedeutungsintention durch “korrespondierende Anschauung”, wobei an einigen Stellen (i.B. in der (Logischen Untersuchung) auch die Verbindung zum Erkennen und der kategorialen Anschauung hergestellt wird vgl. z.B. Hua XIX, 56, 75 f., 81, 353, 522, 538, 564, 580, 584, 615, 617, 630, 649, 651, 671. — An einer Stelle könnte man den Eindruck gewinnen, als ob von einer Korrespondenz zwischen Denken und Gegenstand die Rede sci (Hua XIX, 590), jedoch wird auch diese Formulierung wieder auf die erfüllende Anschauung zurückgenommen. — Es kommt auch vor, daß Husserl von Korrespondenz im Sinne gleichbedeutender “korrespondierender Ausdrücke” in verschiedenen Sprachen spricht, vgl. Hua XIX, 52. Die Formulierung der ‘adaequatio’ (von Gedanke und Sache) im Sinne einer adaequatio rei ac intellectus findet sich z.B. Hua XIX, 13, 540, 647 f. Die Formulierung einer ‘Obereinstimmung’ im Sinne einer Korrespondenz findet sich z.B. Hua XIX, 539 f., 650-656, 575, 575. ‘Übereinstimmung’ kommt auch in speziellerem, technischen Sinne als totale oder partielle Deckung (oder auch Widerstreit) von Partialintentionen vor, vgl. z.B. Hua XIX, 576 f., 595.

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  3. Er schreibt in Anlehnung an Hume: “kein Vernünftiger wird je an der Existenz der Welt zweifeln, und der Skeptiker straft sich durch seine Praxis Lügen” (Hua II, 36).

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  4. Ebenso wie für Kant sind auch für Husserl die Prinzipien der allgemeinen bzw. formalen Logik negative Bedingungen möglicher Wahrheit, wenngleich sie doch nicht — wie bei Kant — aller Erfahrung vorweg gelten. Vgl. hierzu z.B. Hua XVII, § 19 oder den Hinweis, “ein Urteilen, das gegen sie verstößt, kann zu seinem Ergebnis niemals Wahrheit, bzw. subjektiv gesprochen, niemals Evidenz haben” (EU, 8). Wenn ein Urteil diese Kriterien erfüllt, ist es damit jedoch noch nicht wahr, denn dazu bedarf es daruberhinaus — wie wir jetzt sehen werden — noch der Evidenz.

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  5. Selbst in einem Absatz, der in der 2.Auflage (1913) eingefügt wurde, findet sich noch die Rede von der “adäquaten Erschauung begrifflicher Wesen und wesensgesetzlicher Allgemeingültigkeiten” (Hua XIX, 733).

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  6. So sieht z.B. G. Patzig bei Husserl eine “fast identitätshafte Verknüpfung von Evidenz und Wahrheit” (Kritische Bemerkungen zu Husserls Thesen über das Verhältnis von Wahrheit und Evidenz. In: Neue Hefte für Philosophie 1 (1971), 12). Vgl. hierzu auch die kritischen Einwände bei E. Ströker (Husserls Evidenzprinzip. Sinn und Grenzen einer methodischen Norm der Phänomenologie als Wissenschaft. In: Zeitschrift für philos. Forschung 32 (1978), S. 6 und 11) und bei G. Heffernan (Bedeutung und Evidenz bei Edmund Husserl. Bonn 1983, 64 ff.)

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  7. Eine Diskussion der Wahrheitsbegriffe der Logischen Untersuchungen und ihrer Beziehungen findet sich z.B. bei E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin 1970, 88-106, K. Rosen, Evidenz in Husserls deskriptiver Transzendentalphilosophie, Meisenheim 1977, 50-54, B. Grünewald, Der phänomenologische Ursprung des Logischen, Kastellaun 1977, 82-90 und J.S. Heuer, Die Struktur der Wahrheitserlebnisse und die Wahrheitsauffassungen in E. Husserls ‘Logischen Untersuchungen’. Ammersbek b. Hamburg 1989, 151-178 und D. Lohmar: Truth, Phenomenological Theories of. In: Encyclopedia of Phenomenology. Eds. L. Embree et. al., Dordrecht 1997, 708-712.

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  8. Den Begriff der ‘Wahrheit an sich’ hatte Husserl in den Prolegomena zu einer reinen Logik in starker Anlehnung an B. Bolzano und H. Lotze im Rahmen seines Versuchs der Grundlegung einer reinen Logik verwendet (Hua XVIII, 124 f., 128 ff.). Zu dieser Thematik vgl. auch R. Schmit, Husserls Philosophie der Mathematik. Bonn 1981, 54-66. Später erkannte Husserl, daß diese Konzeption unvollkommen war und zu sehr an Leibniz’ Begriff der Vernunftwahrheiten orientiert blieb (Hua XVIII, 12 f.).

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  9. Vgl. auch A. Aguirre: Die Idee und die Grenzenlosigkeit der Erfahrung. Kant und Husserl, In: Philosophie der Endlichkeit. Hrsg. von B. Niemeyer und D. Schütze, Wurzburg 1992

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  10. Die Wahrheitsbegriffe W2-W4 nehmen außerdem Bezug auf die’ spezies-Theorie’ der Bedeutungsidentität, die Husserl in den Logischen Untersuchungen vertreten hat (Hua XIX, 102-110. Diese Konzeption hat er später kritisiert, ergänzt und schließlich ganz verworfen (EU § 64; d). Daher wird hier auf diese Konzeption nicht näher eingegangen.

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  11. Vgl. Hua III/I, 322 f. 329. Zum Vorrang dieses Begriffs der Wahrheit vgl. auch E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, 94 f.

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  12. Die Wahrheitsbegriffe werden in der Formalen und transzendentalen Logik noch einmal aufgenommen. Wahrheit als Richtigkeit (W4) wird hier herausgestellt als Anmessung bzw. Adäquation der Meinung z.B. eines Urteils an das, was evident selbstgegeben ist. Ebenso wird die Deckung von bloßer Meinung und erfüllter Intention (Wl) als Begriff von Wahrheit genannt. Auch die Wahrheit im Sinne des wirklich, wahrhaft Seienden als Korrelat der selbstgebenden Evidenz (W3) wird genannt (Hua XVII, 132 f., 151 f.).

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  13. E. Tugendhat (Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. a.a.O., 93) stellt heraus, daß Wahrheit als Richtigkeit eine “Eigenschaft des entsprechenden signitiven Aktes” ist.

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  14. G. Soldati faßt diese Einstellung zur kategorialen Anschauung sehr prägnant in den Satz “Das Problem ist, daß viele Philosophen bezweifeln, daß es so etwas gibt” (vgl. G. Soldati, Rezension von: Dieter Münch, Intention und Zeichen, Frankfurt 1993. In: Philosophische Rundschau 41 (1994), 273).

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  15. Vgl. für das Folgende Hua XIX, 673-680. Die wichtigsten Stellungnahmen zur kategorialen Anschauung finden sich bei: E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, 111-136, R. Sokolowski: The Formation of Husserls Concept of Constitution. Den Haag 1970, 65-71, R. Sokolowski: Husserlian Meditations. How words present things. Evanston 1974, §§ 10-17, E. Ströker: Husserls Evidenzprinzip. In: Zeitschrift für philos. Forschung 32 (1978), 3-30, R. Sokolowski: Husserl’s Concept of Categorial Intuition. In: Phenomenology and the human siences. Philos. Topics Vol.12 (1981), Supplement, 127-141, D. Willard: Logic and the Objectivity of Knowledge. Athens 1984, 232-241, E. Ströker: Husserls transzendentale Phänomenologie. Frankfurt 1987, 44 f., 49 ff., G. E. Rosado Haddock: Husserls Epistemology and the Foundation of Platonism in Mathematics. In: Husserl-Studies 4 (1987), 81-102. R. Ber-net: Perception, Categorial Intuition and Truth in Husserl’s Sixth ‘Logical Investigation’. In: The Collegium Phaenomenologicum. The First Ten Years. Hrsg. von J. Sallis, G. Moneta u. J. Taminiaux, Dordrecht 1988, D. Lohmar: Phänomenologie der Mathematik. Dordrecht 1989, 44-69 und ders.: Wo lag der Fehler der kategorialen Repräsentation?, in: Husserl-Studies 7 (1990), 179-197, Th. M. Seebohm: Kategoriale Anschauung. In: Phänomenologische Forschungen 23 (1990), 9-47, Cobb-Stevens: Being and Categorical Intuition. In: Review of Metaphysics 44 (1990), 43-66, K. Bort: Kategoriale Anschauung. In: Kategorie und Kategorialität. Hrsg. von D. Koch und K. Bort, Würzburg 1990, 303-319. Im Rahmen unserer Fragestellung können nur die prägnantesten Stellungnahmen zur kategorialen Repräsentation berücksichtigt werden.

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  16. Vgl. Hua XIX, 674 f. Der hier verwandte Begriff der Fundierung meint nicht das Verhältnis von dem Ganzen zu seinen Teilen, durch die es fundiert wird. In diesem Kontext (Hua XIX, 678 und dem ganzen 6.Kap.) wird also der Fundierungsbegriff der 3. Logischen Untersuchung (§§ 14-18) überschritten. Diese beiden Fundierungsbegriffe werden nicht immer in der notwendigen Schärfe unterschieden (vgl. Th. Seebohm, Kategoriale Anschauung. A.a.O., 16).

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  17. Für das Folgende vgl. Hua XIX, 674 ff.

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  18. Bei den Formen kategorialer Anschauung kann man anhand der Weise dieser gegenständlichen Beziehung zwischen synthetischen und abstraktiven Akten der kategorialen Anschauung unterscheiden. Die synthetischen Intentionen sind auf die Gegenstände der fundierenden Anschauungen mitgerichtet z.B. in ‘A ist größer als B.’ Bei den abstraktiven Intentionen gilt, daß die Gegenstände der fundierenden Akte in die fundierten nicht ‘mit eintreten’. Die gegenständliche Beziehung zielt in solchen Fällen nicht syn-thetisch (zusammen-meinend) auf die Gegenstände der fundierenden Wahrnehmungen, sondern durch die Einzelgegenstände hindurch auf ein Allgemeines. Sie sind allenfalls ein Beispiel für die neue Gegenständlichkeit, das Allgemeine. Vgl. hierzu Hua XIX, 690, 676, 688.

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  19. R. Sokolowski hat den großen methodischen Stellenwert der ‘Dyade’ von Ganzen und Teilen in den Logischen Untersuchungen, herausgestellt (The logic of parts and wholes in Husserls Investigations. In: J. N. Mohanty (ed.), Readings on Edmund Husserls ‘Logical Investigations’. Den Haag 1977,94-111).

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  20. In der 6. Logischen Untersuchung faßt Husserl unter dem Verhältnis von Ganzem und Teil zwei Dinge zusammen, die er in Erfahrung und Urteil trennt: Das Verhältnis von Ganzem und selbständigem Teil (Stück) und das von Ganzem und unselbständigem Moment. Er gebraucht den Begriff ‘Teil’ also in dem von ihm festgelegten, weitesten Sinne. Vgl. Hua XIX, 680 f., Hua XIX, 231, EU, §§ 50-52. Auch in Erfahrung und Urteil sind beide Formen bezüglich der Art ihrer Konstitution gleichwertig, vgl. EU, 262.

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  21. Für das Folgende vgl. Hua XIX, 681 ff.

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  22. Auf diese Möglichkeit einer doppelten Auffassung bezieht sich der Satz “Der auf a bezügliche Repräsentant fungiert als identisch derselbe in doppelter Weise …” (Hua XIX, 682).

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  23. Die Erfüllung hängt aber keineswegs ausschließlich von der Fülle der fundierenden Akte ab, wie es z.B. eine These Husserls (übrigens aus dem problematischen 7. Kapitel) behauptet (Hua XIX, 704). Die globalisierte These von der funktionalen Abhängigkeit der Fülle der fundierten Akte von der Fülle der fundierenden Intentionen würde z.B. zu dem paradoxen Ergebnis führen, daß die Erkenntnisse der axiomatisch vorgehenden Mathematik keine Evidenz für sich in Anspruch nehmen könnten.

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  24. Für das Folgende vgl. Hua XIX, 682.

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  25. Husserl schreibt: “Zugleich ‘deckt’ sich aber das fortwirkende Gesamtwahrnehmen gemäß jener implizierten Partialintention mit dem Sonderwahrnehmen.” Hua XIX, 682. In einer Vorlesung von WS 1906/7, die die erkenntnistheoretische Argumenatation der 6. Logischen Untersuchung aufnimmt, wird deutlich gesagt, daß es sich um eine Deckung nach dem gegenständlichen Sinn handelt, die sich auch zwischen leeren symbolischen Intentionen einstellen kann (Hua XXIV, 282).

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  26. Die Einsicht “Nicht jede Konstitution folgt dem Schema Auffassung und aufgefaßter Inhalt” findet sich erst in einer Fußnote der 1928 veröffentlichten Vorlesungen über das innere Zeitbe-wußtsein (Hua X, 7, Anm.l). Husserl kritisiert sein Modell aber in erster Linie für tiefere Schichten der Konstitution, z.B. für die Phantasie (vgl. Hua XXIII, 265 f., Hua XIX, 884 (Handexemplar), Ms. L I 19, Bl. 9b) und das innere Zeitbewußtsein. Für die Konstitution höherstufiger Gegenstände, z.B. die Gegenstände der Wahrnehmung und der kategorialen Anschauung, ist dagegen das Modell weiterhin geeignet. Dies läßt sich aus vielen Stellen im Spätwerk entnehmen (vgl. EU, 94,97-101, 103, 109, 111, 132 f., 138 ff. u.ö.). R. Boehm und R. Sokolowski haben die These vertreten, daß Husserl in der genetischen Phä-nomenologie das Schema von Auffassung und aufgefaßtem Inhalt fallen läßt (vgl. R. Boehm, Einleitung des Herausgebers. In: Hua X, S. XXXIII ff. und R. Sokolowski, The formation of Husserls concept of constitution. Den Haag 1970, 177 ff.). Das Modell von Auffassung und Inhalt wird jedoch lediglich, wie auch schon in den Vorlesungen zum inneren Zeitbewußtsein, relativiert nach Maßgabe der Feststellung, daß sinnliche Inhalte selbst wieder als fundiert anzusehen sind (vgl. HuaX, 7, Anm.l).

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  27. Husserl vertritt in der 1.Auflage der Logischen Untersuchungen selbst eine solche These. Die “Studie über kategoriale Repräsentation”, d.h. das 7.Kapitel der 6. Logischen Untersuchung, kommt zu dem Ergebnis, daß kategoriale Intentionen durch Auffassung eines Reflexionsinhaltes erfüllt werden (vgl. Hua XIX, 708). Der aufgefaßte Inhalt ist derselbe Inhalt, der den vollzogenen kategorialen Akt in der inneren Wahrnehmung darstellt. In der inneren Wahrnehmung wird er schlicht aufgefaßt. In der kategorialen Anschauung wird dieser Reflexionsinhalt dann kategorial aufgefaßt und bietet ihr Erfüllung. E. Tugendhat (Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin 1970, 111-123) hat in seiner Interpretation nicht bemerkt, daß der (sinnlich bedingte) aktuelle Vollzug nur eine andere Formulierung dieser Lösung des 7.Kapitels ist. Zu diesem ersten Lösungsansatz Husserls, seiner Selbstkritik am kategorialen Repräsentanten und zu den Mißverständnissen, zu denen seine Selbstkritik geführt hat, vgl. D. Lohmar, Wo lag der Fehler des kategorialen Repräsentanten? A.a.O., 179-197. Gegen die Lösung des ‘aktuellen Vollzugs’ greifen nämlich dieselben Einwände, die gegen eine Erfüllung durch kategoriale Auffassung der sinnlichen Repräsentanten der fundierenden Akte sprechen.

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  28. Husserls Hinweis, daß der sinnliche Repräsentant der Sonderwahrnehmung und der Gesamtwahrnehmung “als identisch derselbe in doppelter Weise” fungiert (Hua XIX, 682), könnte eine solche — irrtümliche — Lösung nahelegen. Wenn ein und derselbe Repräsentant auf zwei verschiedene Weisen fungieren kann, dann wäre es zumindest vorstellbar, daß er auch noch auf eine dritte Weise fungieren kann, d.h. kategorial.

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  29. Vgl. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, a.a.O.

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  30. Obwohl das Beispiel es nahelegt, gehört das spezielle Verhältnis der impliziten und der expliziten Intention, das Husserl als ‘doppelte Auffassung’ desselben sinnlichen Repräsentanten charak-terisiert, nicht zu jeder Form der kategorialen Anschauung. Das zeigt schon ein Blick auf die Kollektion.

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  31. Der Begriff der Deckung besitzt im Kontext der Erfullungsproblematik bei Husserl eine gewisse Doppeldeutigkeit. In und nach den Logischen Untersuchungen verwendet Husserl ihn vorwiegend in dem Sinne, daß leere Intentionen durch Deckung mit den entsprechenden erfüllten Intentionen erfüllt werden. Die Frage, wie die erfüllten kategorialen Intentionen Überhaupt zu erfüllten Intentionen werden, ist hiermit noch nicht berührt. Es handelt sich um einen Begriff von Erfüllung und Deckung, der zumindest für den kategorialen Bereich keine Einsicht in die Erfüllungsfunktion gewährt, bzw. das Problem nur weiter hinaus schiebt. Die Deckungseinheiten zwischen Partialintentionen (die hier thematisiert werden) stellen dagegen einen Inhalt dar, der kate-gorial aufgefaßt eine erfüllte kategoriale Intention ermöglicht. Hier wird untersucht, wie erfüllte Intentionen zu ebensolchen, d.h. zu erfüllten werden.

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  32. Vgl. hierzu auch G. Rosado-Haddock, Husserl’s epistemology of mathematics and the foundation of platonism in mathematics. In: Husserl-Studies 4 (1987), 81-92. Rosado-Haddock besteht allerdings darauf, daß alle kategorialen Anschauungen auf sinnlicher Anschauung beruhen (a.a.O., 89) und übersieht hiermit m.E. den Beitrag der Deckungssynthesen zur Erfüllung.

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  33. In seiner Schrift L. Nelson: Über das sogenannte Erkenntnisproblem. Zuerst in: Abhandlungen der Fries’schen Schule NF 2/4 (1908), S. 413-818 (und zugleich als Sonderdruck mit einer um 412 niedrigeren Paginierung), jetzt in: L. Nelson, Gesammelte Schriften. Bd. II: Geschichte und Kritik der Erkenntnistheorie. Hrsg. v. P. Bernays u.a., Hamburg 1973, vgl. besonders 171-178. Ich verdanke diesen Hinweis Herrn H. Peucker.

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  34. Nelson hatte ein Habilitationsgesuch bei der Göttinger Universität eingereicht und wurde dabei von einilußreichen Fachvertretern der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät unterstützt. Vgl. den Brief Husserls an P. Natorp vom 23.12.1908 (Hua Dok. HI/5,98-103).

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  35. Vgl. das Gutachten Husserls zur Habilitation von L. Nelson vom 3.1.1909 (in: Hua Dok. HI/8, 207-210), aus dem hervorgeht, daß Husserl die genannte Schrift Über das sogenannte Erkenntnisproblem mit in seine Begutachtung einbezogen hat. Der Text von Nelson besitzt eine detaillierte Gliederung, aus der bereits die Behandlung und die These der Polemik ersichtlich ist (“XI. Beispiele der ‘dogmatischen Prämisse’ in der antipsychologistischen Argumentation bei Natorp, Frege und Husserl”, S. 167, “XII. Husserls phänomenologische Methode und die intellektuelle Anschauung”, S. 171), diese dürfte Husserl daher nicht entgangen sein. Im Gutachten geht Husserl allerdings auf die gegen seine Phänomenologie gerichteten Vorwürfe nicht ein, sondern er hebt allgemein die überspitzte und voreilige Polemik Nelsons hervor: “Unfähig die außerordentlich bedeutsamen Denkmotive, die das reichbewegte innere Leben der philosophischen Gegenwart ausmachen, hinter ihren noch mangelhaften theoretischen Ausprägungen durchzufühlen, selbst völlig sicher, im Besitz der endgiltigen Philosophie zu sein, spricht er die Resultate jener Ausrechnung nicht selten in recht anstößigen Formen aus.” (a.a.O., 208). Im wesentlichen findet sich Husserl hier auf schlichteste Weise mißverstanden, er erwähnt mehrfach Nelsons “recht empfindlichen Mangel an innerer Fühlung zur zeitgenössischen Philosophie” (a.a.O.). Selbst in den (bekannten) Briefen an P. Natorp, die Husserl in der ersten Hälfte des Jahres 1909 schreibt (vom 21.1.1909, 8.3.1909, 18.3.1909, 20.3.1909, alle in Hua Dok. HI/5, 104-112) wird diese krude Polemik Nelsons nicht mehr erwähnt, obwohl die Neigung Nelsons zur Polemik zuvor erwähnt wurde (Brief an Natorp v. 23.12.1908, Hua HI/5, 98-103).

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  36. Auch in der von Husserl in einem Vorwort gutgeheißenen Auseinandersetzung E. Finks mit Kritikern der Phänomenologie (Die phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegenwärtigen Kritik. In: Kant Studien 38 (1933), 319-383.) liegt das Hauptgewicht auf den Kritiken von R. Zocher und F. Kreis, Nelson wird nicht erwähnt.

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  37. Die Kritik an der kategorialen Anschauung von der Seite des Neukatianismus gehört zu den ersten, noch von Husserl und Fink geführten Auseinandersetzungen mit Vertretern des Neukantianismus. Insbesondere bei F. Kreis finden wir den wiederholt erhobenen Vorwurf, der phänomenologische Intuitionismus laufe auf eine ‘intellektuelle Anschauung’ hinaus und sci somit ‘vorkritisch’ (vgl. F. Kreis, Phänomenologie und Kritizismus. Tübingen 1930, 45-49, 58-61). Hier ist natürlich keine umfassende Auseinandersetzung mit den Argumenten dieser frühen Reaktion des Kantianismus auf die Phänomenologie beabsichtigt. Wir können nur die Einwände nennen, die die Theorie der kategorialen Anschauung und des vorprädikativen Urteils direkt betreffen. Erwähnt sci weiterhin R. Zocher, Husserls Phänomenologie und Schuppes Logik. Ein Beitrag zur Kritik des intuitionistischen Ontologismus in der Immanenzidee. München 1932 und die eher zusammenfassende Kritik von Hans Wagner (Kritische Betrachtungen zu Husserls Nachlaß. In: Philosophische Rundschau I (1953/1954), 1-22, 93-123). Auf Kreis, Zocher, Wagner und andere Kantianische Kritiker greift D. Henrich (Über die Grundlagen von Husserls Kritik der philosophischen Tradition. In: Philosophische Rundschau 6 (1958), 23 f.) zurück und nennt Husserls kategoriale Anschauung einfach eine intellektuelle Anschauung (“Denn Husserl gerät in der Tat mit seiner Theorie der intellektuellen Anschauung, … in beträchtliche Schwierigkeiten”, a.a.O., 24). In unterhaltsamer Form findet sich diese Kritik zuletzt auch bei I. Strohmeyer, Philosophische Gespräche. Leibniz und Kant über das Individuenproblem. Würzburg 1994,99 f.

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  38. Die wichtigsten Stellen zur Behandlung der intellektuellen Anschauung finden sich in der Kritik der reinen Vernunft B 68-72, B 307-310 und im § 77 der Kritik der Urteilskraft.

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  39. So versteht F. Kreis die Husserlsche ideierende Abstraktion (’Wesensschau1) als eine Methode, die geradewegs in das Gebiet des Intelligiblen führt und auf die “vorkritische Zweiweltenlehre des Rationalismus” zurückweist (vgl. Kreis, Phänomenologie und Kritizismus. A.a.O., 47 ff., 58 f.).

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  40. Husserls Bedeutungstheorie in den Logischen Untersuchungen (vgl. Hua XIX, 115 f., 144 f.) erinnert — den Worten nach — sehr an Piaton und Husserl begünstigt dieses Mißverständnis noch dadurch, daß er die ideierende Abstraktion Wesensschau nennt (Hua XIX, 13 ff.). Mit dieser Bezeichnung ist aber keineswegs die Vorstellung eines eigenen Seinsbereichs verbunden, in der diese Wesen existieren. Eine solche “metaphysische Hypostasierung” hielt Husserl für eine längst erledigte Mißdeutung, die man auf sich beruhen lassen könne (Hua XIX, 127 f.). Husserl antwortet auf diesen Vorwurf z.B. in dem Entwurf einer ‘Vorrede’ zu den ‘Logischen Untersuchungen’ (In: Tijdschrift voor Philosophie, Jg.l (1939), 118 ff.). Der Vorwurf ist unberechtigt und steht im Widerspruch zu seiner Theorie. Letzlich beruht er auf dem Vorurteil: ‘Wer von idealen Gegenständen spricht, der kann eine metaphysische Hypostasierung nicht vermeiden’. Husserl gebraucht den Ausdruck ‘Piatonismus’ meistens in Anführungszeichen. Damit will er ausdrücken, daß man ideale Gegenstände z.B. auch in der Mathematik als zu erklärenden Ausgangsbefund zumindest anerkennen muß. Das bedeutet nicht, daß mathematische Gegenstände deshalb bereits in irgendeiner anderen, evtl. ‘höheren’ Realität sein müssen: “In dem ‘Piatonismus’ liegt keine Erkenntnistheorie, sondern die einfache innerliche Hinnahme eines ganz offenbar Gegebenen und vor aller Theorie und auch ‘Erkenntnistheorie’ Liegenden.” (a.a.O., 131). Husserls “sogenannter Piatonismus besteht nicht in irgendwelchen metaphysischen oder erkenntnistheoretischen Substruktionen, Hypostasen, Theorien, sondern in der schlichten Hinweisung auf eine Sorte ursprünglicher, aber in der Regel fälschlich weggedeuteter Gegebenheiten.” (a.a.O., S. 118).

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  41. Vgl. hierzu D. Zahavi, Constitution and Ontology: Some Remarks on Husserl’s ontological Position in the ‘Logical Investigations’. In: Husserl-Studies 9 (1991), 111-124.

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  42. Vgl. “Aber so wie das Urteilen vollzogen ist, kann sich daran schließen ein erfassender, ‘einstrahliger’ Akt, der den Sachverhalt zu einem Dies! macht, wie eben, wenn wir anknüpfend an ein Urteil fortfahren, ‘dies hat zur Folge etc.’”, Ms. A III 13, Bl. 34 a. Jeder noch so kompliziert gebaute kategoriale Vollzug “kann in der Abwandlung einer Passivität auftauchen, in der Weise einer’ sekundären Sinnlichkeit’” (a.a.O., Bl. 34 b). Die verschiedenen Evidenzformen dieser sekundären Passivität stellt Husserl z.B. in Hua XVII, 314-326 (Beilage II) dar. Sie bilden das oben erwähnte funktionale Surrogat der Anschaulichkeit des kategorialen Gegenstandes.

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  43. Husserl versteht umgekehrt die Deckungssynthesen als Grundlage der Verschmelzung der Intentionen bzw. der Verschmelzungsmöglichkeit. In der kontinuierlichen Wahrnehmung handelt es sich um eine “Verschmelzung durch Deckung der Intentionen” (Hua XIX, 679).

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  44. Der Überschreitungscharakter der Auffassung wird auch darin deutlich, daß Husserl in der ersten Auflage der Logischen Untersuchungen gleichbedeutend zu ‘Auffassung’ auch die Bezeichnungen ‘Deuten’ und ‘Interpretieren’ verwendet (vgl. Hua XIX, 397:6, 406:31, 528:4 und 761 f.). Eine der fast durchgängigen Änderungen in der 2.Auflage besteht darin, daß die Bezeichnung der Auffassung als ein Deuten von reellen Beständen soweit wie möglich aus dem Text entfernt wird. “Deutung” erschien ihm jedoch bereits in der 1. Auflage als “nicht ganz unmißverständlich” (Hua XIX, A 370), in der 2.Auflage dann offensichtlich als irreführend. So wurde diese Bezeichnung der Auffassung in der 2.Auflage der LU fast vollständig aus dem Text herausgenommen bzw. durch “Auffassen” oder “Apperzipieren” ersetzt, vgl. Hua XIX, 358:20; 361:1; 395; 397; 406 f.; 525; 528. Es gibt allerdings noch einige Stellen in der 2.Auflage der Logischen Untersuchungen, an denen “Deuten” gleichberechtigt neben “Auffassen” stehen geblieben ist (Hua XIX, 114, 400, 406). So heißt es Hua XIX, 406, daß Empfindungen oder sinnliche Inhalte “eine gegenständliche ‘Deutung’ oder ‘Auffassung’ erfahren.”, parallel spricht Husserl von einer ‘gegenständlichen Interpretation’ von Empfindungen (Hua XIX 378 f.). Vgl. hierzu auch die Einleitung der Herausgeberin U. Panzer, Einleitung der Herausgeberin, Hua XIX, S. LIX. An einigen Stellen verwendet Husserl neben diesen Bezeichnungen auch die noch stärkere Formulierung ‘Zudeuten’, um anzuzeigen, daß die intentionale Auffassung prinzipiell die gegebenen Inhalte überschreiten muß (XIX, 365,434 f., 771, vgl. auch 358 f.). Das wesentliche Motiv für diese Änderung scheint in Folgendem zu liegen: Die Umschreibung des Verhältnisses von Auffassung und aufgefaßtem Inhalt als eine Deutung, läuft jedoch auf eine zwischen den als isoliert und ‘fertig’ gedachten ‘Daten’ und dem Auffassen hinaus, die Husserl phänomenal unausweisbar zu sein schien. Wir haben keinen gegenständlichen Zugang zu unaufgefaßten Daten. Wir nehmen immer schon rote Gegenstände wahr und nicht so etwas wie Farbempfindungen (Hua XIX, 387, 358, vgl. hierzu auch Hua XVII, 291 f.). G. Prauss hat gezeigt, wie nahe Husserl mit der Formulierung der 1.Auflage anscheinend an die Intentionen Kants herangerückt ist (Zum Verhältnis von innerer und äußerer Erfahrung bei Husserl. In: Zeitschrift für Philosophische Forschung 31 (1977), 79-84). Den Grund für die Selbstkorrektur Husserls sieht Prauss in der starken Betonung des Spontaneitätscharakters durch die Rede von der “Deutung” von Empfindungen (a.a.O., 82). Durch die Veränderung in der 2.Auflage ergeben sich für Prauss daher Zweifel, ob Husserl der “grundsätzliche Überschreitungscharakter der Wahrnehmung” wirklich klar geworden ist (a.a.O., 83). Prauss ist der Ansicht, daß sich mit dieser Selbstkorrektur zeigt, daß bei Husserl der verhängnisvolle Ansatz von Descartes wieder durchbricht, Erkenntnis bestehe in einem Schluß von innerer auf äußere Erfahrung (a.a.O., 84). — Für eine explizite Kritik Husserls an einer solchen Schluß-Konzeption der Erkenntnis, vgl. Hua XVII, 170.

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  45. Für das Folgende vgl. Hua XIX, 690-693; Hua XIX, 111-115,176 ff. und 225 f.

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  46. Im § 1 der 2. Logischen Untersuchung legt Husserl dar, daß “der Akt, in dem wir Spezifisches meinen, in der Tat wesentlich verschieden ist von demjenigen, in dem wir Individuelles meinen.” (Hua XIX, 113). In diesem Kontext (d.h. Hua XIX, 111-115) wird jedoch bedauerlicherweise der Unterschied des Etwas-Individuelles-Meinen und Etwas-Allgemeines-Meinen falsch und irreführend als ein Fall des Auffassungswechsels dargestellt. Bei einem Wechsel der Auffassung müßte derselbe sinnliche Inhalt einmal schlicht z.B. als dieses rote Haus, und das andere Mal kategorial in einem Akt spezialisierten Auffassens als Darstellung der Idee Rot gemeint werden. Daß dies nicht geht, haben wir bereits herausgestellt. Sieht man von den gravierenden Mängeln der Darstellung ab, so geht es Husserl hier vor allem darum, daß überhaupt zwischen allgemeinen und individuellen Gegenständen unterschieden werden muß.

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  47. Vgl. die in diesem Punkt fehlgehende Kritik bei B. Grünewald (Der phänomenologische Ursprung des Logischen. Kastellaun 1977, 104 ff.)

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  48. In den Logischen Untersuchungen wird der Setzungscharakter der gliedernden Akte allerdings nur als gleichgültig angesehen (“Das Allgemeinheitsbewußtsein erbaut sich auf Grund der Wahrnehmung und der konformen Einbildung gleich gut”, Hua XIX, 691 ff., vgl. auch 670). Später weist Husserl ausdrücklicher auf die Vorzugsstellung bzw. die Notwendigkeit imaginativer ‘freier’ Variation hin. Vgl. Hua HI/1, 146 ff., Hua XVII, 206, 254 f. und EU, 410 ff., 422 f. Vgl. auch E. Ströker, Husserls Evidenzprinzip. A.a.O., 21 ff. Th. Seebohm verweist darauf, daß es die Phantasievariation der Sache nach schon in den Logischen Untersuchungen gibt (Kategoriale Anschauung. In: Phänomenologische Forschungen 23 (1990), 14 f.).

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  49. Für Husserl liegt der Evidenzgrad der bildlich-analogischen Intentionen gewissermaßen zwischen den intuitiven und den signitiven Intentionen. Analogische Intentionen geben uns bereits die Möglichkeit, gewisse Eigenschaften des Verbildlichten aus Eigenheiten des Verbildlichenden analogisch zu apperzipieren (vgl. Hua XIX, 586-591). Der Grad der Selbstgebung kann mit der Perfektion der Abbildung, d.h. mit der Zahl der abgebildeten Einzelheiten, wie mit deren Lebendigkeit zu-und abnehmen. Die Ansicht, daß bildliche Signition überhaupt den Gegenstand geben kann, stützt sich auf die Tatsache, daß sie durch Analogie repräsentiert, nicht durch bloße Kontiguität, wie die signitive Intention.

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  50. Man muß natürlich kritisch fragen, ob und wie diese Ausweitung überhaupt noch eine abweisende Kritik erlaubt, z.B. eine Kritik der Begriffe der dogmatischen Metaphysik. Die Stoßrichtung des’ sinnkritischen’ Verfahrens von Hume war eine solche Kritik der dogmatischen Metaphysik. Hume wollte zeigen, daß sich hinter Namen wie z.B. Macht, Kraft, Energie, notwendige Verknüpfung usw. keine Anschauung verbirgt und daß sie in dieser Hinsicht grundlos sind. Vgl. Hume, E1 25 f., 84, 207. Husserl will auch eine Kritik der dogmatischen Metaphysik und die Diskussion der von ihm gesuchten wissenschaftlichen bzw. rationalen Metaphysik (d.h. der Phänomenologie, vgl. den Brief Husserls an Joel v. 11.3.1914) zieht sich durch sein ganzes Werk hindurch (vgl. Hua XVIII, 26; Hua XIX, 129, 364, 401, 708, Hua II, 22 f.; Hua XXIV, 98-102; Hua I, 166-171). Sogar von “transzendentaler ‘Metaphysik’” ist die Rede (Hua I, 171). Die Darstellung der Husserlschen Idee einer rationalen, phänomenologischen Metaphysik überschreitet jedoch unser Thema.

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  51. Zu diesem Problem vgl. die Einleitung von K. Held (in: E. Husserl, Die phänomenologische Methode. Ausgewählte Texte I. Stuttgart 1985) S. 29 sowie U. Claesges, E. Husserls Theorie der Raumkonstituion. Den Haag 1964, 29 ff. Zur Diskussion der Wesensanschauung vgl. Bernet, R., Kern, I., Marbach, E.: Edmund Husserl. Darstellung seines Denkens. Hamburg 1989, 74-84, J. N. Mohanty, Individual Fact and Essence in E. Husserls Philosophy. In: Philosophy and Phenomenological Research XIX (1959), 222-230, W. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Bd. I, Stuttgart 1969, 70 ff., E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. A.a.O., 137-168.

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  52. Die Problemlage wird noch dadurch kompliziert, daß wir wissen, daß zumindest die alltäglichen, empirischen Begriffe von jedem Kind in einem Erfahrungs-und Lernprozeß ‘erworben’ werden. Auf diese Weise haben unsere alltäglichen Begriffe eine durch Erfahrungen und intersubjektiven Konsens mitgeprägte ‘Geschichte’ ihrer Veränderungen. Wie kann uns etwas, dessen Grenzen sich so offensichtlich in Erfahrungen erst ausprägen, mit dem Anspruch der Notwendigkeit anschaulich erscheinen? Vgl. hier Kap. III, 6, d)

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  53. Vgl. Hua XII, 193-217. Sinnliche Mehrheitsanzeichen sind “sinnlich-einheitlich” (Hua XIX, 689), Mengen sind durch kategoriale Aktivität syntaktisch einig (vgl. EU, 297).

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  54. Auch das hier feststellbare Fehlen der Variabilität von Auffassung und Inhalt läge bei der Kollektion in der Art der Erfüllung begründet. Diese Variabilität wurde von Husserl zunächst fälschlicherweise bei allen Formen der kategorialen Anschauung vermutet (vgl. Hua XIX, 697 f.).

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  55. Der ‘aktuelle Vollzug’ der kategorialen Synthesis selbst stellt sich in diesem speziellen Fall als das heraus, was der Intention Fülle gibt. Diese Lösung trifft aber nur auf den Fall der Kollektion zu. Nur auf diesen Fall trifft deshalb die oben erwähnte Interpretation von E. Tugendhat zu, derzufolge der sinnlich bedingte aktuelle Vollzug der kategorialen Synthesis für alle Fälle kategorialer Anschauung den Erfüllungsmodus darstellt. In der ganzen’ studie über kategoriale Repräsentation’ (7.Kapitel der 6. Logischen Untersuchung) wird der Fall der Kollektiva unmerklich bevorzugt und schließlich in eine paradigmatische Stellung gebracht. Husserl versucht dann, den sinnlichen Inhalt zu finden, der dieser Art von Erfüllung durch einen kategorial zusammen-meinenden Akt zugehört und ihn als sinnlichen Repräsentanten der kategorialen Form anzugeben. Die Behandlung der kategorialen Repräsentation überhaupt wird auf diese Weise zu der Behandlung der Repräsentation der speziellen Form des ‘und’. Vgl. hierzu auch das folgende Kap. III, 3, a).

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  56. Vgl. Hua XIX, 688, vgl. auch EU, 254. Das Hua XIX, 708 über die Unselbständigkeit der kategorialen Formen Gesagte trifft eigentlich nur auf die Kollektiva zu.

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  57. Vgl. E. Husserl: Entwurf einer ‘Vorrede’ zu den ‘Logischen Untersuchungen’ (1913). Hrsg. v. E. Fink. In: Tijdschrift voor Philosophie 1 (1939), 127, und Hua XII, 64 f.)

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  58. Die kategoriale Anschauung leistet mittels der Deckungssynthesen “den kategorialen Bedeutungselementen dieselben Dienste […] wie die bloße sinnliche Wahrnehmung den stofflichen”, Hua XIX, 671.

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  59. Vgl. hierzu z.B. R. Sokolowski; The Formation of Husserls Concept of Constitution. A.a.O., 70 f. und ders.: Husserlian Meditations. A.a.O., 54-56.

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  60. Vgl. z.B. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. A.a.O., 122-126

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  61. Vgl. Hua XIX, 913-917 und die Einleitung der Herausgeberin von U. Panzer, Hua XIX, S. LIX f.

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  62. Vgl. die Ms.-Gruppe M III 2. Für die ‘Umarbeitungen’ wird eine eigene Edition in der Reihe Husserliana vorbereitet (Hua XX). Die Arbeiten an den Umarbeitungen dürfte auch der Grund gewesen sein, warum Husserl in den Ideen /auf seine Selbstkritik nicht eingeht. Vgl. E. Husserl: Entwurf einer ‘Vorrede’zu den ‘Logischen Untersuchungen’ (1913). Hrsg. v. E. Fink. In: Tijdschrift voor Philosophie 1 (1939), 106-133 und 319-339. Im Folgenden wird er kurz als Entwurf bezeichnet und mit dem Sigel VLU im Text nachgewiesen. Zu diesem Text gibt es eine kenntnisreiche Textstudie von K. Schuhmann: Forschungsnotizen über Husserls “Entwurf einer ‘Vorrede’ zu den ‘Logischen Untersuchungen’”, in: Tijdschrift voor Filosofie 34 (1972), 513-524.

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  63. “Die verschiedenen Stücke erwuchsen zu verschiedenen Zeiten und eine Überarbeitung war zuletzt nötig, um alle auf einen Standpunkt zu bringen. Bei der inneren Unsicherheit verfiel ich aber während der Ausarbeitung mehrfach in die alten Denkgewohnheiten oder war unfähig, Unterscheidungen, die ich in einem Zusammenhang schon als notwendig erkannt hatte, überall durchzuführen” (VLU 329). Husserl mußten die Logischen Untersuchungen “von nahe stehenden Menschen förmlich entrissen werden” (Brief Husserls vom 4.9.1919 an Arnold Metzger).

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  64. Vgl. F. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt. Erster Band. Hamburg 1973, 109-140.

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  65. Man könnte hier sagen, der Inhalt sci die ‘innere Wahrnehmung’ des kategorialen Aktes selbst, wie ich es an anderer Stelle getan habe (vgl. Wo lag der Fehler der kategorialen Repräsentation? In: Husserl Studies 7 (1990), S. 184, 187 f. u.ö.). Darin läge jedoch (1) die problematische Behauptung, daß es innere Wahrnehmung gibt, welche erst zu begründen wäre und (2) die irreführende Andeutung, daß es in der inneren Wahrnehmung, selbst wenn diese ‘Wahrnehmung’ nicht im vollen Sinne ein intentionaler Akt ist, dennoch bereits eine Auffassung von reellen Inhalten als ‘Darstellung von’ (d.h. dieses Aktes) gegeben habe. Das Zweite kann hier nicht gemeint sein, denn es geht um das, was mir in und durch den Vollzug des kategorialen Aktes reell gegeben ist. Dagegen läßt sich die implizierte Behauptung wohl begründen, d.h. die Behauptung, es gäbe so etwas wie innere Wahrnehmung, d.h. ein ‘Bemerken’ meiner Aktvollzüge, das noch nicht intentional ist, aber das normale Aktleben begleitet. Die innere Wahrnehmung ist in gewisser Weise eine Vorstufe zur eigentlichen, thematischen Reflexion auf meine Akte. Husserl selbst war in den Logischen Untersuchungen dieser These Brentanos gegenüber eher skeptisch eingestellt, allerdings mit der Einschränkung, daß sich doch vielleicht auch phänomenologische Gründe finden lassen würden, um sie anzuerkennen. Dies hat er dann in der Beilage XII zu den von Heidegger herausgegebenen Vorlesungen zum inneren Zeitbewußtsein auch ausdrücklich gesagt. Husserls Abweis von Brentanos Konzept der inneren Wahrnehmung in den Logischen Untersuchungen ist dagegen keineswegs unzweideutig, entschieden und ohne Einschränkung. In der 5. Logischen Untersuchung wird deutlich, daß Husserl die Bezeichnung ‘innere Wahrnehmung’ für eigene Zwecke reservieren will, so z.B. im § 5, wo er die innere Wahrnehmung (als Wahrnehmung von Bewußtseinscreignisscn) als besonderen Fall der adäquaten Gegebenheit herausstellt oder im § 6 als Bezeichnung eines adäquat gegebenen Kerns des cogito. Am Anfang von § 27 findet sich sogar der Versuch, ‘innere Wahrnehmung’ als Bezeichnungsvariante der Wesens-erschauung zu verwenden (besonders deutlich in der 1.Auflage). Außerdem scheint mir Husserls Ablehnung dieser Brentanoschen Theorie bereits in der 1.Auflage der Logischen Untersuchungen nicht ganz entschieden zu sein und in der 2.Auflage wird diese teilweise begründete Ablehnung wieder relativiert. Als Beleg weise ich auf den letzten Satz von § 5 hin, der in der 1.Auflage viel entschiedener ist (“Man wird künstliche Theorien dieser Art wohl entbehren können”) als in der 2.Auflage (“… auf sich beruhen lassen”). Vor allem relativiert (bereits in der 1.Auflage) der zweite Teil des Satzes, mit dem “solange …” die Ablehnung dahingehend, daß sich evtl. doch phänomenologische Analysen führen lassen, die die Annahme eines solchen begleitenden Gewahrwerdens zwingend nahelegen. An anderer Stelle (Hua XIX/1, 384) heißt es lediglich, daß Husserl erstlich Bedenken trägt, diesem Satz zuszustimmen, wobei sich das Bedenken wohl in erster Linie auf den drohenden Regress bezieht. In der Beilage der 6.Logischen Untersuchung ist das Schwanken in der Beurteilung noch deutlicher, fast scheint sich hier schon eine Umkehrung der Beurteilung anzukündigen. Zunächst wird das Hauptargument des § 5, der unendliche Regress, geradezu ungültig gemacht (Husserl schreibt, die “unendliche innere Verwicklung wird vermieden”, Hua XIX/1, 759) und darüberhinaus ist wieder die 1.Auflage (“durch keine Erfahrung begründete Mehrfältigkeit”) deutlich ablehnend, während ie 2.Auflage fast zustimmend von einer “phänomenologisch erst zu begründenden Mehrfältigkeit” spricht. Dieser Sinneswandel wird jedoch durch die Tatsache verständlich, daß zwischen beiden Stellungnahmen eine wichtige Phase der Auseinandersetzung mit der ‘inneren Wahrnehmung’ liegt, welche in den Beilagen X, XI, und XII der Vorlesungen zum inneren Zeitbewußtsein dokumentiert ist. Besonders aus der Beilage XII (zwischen 1909 und 1911 entstanden) ergibt sich deutlich eine Wendung in Husserls Haltung der inneren Wahrnehmung gegenüber. (Die Manuskriptgrundlage der Beilage XII findet sich einerseits in Ms. L II 2/B1. 2-20 (paginiert A18 — A36), welche eine kurrentschriftliche Ausarbeitung von E. Stein enthalten, die dem Text der Beilage XII zugrundeliegt. Die HusserlscheOriginale zu L II 2/B1. 2-10 finden sich in Ms. AVI 11 II auf den Bl. 122-124, die wohl aus der Zeit 1909-1911 stammen. Am Rand dieser Blätter finden sich auch Hinweise auf die Pagina Al8 — A26 der Steinschen Ausarbeitung. Zur Ms.-Beschrei-bung von A VI 11 II vgl. auch Hua XXIII, 637 f. In dem Steinschen Text finden sich einige Auslassungen gegenüber Husserls Original, und zwar auf Bl. 122b, 123a, 124a, 124b. Das Hus-serlsche Original ftir Bl. 11-13 (= A27 — A29 = Hua X, 128-129) ist Ms. A VI11 II, Bl. 126a.) Husserl weist den Regress-Einwand zurück und stellt eine eigene Version der inneren Wahrnehmung vor, welche jedes intentionale Erlebnis begleitet, die aber selbst eben nicht wieder im vollen Sinne ein intentionales Erlebnis ist: “Jeder Akt ist Bewußtsein von etwas, aber jeder Akt ist auch bewußt. Jedes Erlebnis ist “empfunden”, ist immanent “wahrgenommen” (inneres Bewußtsein), wenn auch natürlich nicht gesetzt, gemeint (wahrnehmen heißt hier nicht meinend-zugewendet-sein und erfassen).” (Hua X, 126) und “Jedes “Erlebnis” im prägnanten Sinn ist innerlich wahrgenommen. Aber das innere Wahrnehmen ist nicht im selben Sinn ein “Erlebnis”. Es ist nicht selbst wieder innerlich wahrgenommen.” (Hua X, 127).

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  66. Es heißt “Die kollektive Verbindung spielt für unser ganzes geistiges Leben eine höchst bedeutsame Rolle.” und “Diese psychische Relation ist also eine unerläßliche psychologische Vorbedingung für jede Beziehung und Verbindung überhaupt.”, Hua XII, 75.

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  67. Vgl. F. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt. Bd. II. A.a.O., 128.

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  68. Dieselbe Kritik findet sich in den Ideen I (Hua HI/1, 246) mit dem expliziten Hinweis auf die “psychologistischen Denkgewohnheiten”.

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  69. Für die Vermutung, daß das 7. Kapitel der Philosophie der Arithmetik wesentlich näher steht als das ö.Kapitel, spricht auch die Verwendung der Terminologie. Man beachte das häufige Vorkommen der theoriespezifischen Terme ‘gliedernd’ (Hua XIX, 569:35, 570:12, 571:12, 658:23 f., 659:22, 663:35, 674:22, 681:13, 683:21, 683:34, 684:3, 684:6, 689:34. 690, Anm.*), ‘artikulierend’ (Hua XIX, 676:30, 677:14, 679:9, 679:16, 681:13) und ‘Deckung’ (Hua XIX, 659:34, 660:25, 679:5, 679:12, 679:14, 682:20, 629:24 f.) im 6. Kapitel der 6. Logischen Untersuchung und das völlige Fehlen dieser Ausdrücke im 7. und 8. Kapitel. Eine Ausnahme bildet nur die Stelle Hua XIX, 701:17, die noch recht unspezifisch besagt, daß die beziehende Einheit des Aktes eine gegliederte Einheit ist. (An der Stelle Hua XIX, 716:27-34, ist von Gliedern in einem nicht-technischen Sinne die Rede).

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  70. Das “psychische Band” (Hua XIX, 701 f., 704), welches die Akte verknüpft wird auch als “psychischer Charakter” (Hua XIX, 701, 703) und als “Aktcharakter” (Hua XIX, 708, 714, 717), als “synthetisches Band” (Hua XIX, 702), “psychische Verbindungsform” (Hua XIX, 701) oder einfach als “Band” (Hua XIX, 703) bezeichnet.

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  71. Eine Bestätigung hierfür findet sich auch in einer Formulierung der Vorlesungen über das innere Zeitbewußtsein: “So kann z.B. eine diskrete Sukzession unbeschadet der Ungleichzeitigkeit der Glieder durch ein Bewußtseinsband, durch einen einheitlichen Auffassungsakt zusammengehalten sein.” (Hua X, 20 f.).

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  72. E. Tugendhat und R. Sokolowski kritisieren insofern zu recht, daß Husserl nach einem sinnlichen Repräsentanten für die kategoriale Intention sucht (Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. A.a.O., 120), der zugleich nicht der sinnliche Repräsentant der fundierenden Akte ist. Dieser Versuch bringt erhebliche Schwierigkeiten mit sich (Tugendhat, a.a.O., 122 und Sokolowski, Husserls Concept of Constitution. A.a.O., 70). Entgegen der Ansicht von Tugendhat (a.a.O., 122) und Sokolowski (a.a.O., 71) sieht man jetzt, daß das “psychische Band” durchaus eine aufweisbare Gegebenheit in innerer Wahrnehmung ist. Es ist also keine bloße Konstruktion, aber es ist — wie Husserl erst später einsieht — untauglich zur Erfüllung kategorialer Intentionen.

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  73. Die kritisierte Position des 7.Kapitels wird an einigen Stellen des 6. Kapitels indirekt erwähnt. Andeutungsweise gibt es auch hier die Umdeutung der erlebten Deckungseinheiten in das reflexive Erlebnis des Aktvollzuges. So findet sich z.B. direkt im Anschluß an die zentrale Darstellung der kategorialen Anschauung im § 48, in der die Deckungseinheiten deskriptiv als Repräsentant ausgemacht werden, auch ihre Umdeutung in den erlebten “Verband der Akte” (Hua XIX, 682).

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  74. Wie schon angedeutet, trifft Husserls Selbstkritik an der Theorie der kategorialen Anschauung auch noch auf weitere Teile der 6. Logischen Untersuchung zu. Es ist daher wichtig, die Reichweite von Husserls Selbstkritik zu bestimmten. Insbesondere läßt sich damit die Unhaltbarkeit der Interpretation der kategorialen Anschauung durch E. Tugendhat aufweisen. Tugendhat bindet die Erfüllung der kategorialen Intentionen im ganzen an die Möglichkeit des sinnlich bedingten ‘aktuellen Vollzuges’ der kategorialen Synthesis (vgl. E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. A.a.O., 111-136 und daran anschließend E. Ströker: Husserls Evidenzprinzip. A.a.O., 18-21). Im 8. Kapitel scheint die Möglichkeit des ‘aktuellen Vollzuges’, zumindest für die rein kategorialen Intentionen, den Erfüllungsmodus darzustellen. Tugendhat versucht also, die Reichweite der Selbstkritik auf das 7. Kapitel zu beschränken. Demgegenüber dürfte dann das 8. Kapitel, in dem die Möglichkeit des aktuellen Vollzuges mehrfach als Erfüllungsbedingung genannt wird, von ihr nicht betroffen sein. Im Gegensatz zu diesem wohlwollenden Versuch der Schadensbegrenzung müssen wir hier auf die weitgehende Identität beider Ansätze hinweisen. Sie unterscheiden sich nur in dem Schwerpunkt der synonym gebrauchen Bezeichnungen desselben. Hierzu muß die Verwendung des Adjektivs ‘aktuell’ in der 6. Logischen Untersuchung untersucht werden. Im 8. Kapitel wird als Erfüllungsmodus der analytischen Gesetze mehrfach die Möglichkeit des “aktuellen Vollzugs” der kategorialen Akte genannt (Hua XIX, 717 f.). Synonym mit dem aktuellen Vollzug verwendet Husserl die Redeweise von ‘wirklichem Vollzug’ (Hua XIX, 717, 719, 724, 727), von ‘eigentlichem Vollzug’ (Hua XIX, 702, 736) und vom “intuitiv vollziehen” (Hua XIX, 702, 717, 724). Vgl. hierzu die Kontexte Hua XIX, 702, 717, 724. Für die Gleichbedeutung von ‘aktuell’ mit ‘intuitiv’ außerhalb des 7.Kapitels, vgl. Hua XIX, 668, 670, 672 u.ö. Wenn wir aber den “aktuellen Vollzug” der kategorialen Akte mit dem ‘intuitiven Akt’ gleichsetzen müssen, wird klar, daß hiermit noch kein Fortschritt in der Frage nach dem Wie dieser Erfüllung gemacht ist. In der Hervorhebung des Vollzugs der Akte liegt daher lediglich ein verdeckter Rückgriff auf die Lösung des 7. Kapitels. Auch wenn wir ein Urteil bloß hören oder lesen, müssen wir es explizit nachvollziehen, damit wir den gemeinten kategorialen Gegenstand meinen können. Insofern ist die Möglichkeit des Vollzuges des kategorialen Aktes eine notwendige Voraussetzung aber im Allgemeinen nicht eine hinreichende Voraussetzung (Ausnahme: Kollektiva) der Anschauung kategorialer Gegenstände. Es bedeutet aber noch keine Aufklärung über die Erfüllungsweise dieser Intention. Der Hinweis auf den aktuellen Vollzug ist deshalb nur dann nicht trivial, wenn mit ihm die Erfüllungsleistung des Vollzugs behauptet werden soll. Diese besteht in der ‘Herbei-schaflung’ eines Inhalts der inneren Wahrnehmung, der dann eine andere, und zwar eine katego-riale Auffassung zuläßt. Es handelt sich demnach um die Lösung des 7. Kapitels, d.h. der Repräsentant wäre das reflexive Erlebnis des fundierten Aktes selbst, das kategorial aufgefaßt wird. Dieses “psychische Band” können wir bereits durch den Vollzug der kategorialen Synthesis herstellen. Nur die unbeachtete Verwendung gleichbedeutender Bezeichnungen konnte hier eine abweichende Lösung vorspiegeln.

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  75. Mit dieser Doppelrolle intentionaler Momente von Bewußtseinsakten, daß sie nämlich für umfassende Akte wieder gegeben sind, hat sich Husserl später nur noch punktuell beschäftigt. Vgl. Hua XI, 334 f. und dazu G. Küng, Das Noema als reelles Moment. In: Phenomenological Perspectives. Hrsg. v. P.J. Bossert. Den Haag 1975, 151-153. Küng stützt sich auf Ms. B III 12, Bl. 89 und vermutet 1918 als Entstehungszeit. Dies wird dadurch bestätigt, daß Husserl auch in den Forschungsmanuskripten zum inneren Zeitbewußtsein (Bernau 1917-1918) die Frage erwägt: “Ist das Noema im Bewußtsein reell enthalten etc.?” (Vgl. Ms. L112, Bl. 2 und Bl. 16 f.).

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  76. Auch hierin zeigt sich die Abwegigkeit des Vorwurfs, kategoriale Anschauung sci so etwas wie intellektuelle Anschauung, vgl. hier Kap. III, 2, c).

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  77. Das verdeutlicht die Tatsache, daß Deckungseinheiten auch bestehen können, ohne daß sie im Ausdruck der kategorialen Anschauung fixiert werden, vgl. den “Zusatz” zum § 8, Hua XIX, 569 f. Und hier das Kapitel III, 4.

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  78. Hierin zeigt sich wieder, daß auch der Setzungsqualität der fundierenden Akte eine wesentliche Rolle zukommt. Variieren wir nur die faktisch vorkommenden und uns bekannten Fälle eines Begriffs, erhalten wir nun Gemeinsamkeiten eines umgrenzten Bereichs der Realität, aber nicht universale Allgemeinheiten (vgl. hier Kap. III, 2, e). In der genetischen Spätphilosophie sieht Husserl sogar das Absehen von allen Wirklichkeitssetzungen als Voraussetzung für die Gewinnung reiner Allgemeinheiten (EU, 422 ff.). Er fordert die Aufhebung der natürlichen Einstellung in der transzendentalen Reduktion als Bedingung um auch die “geheime” und “unmerkliche” Bindung an die tatsächliche Welt (EU, 424) aufzuheben.

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  79. In der 6. Logischen Untersuchung geht Husserl dieser Frage vor allem an folgenden Stellen nach: a) Im Zusatz zu § 8 (Hua XIX, 569 f.). Hier wird die Differenz von dem ‘unbegriffenen Erlebnis der Identität’ und der gegenständlichen Setzung von Identität als Beispiel des allgemeinen Problems unbegriffener Erlebnisse untersucht (vgl. Hua XIX, 568:20-30). In diesem Kontext finden sich Verweise auf Kap. 6, § 47 (d.h. auf die Diskussion der unthematischen/thematischen Identitätsthesis und das ganze Kapitel 7). b) Im Kontext des 1. Wahrheitsbegriffs, Hua XIX, 652:8-16. Hier wird auf den Zusatz zu § 8 und das Kapitel 7 verwiesen. Dazu gehören die Überlegungen zur Differenzierung des 1.Wahrheitsbegriffs (Hua XIX, 653 f.) c) Im § 47, hier geht es um die Darstellung der Differenz von erlebter Identität und thematischer Identitätssetzung. d) Im Kapitel 7 findet sich ebenfalls die Gegenüberstellung von erlebten Inhalten und wahrgenommenen Gegenständen (vgl. Hua XIX, 700:29, 702:5, 703:1, 705:8-11. In der Passage 706:4-10, schwenkt die Terminologie von ‘erlebten Inhalten’ auf Reflexionsinhalte um. Auf diese Weise legt sich Husserl auf die Deutung des kategorialen Repräsentanten als ‘psychisches Band’ fest, d.h. auf die Interpretation, die ihn später zur Selbstkritik zwingt (vgl. Hua XIX, 707:24-30, 708:20-709:7). Auf diesen problematischen Kontext werde ich hier jedoch nicht eingehen.

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  80. Die Terminologie des ‘Erlebens’ wird nicht nur für die Deckungssynthesen verwendet. So hängt z.B. mit ihr auch die Analyse der “Evidenzerlebnisse” (Hua XVIII, 188-194) eng zusammen. Der phänomenologische Begriff des Erlebnisses, insbesondere des intentionalen Erlebnisses, wird in § 2 der 5. Logischen Untersuchung untersucht. Diese Darstellung ist jedoch für das Thema der vorkategorialen Erfahrung wenig ergiebig.

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  81. Die Charakterisierung der unaufgefaßten, sinnlichen Inhalte als ‘blinde Inhalte’ findet sich auch in Hua XXIV, 292. Sie sind “erlebt, aber wofern sie nicht aufgefaßt, identifiziert, vergegenständlicht sind, bedeuten sie nichts, sie haben keinen Sinn” (a.a.O.). Auch die Verknüpfungen und Verschmelzungen, die sich in der Urassoziation zwischen den sinnlichen Abgehobenheiten eines Sinnesfeldes einstellen, nennt Husserl hier ‘blinde Momente’, die den sinnlichen Inhalten verwandt sind. Raum und Zeit werden hier als Formen vorgestellt, die ohne solche gegebenen Inhalte “blinde Form” (a.a.O.) bleiben.

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  82. Zum phänomenologischen Begriff des Erlebnisses vgl. auch Th. Celms, Der Phänomenologische Idealismus Husserls. (Riga 1928), Bern 1993, 92-99.

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  83. Auch in den Fällen totaler Identifizierung z.B. im Urteil über die Identität von Gegenständen fallen beide Sinne von Sein nicht zusammen, vgl. Hua XIX, 653. Die Intention beider Akte ist ganz verschieden.

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  84. Es läßt sich kaum darüber streiten, daß mit der Handlung der sprachlichen Äußerung des Urteils bereits implizit der Anspruch vertreten wird, daß das, was ich sage, auch wahr ist. Dies hat nicht erst die’ speechact theory’ entdeckt. Für Husserl kommt es jedoch in erster Linie auf das an, was in der Aussage gemeint (intendiert) ist, d.h., ob die Wahrheitsbehauptung auch in der Intention des Bewußtseinsaktes vollzogen ist. Dies ist sicher nicht der Fall, wenn ich mir einen zufällig gehörten Satz in seiner Bedeutung durch expliziten Vollzug der enthaltenen Intentionen zur Evidenz der Deutlichkeit bringe (“Die Tür ist rot.”). Vgl. auch die Darstellung der Deutlichkeitsevidenz in § 16 der Formalen und transzendentalen Logik.

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  85. Dieses Vorgehen läßt sich iterieren. Die Aktkomplexion der evidenten kategorialen Anschauung und Aussage der Wahrheit einer Behauptung kann ihrerseits “zum wahrmachenden Sachverhalt einer neuen Evidenz, von welcher das gleiche gilt, und so weiter” (Hua XIX, 654) werden. Wir können urteilen: “Es ist wahr, daß es wahr ist, daß die Tür rot ist.”

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  86. Husserl spricht hier in einem uneigentlichen Sinn von einem ‘Wahrnehmen’ des repräsentierenden Inhalts anstatt terminologisch von seiner ‘Auffassung’.

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  87. Vgl. hierzu die weitgehend parallelen Ausführungen über die “fließende Identifizierung” und das implizite, “stetige Einheitsbewußtsein” von 1906/7, Hua XXIV, 279-283.

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  88. In der Vorlesung Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie 1906/7 wird ebenfalls betont, daß dieses “Identitätsmoment” reell vorhanden ist. Vgl. Hua XXIV, 282

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  89. Vgl. hier III, 6, d)

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  90. Vgl. hier I, 3

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  91. Zur Diskussion der Negation vgl. W. Windelband, Beiträge zur Lehre vom negativen Urteil. In: Strassburger Abhandlungen zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem siebzigsten Geburtstage. Freiburg/Tübingen 1884, 167-195. Für die phänomenologische Untersuchung der Negation vgl. A. Reinach: Zur Theorie des negativen Urteils (zuerst in: Münchner philosophische Abhandlungen: Th. Lipps zu seinem 60. Geburtstag gewidmed von seinen früheren Schülern. Leipzig 1911. Jetzt in: A. Reinach, Sämtliche Werke. Hrsg. von K. Schuhmann und B. Smith, München 1989, Band I, 95-140), F. Belussi, Die modaltheoretischen Grundlagen der Husserlschen Phäno-menologie. Freiburg 1990 und D. Lohmar: Beiträge zu einer phänomenologischen Theorie des negativen Urteils. In: Husserl-Studies 8 (1992), 173-204 sowie die dort angegebene Literatur.

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  92. Vgl. F. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt. Zweiter Band. Von der Klassifikation der psychischen Phänomene. Hamburg 1971, 34. Ausführlicher kommt Brentanos Ansicht bei der Behandlung des Verhältnisses von Existenzaussage und Prädikation zum Ausdruck (vgl. a.a.O., 49 ff.).

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  93. Der Einfluß der typisierenden Auffassung läßt sich also bis auf die hyletische Ebene hinunter nachweisen. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in den Ms. L I 16/ Bl. 4 und L I 19/ BI. 4-5. Diesen Befund hat bereits A. Aguirre in seiner ausgezeichneten und umfassenden Darstellung der genetischen Philosophie treffend festgehalten “die Hyle kommt von mir selbst her” (Genetische Phänomenologie und Reduktion. Die Letztbegründung der Wissenschaft aus der radikalen Skepsis im Denken E. Husserls. Den Haag 1970, 167. Für diese Thematik vgl. vor allem a.a.O., § 31 und § 32). Vgl.auch die Aufnahme der These von Aguirre durch L. Landgrebe (in: Das Problem der passiven Konstitution. In: L. Landgrebe: Faktizität und Individuation. Hamburg 1982, 81 f.).

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  94. Bemerkenswert ist, daß Husserl bereits in den Umarbeitungen der 6. Logischen Untersuchung aus den Jahren 1913-1914 eine Aufklärung der Akte versucht, die im Zusammenhang der Negation noch vor einer angemessenen Rede und vor der Prädikation liegen. Ich beziehe mich besonders auf “§ 12. Ideale Unmöglichkeit, Widerstreit, Negation.” aus dem vermutlich letzten Stadium der Umarbeitungen (1914, evtl. auch später). Sie findet sich im Ms. M III214, Bl. 79-95. Husserl spricht hier von der Unterstufe der “vorprädikativen Vorkommnisse” (Bl. 82) und sucht “nach dem, was vor allem ‘begrifflichen’ Bedeuten und Ausdrucken liegt” (Bl. 85).

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  95. Husserl bevorzugt in seiner Interpretation den kausal-mechanistischen Standpunkt, den Hume im Treatise in den Vordergrund stellt (vgl. Hua VII, 180, Hua XXIV, 350 f.). Dagegen ist im Enquiry ein anderer Standpunkt eingenommen, den man nicht mehr physikalisch-mechanistisch nennen kann, sondern den man besser einen ‘Naturalismus’ nennt. Vgl. hier Kap. I, 4. Im Mittelpunkt der Erklärungen des Enquiry stehen die Funktionen des menschlichen Geistes (operations of the mind). Sie werden beschrieben, so wie wir sie erleben, und zwar ohne auf eine kausalgesetzliche Abhängigkeit zu rekurrieren.

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  96. Zur Beilage II, EU, 472-478 bemerkt der Herausgeber L. Landgrebe, daß sie “ein Paragraph aus dem Entwurf zur Neugestaltung der VI. Logischen Untersuchung von 1913” ist, “der nicht zum Abschluß und zur Veröffentlichung kam”. (EU, XXVI). Das ist insofern zutreffend, als sich der Text auch in dem Material findet, das zur Umarbeitung der 6. Untersuchung bestimmt war. Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Dr. U. Meile. Der Wortlaut beider Texte geht jedoch auf die erwähnte Vorlesung von 1906/7 zurück, wie man sich durch einen Vergleich von EU, 472-478 und Hua XXIV, 348-355 überzeugen kann. Vgl. auch vom Vf.: Zu der Entstehung und den Ausgangsmaterialien von Edmund Husserls Werk ‘Erfahrung und Urteil’. In: Husserl Studies 13 (1996), 31-71.

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  97. Die analytischen Urteile sind nach ihrer Begriffsbestimmung unproblematisch, da sie nur dasjenige auseinanderlegen, was in einem Begriff enthalten ist.

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  98. Vgl. auch Hua XXIII, 48. Husserl führt über den Widerstreit von verschiedenen Auffassungen aus, daß jeweils diejenige Auffassung bevorzugt wird, die sich “mit der Einheit der gesamten aktuellen Wahrnehmung […] zu einer umfassenden Gesamtwahrnehmung zusammenfügt”. Die bevorzugte Auffassung erfolgt, weil sie “an der Kraft der sich wechselseitig fundierenden Glaubensintentionen partizipiert” (a.a.O.). So wird deutlich, daß die Kohärenzforderung durch Gesetzmäßigkeiten des Erfahrungsgewichts untermauert wird.

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  99. Husserl schreibt “so haben wir von allem Psychologischen, von aller Frage nach dem genetischen Ursprung solcher Urteile im empirischen Ich abzusehen” (Hua XXIV, 351). Alle Kausalaussagen setzen die Existenz von realen Dingen und reale Beeinflussungsmöglichkeit voraus, die doch nicht zur Aufklärung von deren Berechtigung beitragen können. Husserl will sich dagegen auf die Sphäre “bloßer Wahrnehmungen und Erinnerungen” (Hua XXIV, 350) beschränken und betont, daß Humes psychologische Ergebnisse nur durch die Anwendung der ideierenden Abstraktion (Wesensschau) berechtigt werden können.

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  100. U. Meile hat darauf hingewiesen, daß in der Vorlesung vom WS 1906/7 die phänomenologische Reduktion zum ersten Mal verwendet wird (vgl. Einleitung des Herausgebers, Hua XXIV, S. XXXIII ff.).

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  101. Das habituelle Wissen, das durch die vorprädikative Erfahrung erworben wird, ist an die jeweilige erfahrende Person gebunden: “Von nun an sieht das betreffende Subjekt den Gegenstand, […], als bekannten Gegenstand […] an.” (EU, 137 f.)

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  102. Vorausgesetzt ist dabei, daß wir es noch nicht mit expliziten kategorialen Setzungen, z.B. Urteilen und mit deren kategorialen Residuen in der sogenannten’ sekundären Passivität’ zu tun haben.

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  103. Husserl verwendet ebenfalls den Ausdruck Wahrnehmungsurteil, allerdings in einem ganz anderen Sinne als Kant. Der Ausdruck hat seinen systematischen Ort in der Analyse der bedeutunggebenden und bedeutungserfüllenden Akte am Anfang der VI. Logischen Untersuchung (Vgl. vor allem die §§ 3-5 der VI. Logischen Untersuchung, Hua XIX/2 548-558.) Husserl untersucht hier, was es besagt, daß ich einer Wahrnehmung Ausdruck gebe anhand des Beispiels “Ich blicke soeben in den Garten hinaus und gebe meiner Wahrnehmung mit den Worten Ausdruck: Eine Amsel fliegt auf.” (Hua XIX/2, 550). (Das Beispiel könnte eventuell Chr. Sigwarts Die Impersonalien. Freiburg 1888, S. 15 f. entnommen sein. Sigwart erläutert Urteile, “welche auf Grund einer Wahrnehmung von einem Dinge eine Eigenschaft oder Tätigkeit aussagen” mit den Beispielen “daß dieses Blatt gelb ist und der Vogel dort auffliegt” (a.a.O.).) Dabei hängt die Bedeutung dieses Satzes nicht an dem gerade gewählten, jeweiligen Wortlaut der Äußerung. Sie hängt auch nicht von der besonderen Ausprägung der jeweiligen Wahrnehmung ab, ob es hell oder dunkel ist, ob der Vogel nah oder fern gesehen wird, usw. Die gleichlautende Aussage behält natürlich auch dann ihre Bedeutung, wenn die Wahrnehmung ganz wegfallt, aber es handelt sich dann nicht mehr ein Wahrnehmungsurteil im Sinne Husserls. Es soll ein Urteil sein, das nicht thematisch über Wahrnehmung aussagt, sondern welches meiner Wahrnehmung lediglich Ausdruck gibt. Husserl schließt sich damit im wesentlichen B. Erdmanns Verwendung des Terminus an, der Wahrnehmungsurteile als “Aussagen, deren Subjekts-und Prädikatsinhalte dem Urteilenden, während er das Urteil vollzieht, in der Wahrnehmung vorliegen, deren materiale Glieder also lediglich enthalten, was in dem vorliegenden Wahrnehmungsbestande präsent ist.” (B. Erdmann, Logik. I. Band, Logische Elementarlehre, 2. völlig umgearbeitete Auflage, Halle a.S. 1907, 271, vgl. auch die Seiten 270-291. (Husserl zitiert die 1.Auflage). So sind ‘diese Fläche ist weiß’, ‘dieser Kopfschmerz, den ich eben fühle, ist dumpf usw. für Erdmann Wahrnehmungsurteile im Gegensatz zu den Erfahrungsurteilen, denen “zwar ein präsenter Wahrnehmungsbestand zu Grunde liegt, aber nicht ausschließlich, sondern ergänzt durch associative Reproduktionen” (a.a.O.). So kann es sogenannte ergänzende direkte Erfahrungsurteile geben ‘Das (mir durch eine Düne verdeckte) Meer braust’, ‘Jenes Haus ist bewohnt’ und auch ‘verallgemeinernde direkte Erfahrungsurteile’ wie ‘Dieser Baum ist eine Tanne’ (a.a.O., 272).) Wahrnehmungsurteil heißt es dann bei Husserl im Unterschied zu einem denkbaren Erinnerungsurteil oder einem Phantasierungsurteil, weil es allein auf dem anschaulichen Grund einer soeben vollzogenen Wahrnehmung ruht und nicht nur z.B. symbolisch (signitiv oder bildlich) denselben Vorgang vorstellt. Vgl. Hua XIX/2, 548.

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  104. In der weiteren Erfahrung wird dann der Spielraum, den der Typus bietet, anhand des Kenntniszuwachses in der Explikation weiter eingeengt, d.h. genauer bestimmt. Vgl. hierzu EU, § 25 und die Ausführungen über die Näherbestimmung des Typus hier Kap. III, 6, d)

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  105. Der ursprüngliche Textzusammenhang der für unsere These besonders wichtigen Passage von Erfahrung und Urteil (EU, 93-98) stammt wohl aus den Vorlesungen über transzendentale Logik (WS 1920/21). Er findet sich im Ms. F 1 37, abgedruckt in Hua XI unter dem Titel Analysen zur passiven Synthesis. Wie man sich durch einen Vergleich überzeugen kann, entspricht im einzelnen (Angaben jeweils nach Seite:Zeile) EU 93:23-93:31 = Hua XI29:11-29:18, EU 94:24-95:1 = Hua XI 29:28-29:39, EU 95:1-10 = Hua XI 29:18-28, EU 95:13-97:3 = HuaXI 30:1-31:21, EU 97:12-98:36 = Hua XI 31:21-32:32. Die Vorlesung besteht aus drei Konvoluten (F I 37, F I 38, F I 39). Aus allen drei Konvoluten finden sich umfangreiche Textstücke in allen Teilen von Erfahrung und Urteil, vgl. auch vom Vf.: Zu der Entstehung und den Ausgangsmaterialien von Edmund Husserls Werk ‘Erfahrung und Urteil’. In: Husserl Studies 13 (1996), 31-71.

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  106. Vgl. zu der Charakterisierung dieser Intentionen als protentional EU, 93, 96, 98, 114 f. Die Sinnesbereicherung in der vorprädikativen Sphäre tritt im Rahmen der Wieder-Explikation zum Zweck der prädikativen Fixierung im Urteil in der Form einer protentionalen Erwartungs-gewißheit auf (EU, 243). Wir müssen uns später in diesem Kapitel (vgl. hier Kap. III, 5, e) noch einmal mit der Frage beschäftigen, ob diese Charakterisierung wirklich zutrifft.

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  107. Es läßt sich nicht leicht entscheiden, ob es so etwas wie “Erwartungsintentionen” bereits in den Logischen Untersuchungen hätte geben können. Einerseits ist Intention “nicht Erwartung, es ist ihr nicht wesentlich, auf ein künftiges Eintreten gerichtet zu sein.” (Hua XIX, 573). In einem anderen Zusammenhang schränkt Husserl aber ein: “Normalerweise haben hier überall die Intentionen nicht den Charakter von Erwartungen, sie haben ihn nicht in jedem Falle ruhender Wahrnehmung oder Bildlichkeit, sie gewinnen ihn erst, wo die Wahrnehmung in Fluß kommt […]” (Hua XIX, 574).

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  108. Bei etwa gleichgewichtigen Vermutungen, die hin und her wechseln können z.B. bei der Puppe/Dame (EU, 99-103) kann als Ergebnis auch eine Art ‘Gleichgewicht’ entstehen. Das Bewußtsein “schwankt zwischen der Auffassung Mensch oder Puppe” (EU, 103). Hierdurch wird ein Streben nach Entscheidung motiviert.

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  109. Genauer besehen, wird dabei nicht nur die Reihe der Vorerwartungen durch den neuen und anderen Sinn überdeckt, sondern die Überdeckung wirkt auch zurück. Die frühere Apperzeption ‘rot und gleichmäßig rund’ wird “implizite ‘umgedeutet’” und damit verdoppelt (EU, 96). Über die ‘alten’ Vorzeichnungen ist nun der ‘neue’ Sinn gelagert, doch so, daß der alte nicht ausgelöscht, sondern noch vorhanden ist, aber als ‘nichtig’ bewußt ist.

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  110. Es bietet sich also die terminologische Unterscheidung von Erwartung und Vorerwartung (d.h. vorzeichnender Erwartung) an, obwohl Husserl selbst sie nicht streng durchhält.

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  111. Vgl. hierzu die Einleitung von L. Landgrebe und die Untersuchung des Vf., Zu der Entstehung und den Ausgangsmaterialien von Edmund Husserls Werk ‘Erfahrung und Urteil’. In: Husserl Studies 13 (1996), 31-71.

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  112. Entsprechend der Erklärung in Formale und transzendentale Logik ist dies eine der notwendigen Schritte einer transzendentalen Klärung der Logik (im Sinne einer Wissenschaftslehre). Vgl. hierzu Hua XVII, §§ 82-86. Die Formale und transzendentale Logik war urspünglich als Einleitung zu Erfahrung und Urteil geplant (vgl. L. Landgrebe, Einleitung, EU, S. VIII). Ein Ausgangspunkt für die Verfassung der ‘Logik’ war auch der einleitende Text der oben genannten ‘Vorlesungen über genetische Logik’ (1920/21). Die ‘erste Fassung’ der Einleitung der Formalen und transzendentalen Logik stammt aus dieser Vorlesung (d.h. Ms. F I 37, Bl. 3-36 = Hua XVII, 351-378). So läßt sich auch die Kontinuität in dem Vorhaben einer Grundlegung der Logik aufzeigen, die bereits die Logischen Untersuchungen ebenso leisten wollten. Auf diese Weise läßt sich auch der Untertitel von Erfahrung und Urteil “Untersuchungen zur Genealogie der Logik” verstehen. Husserl versucht hier eine phänomenologisch-genetische Aufklärung der Art und Weise, wie das prädikative Urteil in der vorprädikativen Erfahrung grundgelegt ist.

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  113. Vgl. die Ausführungen des § 17 von Erfahrung und Urteil. Der Begriff der Rezeptivität steht keineswegs in ausschließlichem Gegensatz zur Aktivität des Ich, “vielmehr ist die Rezeptivität als unterste Stufe der Aktivität anzusehen” (EU, 83).

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  114. Vgl. EU, 119, 121 und Hua IX, 209 ff., 315. Husserl weist darauf hin, “daß die Scheidung von Aktivität und Passivität keine starre ist”, sondern es handelt sich dabei um “Mittel der Beschreibung und Kontrastierung, deren Sinn in jedem Einzelfall im Hinblick auf die konkrete Situation der Analyse ursprünglich neu geschöpft werden muß”, EU 119, 121.

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  115. Mit der Zuwendung zu einem Gegenstand ist zugleich eine Tendenz geweckt, die auf “’Erzeugung’ immer neuer Erscheinungsweisen, die wir auch ‘Bilder’ nennen können” (EU, 88) gerichtet ist. Man kann sie als “Tendenz auf vollkommene Erfüllung” (EU, 87) bezeichnen. Es wird ein “tendenziöses Verhalten, ein strebendes, ins Spiel gesetzt. Es ist ein verwirklichendes Streben, ein tuendes” (EU, 86). Die im Rahmen dieses tendenziösen Verhaltens vollzogenen Kinästhesen sind im allgemeinen nicht willkürliche Handlungen. Husserl nennt sie deshalb lediglich “Tätigkeiten”. Dabei gilt aber: “Das Sicheinstellen der Bilder steht ‘in meiner Macht’; ich kann z.B. die Augen schließen. Aber außer meiner Macht steht, daß, wenn ich die Kinästhesen ablaufen lasse, sich ein anderes Bild einstellt; ihm gegenüber bin ich bloß rezeptiv.” (EU, 89). Ich kann zwar unwillkürlich oder willkürlich die Zuwendung zu einem Gegenstand tätig vollbringen, es steht aber nicht in meiner Macht, was sich mir dabei sinnlich gibt.

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  116. Husserl weist auf das “Interesse am Wahrnehmungsgegenstand als seiendem” (EU, 87) hin, auf einen “tendenziösen Zug, den anschaulich gegebenen Gegenstand allseitig zur Gegebenheit zu bringen” (EU, 232) und auf die Erfüllung dieser “Tendenzen im Fortstreben von Wahrnehmungsphase zu Wahrnehmungsphase” (EU, 93) um das “Wahrnehmungsinteresse” zu charakterisieren (EU, 94, 98, 103, 111-115, 124, 149 u.ö.). Das letztere steht im Gegensatz zum eigentlichen “Erkenntnisinteresse” (EU, 126, 231 ff., 238, 240 u.ö.), d.h. dem Interesse daran, den Kenntniszuwachs prädikativ festzuhalten, erst in ihm “ist eine willentliche Beteiligung des Ich in ganz neuer Weise im Spiele: das Ich will den Gegenstand erkennen, das Erkannte ein für allemal festhalten” (EU, 232).

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  117. Formal betrachtet sind mit der Unterscheidung von schlichter Erfassung und explizierender Betrachtung schon zwei der drei notwendigen Schritte der kategorialen Anschauung in den Logischen Untersuchungen in der vorprädikativen Sphäre beschrieben: Die Erfassung des Gesamtgegenstandes und die artikulierende Zuwendung zu seinen Einzelheiten (bzw. zu Gegenständen, die in äußeren Beziehungen zu ihm stehen). Vgl. hier Kap. III, 2, b).

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  118. Die Explikation kann ihr Interesse auch auf die “im Außenhorizont mitgegenwärtigen Gegenstände” (EU, 115) richten, die sich in unserem Wahrnehmungsfeld befinden. Betrachten wir diese in Beziehung zum Gegenstand der ersten schlichten Erfassung, dann erwachsen in der Explikation “relative Bestimmungen” (z.B. die ‘äußeren Relationen’ der Logischen Untersuchungen, Hua XIX, 683 f.). Es erwächst z.B. die Beziehung des Angrenzens, des Größer oder Kleiner. Bei der Explikation des Außenhorizontes bleiben wir aber immer auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet, dessen Beziehungen zu andern Gegenständen bestimmt werden.

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  119. In dem ersten Schritt einer Explikation, d.h. in der schlichten, einfältigen Zuwendung, kann man noch nicht von einem Substratgegenstand sprechen. Substrat und Bestimmung sind Korrelatbegriffe, die ihren rechtmäßigen Ort erst in dem zweiten Schritt haben, d.h. in der ersten Bereicherung des nunmehr Substrat gewordenen Gegenstands: “Substrat und Bestimmung sind im Prozeß der Explikation ursprünglich konstituiert als Korrelatglieder einer Art Deckung.” (EU, 129).

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  120. Husserl betont mehrfach die unverwechselbare Eigenart dieser Überschiebung in der explikativen Deckung, denn Oberschiebung überhaupt findet sich in jedem intentionalen Übergang durch die Möglichkeit eines doppelten Aufmerksamkeitsstrahles (EU, 128). Es handelt sich um eine “ganz eigenartige Synthesis der Identitätsdeckung”, um eine “durchaus eigenartige Identifizierung, in der Kontinuität und Diskretion sich merkwürdig verknüpfen” (EU, 129).

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  121. Das aktive Im-Griff-Halten ist nicht mit der passiven Retention gleichzusetzen. Es ist im Fall der Explikation ein impressionales (EU, 132), aber es gibt auch nicht-impressionales Im-Griff-Halten. Vgl. EU, 120 f.

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  122. Dieser besondere Fall wird EU, 148 f. angesprochen.

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  123. Husserl findet also Formen der vorprädikativen Erfahrung und kann sie nicht nur beschreiben, sondern auch ihre Möglichkeit als Bewußtseinsleistung verständlich machen. K. Ameriks’ Kritik in Erfahrung und Urteil gebe es lediglich die Suche nach der vorprädikativen Erfahrung (“hardly a mere search for the prepredicative”) und diese selbst sci ein bloß notwendiges theoretisches Postulat (vgl. K. Ameriks, On Experience and Judgement. In: Husserl. Shorter Works. Ed. by P. McCormik / F. Elliston, Notre Dame 1981, p. 291) kann ich daher nicht zustimmen.

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  124. Zu den intentionalhistorischen Aspekten des Erwerbs vgl. auch A. Aguirre, Genetische Phäno-menologie und Reduktion. A.a.O., §§ 27-32.

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  125. Für das Folgende vgl. EU, 31-35, 140 f. Zur Abgrenzung von Typus und Allgemeinbegriff vgl. EU, 394-403.

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  126. Die Unbestimmtheit der Intention bemerkt Husserl bereits in den Logischen Untersuchungen. Er formuliert bewußt in paradoxer Weise, daß diese Unbestimmtheit, der “eine gewisse Weite möglicher Erfüllung” entspricht, selbst “eine Bestimmtheit dieser Intention” sci (Hua XIX, 573).

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  127. Umfang’ ist hier in Analogie zum Begriffsumfang von Allgemeinbegriffen zu verstehen. Man beachte jedoch, daß die typische Apperzeption keine Allgemeinheitsformung vollzieht.

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  128. Aufgrund der Möglichkeit der Ähnlichkeitstransformation des Typus (Kant: Schematisierung) mittels deren er sich an die verschiedenen Darstellungsweisen des Gegenstandes ‘anpaßt’, wird auch verständlich, warum Husserl in den Ideen II in Kantianisierenden Wendungen das Ding als “Regel möglicher Erscheinungen” (Hua IV, 86) bezeichnen kann. (Vgl. hierzu auch A. Aguirre, Die Idee und die Grenzenlosigkeit der Erfahrung. Kant und Husserl. In: Philosophie der Endlichkeit. Hrsg. von B. Niemeyer und D. Schütze, Würzburg 1993, 101-129). Die rechtmäßige Setzung der Realität eines Dinges beruht darauf, daß es etwas der aktuellen Abschattungs-mannigfaltigkeit gegenüber Irrelatives gibt (Hua IV, 76), das die Zusammengehörigkeit der mannigfaltigen Erscheinungen desselben Gegenstandes verbindet (Hua IV, 86). Vgl. hierzu auch E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. a.a.O., 77-80, 83.

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  129. “Mit jedem neuartigen, (genetisch gesprochen) erstmalig konstituierten Gegenstand ist ein neuer Gegenstandstypus bleibend vorgezeichnet, nach dem von vornherein andere ihm ähnliche Gegenstande aufgefaßt werden” (EU, 35).

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  130. Es heißt über den Typus — allerdings in einer Formulierung, die den Typus zu nahe an den Allgemeinbegriff heranrückt — daß er “auf Grund der assoziativ geweckten Gleichheitsbeziehungen eines Gegenstandes mit anderen Gegenständen” (EU, 400) konstituiert sei, d.h. wiederum aufgrund der Ähnlichkeitsdeckung innerhalb einer Gruppe bekannter Gegenstände. In einem anderen Kontext heißt es, daß “auf dem Grunde der assoziativen Weckung von Gleichem durch Gleiches ein Gegenstand nicht mehr bloß für sich affiziert, sondern in Gemeinschaft mit seinem Verwandten” (EU, 387).

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  131. Vgl. EU, 388-391. Wir müssen, so schreibt Husserl, “den typisch aufgefaßten Hund nicht als Einzelnes des Allgemeinen ‘Hund’ thematisch erfassen, sondern können auch auf ihn als den individuellen gerichtet sein.” (EU, 400). Die typische Apperzeption ist genetisch grundlegender als der Allgemeinbegriff: “jederzeit können wir auf ihrem Grunde einen Allgemeinbegriff ‘Hund’ bilden.” (EU, 400).

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  132. Wenn ein neuer Typus konstituiert ist, dann ist dieser “jederzeit bereit zu erneuter aktueller assoziativer Weckung” (EU, 137).

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  133. Vgl. EU, 400. Ein einmal gestifteter und in Erfahrungen bestimmter Typus z.B. ‘Blume’, erlaubt, daß “eine neu auftretende Blume auf Grund der assoziativen Weckung des einmal gestifteten Typus ‘Blume’ als solche wiedererkannt” wird (EU, 395), und zwar “ohne daß anschauliche Wiedererinnerung an die früheren Fälle der Vergleichung notwendig wäre.”.

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  134. Vgl. EU, 398-401. In diesem Kontext will Husserl allerdings auf eine Aufklärung der prädikativen Bestimmung von etwas als Fall eines Begriffes hinaus (Subsumtion unter einen empirischen Begriff). Wir beschränken uns daher auf diejenigen Aspekte seiner Analyse, die eher dem vorprädikativen Bereich zugewandt sind.

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  135. Vgl. EU, 140 f. Husserl charakterisiert hier das leer Vorgemeinte als vage und allgemein, als einen nicht voll bestimmten Sinnesrahmen.

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  136. Husserl geht hier nicht auf die Leistung und die Problematik der dichtenden, d.h. einzeichnenden Einbildungskraft ein, die für Kant ein wesentliches Element seiner Erkenntnisklärung war. Husserl sieht wohl, daß man die inhaltliche Bestimmung dieser unthematischen Erwartungen durch den Versuch der Vorverbildlichung feststellen kann. Es handelt sich bei einer willentlichen “anschaulichen Ausmalung in der Phantasie” um eine Explikation unserer Antizipationen, die klären will, was wir eigentlich typisch erwarten. Hierbei spielen “immer Erinnerungen an gegeben gewesene Gegenstände desselben oder verwandten Typus” eine Rolle. Vgl. EU, 144.

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  137. Man kann noch eine weitere Verbindung von Typus und den Schemata empirischer Begriffe herstellen. Für Kant ist das Schema empirischer Begriffe eine ‘Regel’ sich mit Hilfe der Einbildungskraft eine unbegrenzte Vielheit von vierbeinigen Tieren vorstellen zu können (A 141/B 180). Das Schema ist eine Methode zur phantasiemäßigen Herstellung von vielerlei bildlichen Anschauungen von Hunden. Auch mit Hilfe des Typus können wir durch spontane Verbildlichung “in einer willkürlichen Phantasiebildung uns andere Hunde in offener Vielheit vorstellen” (EU, 400).

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  138. Vgl. hierzu auch K. Held, Husserls Rückgang auf das phainomenon und die geschichtliche Stellung der Phänomenologie. In: Dialektik und Genesis in der Phänomenologie. Phänome-nologische Forschungen 10 (1980), 89-145.

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  139. Dies kann jedoch hier nicht ausgearbeitet werden, weil sich dieses Thema zu weit von der Frage der vorprädikativen Erfahrung entfernt. Vgl. hierzu meinen Versuch: Grundzüge eines Synthesis-Modells der Auffassung. In: Husserl-Studies 10 (1993), 111-141.

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  140. Für das Problemfeld des ‘Anfangs’ der Erfahrung vgl. auch A. Aguirre, Genetische Phäno-menologie und Reduktion. A.a.O., § 31.

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  141. Vgl. Hua I, 114. Wir sehen hier von der Erwähnung der Kontiguitätsassoziation beim Gebrauch von Zeichen in den Logischen Untersuchungen ab, obwohl Husserl sie rückblickend als “den Keim der genetischen Phänomenologie” bezeichnet (EU, 78). Vgl. hierzu A. Aguirre, Genetische Phänomenologie und Reduktion, a.a.O., 150 und auch E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation. A.a.O., 2-11. Es wird sich herausstellen, daß sich z.B. die Kontiguitätsassoziation zwischen Gegenstand und Bestimmung als eine Form der vorprädikativen Erfahrung verstehen läßt. — Husserl würdigt Kants Analysen der Einbildungskraft in der Transzendentalen Deduktion der 1.Auflage der Kritik der reinen Vernunft als einzige Vorleistung der philosophischen Tradition zum Thema der vorprädikativen Erfahrung als “genial” aber “unklar” (Hua XI, 275). Allerdings nimmt Husserl diese deutlichen Anzeichen von Kants ‘deskriptiver Seite’ nicht zum Anlaß einer genaueren Würdigung von dessen Ergebnissen.

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  142. Vgl. Hua XI, 118. Die Transformation könnte auch durch den Einsatz der Wesensschau zu einer eidetischen Psychologie der Assoziation führen (Hua XI, 181).

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  143. Beides ist ‘gleichsinnig’ in dem Sinne, daß es derselbe kategoriale Gegenstand ist, der zuvor bloß erlebt war jetzt explizit kategorial anschaulich wird.

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  144. Vgl. hierzu EU, 79, 225-228; Hua XI, 130, 134; Ms. C 7/B. 25a. Vgl. auch die an manchen Stellen vorkommende Rede von “assoziativer Deckung” in Hua I, 147 und den Ms. C 3/B1. 69a, C 7/B1. 41b, C 10/B1. Üb, C 16/B1. 108a. In einem Ms. wird sogar beides gleichgestellt “Assoziation oder Deckung ist aber Sinnübertragung, Sinnerbschaft” (C 17/B1. 84b).

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  145. Gleichheits-und Ähnlichkeitsassoziation sind für Husserl Grundlage der Herstellung einer Einheit der Anschauung und von assoziativer Weckung überhaupt (EU 207-211, 220 f. u.ö.)

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  146. Zum Thema der Assoziation gibt es die bereits mehrfach erwähnte sehr gründliche, systematisch und historisch fruchtbare Studie von E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation. Es sci aber auch auf den Beitrag von J. J. Kockelmans, Association in Husserl’s Phenomenology (In: B. R. Wachterhauser (Ed.): Phenomenology and Scepticism. Evanston 1996, p. 63-85) hingewiesen. Wir werden uns daher in diesem Kapitel weitestgehend auf die Beziehung zur Erfahrungsproblematik beschränken dürfen.

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  147. Man kann hier Beispiele nach den jeweiligen Sinnesfeldern ordnen: So läßt sich z.B. 1. optisch an Umrißlinien denken, die sich in Helligkeits-oder Farbkontrast abheben, 2. akustisch an Anfangs-oder Endpunkte von Tönen, die sich aus Lautstärke-oder Tonhöhenkontrasten ergeben, ‘Tongestalten1 durch Auf-und Abschwellen von Tönen, 3. taktuell als ‘Kanten’ oder Abgehobenheiten im Wärmekontrast oder im Kontrast der taktuellen Qualitäten rauh, glatt, weich, hart, kalt, warm usw.

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  148. Der Gebrauch dieser Termini ist in Erfahrung und Urteil nicht immer gleichbleibend, vgl. die nicht ganz klare Verwendung von ‘Heterogenität’ im Sinne von Verschiedenheit (EU, 79) oder der vollständigen Negation der Ähnlichkeit (EU, 227).

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  149. B. Rang schreibt sogar, daß er von der Untersuchung der Zeitfolge als Fundament der kausalen Folge ganz abgesehen habe (B. Rang, Kausalität und Motivation, Den Haag 1973, 4). Es findet sich jedoch in den ‘Vorlesungen über genetische Logik1 von 1920/21 eine knappe Behandlung dieses Problems (Hua XI, 185-191 und auch 385 f.). Die vorgreifende, induktive Assoziation wird ebenso erwähnt (Hua XI, 119 f., 124).

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  150. Vgl. für Beispiele Hua XI, 51. Selbst beim Fallen eines Glases (vgl. dasselbe Beispiel in Kants früher Anthropologie-Reflexion R 377) spielen immer noch offene Gegenanmutungen mit, die den Ausgang praktisch gewiß, aber eben nie absolut sicher sein läßt.

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  151. Vgl. hierzu Husserls Krisis. § 9 b)-d), Hua VI, 26-40 und Hua XVII, §§ 73-81.

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  152. Die Theorie der “sekundären Passivität” findet sich bereits in den Ideen II (Hua IV, 4-13). Husserl hält hier einen Unterschied zwischen den spontan vollzogenen Akten und der “verworrenen Zuständlichkeit” fest, in die ihre Ergebnisse nach dem Vollzug wieder zurücksinken (Hua IV, 12). Die herabgesunkene Aktivität ist in der Form der sekundären Passivität mit dem Index der Aktualisierbarkeit bewußt. Ich weiß, daß ich den spontanen Aktvollzug jederzeit wiederholen kann und daß ich dann dasselbe Ergebnis mit derselben Geltung habe. Auch hier wird die (sekundäre) Passivität schon als eine modifizierte Form der Aktivität verstanden, nämlich als “‘noch’ Bewußthaben und im Griff Behalten” (Hua IV, 6).

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  153. Vgl. Hua XVII, 320 f. Den “erinnerungsmäßigen Einfall” gibt es ebenfalls bereits in den Ideen II (Hua IV, 6).

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  154. Sowohl die retentionale Evidenz, als auch die der Wiedererinnerung sind nicht original selbstgebende Evidenzen (Hua XVII, 325 f.). Dennoch sind sie “sekundäre Ableitungen der Evidenz”, in denen “immer noch etwas von Evidenz verbleibt”, sozusagen eine “sekundäre Evidenz” (a.a.O.).

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  155. Vgl. Hua XVII, 321, 323 ff. Einen vergleichbaren Fall, den ‘theoretischen Einfall’ formuliert Husserl ebenfalls schon in den Ideen II (Hua IV, 7).

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  156. Vgl. hierzu auch die Hinweise und Erwiderungen auf die Vermutung von Seiten des Neukantianismus, kategoriale Anschauung sci dasjenige (oder sci vergleichbar mit dem), was bereits Kant als ‘intellektuelle Anschauung’ insbesondere in der rationalistischen Philosophie kritisiert (vgl. hier Kap. III, 2, c).

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  157. Der Sinn der ‘Erzeugung’ im prädikativen Urteil wird später noch präziser im Hinblick auf die Notwendigkeit des ‘Durchhaltens’ dieser Aktivität bestimmt werden, vgl. EU, § 63.

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  158. Hierauf weist auch die metaphorische Wendung in den Logischen Untersuchungen hin, die besagt, daß die Sprache eine Art “Aus-druck in dem Stoffe des Bedeutens” ist (Hua XIX, 659, der Bindestrich bei ‘Aus-druck’ steht im Original). Die Analogisierung mit dem Buchdruck meint, daß es sich um einen Aus-druck in einem anderen, nicht-flüchtigen und nicht-subjektiven Medium handelt.

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  159. Zum ganzen Vorgang des Nachvollzugs (Verstehen) von sprachlich indizierten Urteilen bietet Husserl ausführliche Untersuchungen in der Formalen und transzendentalen Logik, vgl. insbesondere die ‘Dreischichtung der subjektiven Leistungen’ Hua XVII, 53-76.

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  160. Dies verlangt z.B. K. Wuchterl in seiner Interpretation des mathematischen Erkennens (Die phänomenologischen Grundlagen mathematischer Strukturen. In: Philosophia Naturalis 11 (1969), 218-246). In die gleiche Richtung geht die Analyse von G. Rosado-Haddock (Husserl’s Epistemology of Mathematics and the Foundation of Platonism in Mathematics. In: Husserl-Studies 4 (1987), 81-102). Bei der mathematischen Erkenntnis handelt es sich um eine sehr hochstufige Form kategorialer Anschauung, bei der die sinnliche Anschauung (und die auf ihr beruhende ‘Wirklichkeits’-Setzung in den fundierenden, schlichten Akten) ganz in den Hintergrund gerät. Im Rahmen von axiomatisch ‘angenommenen’ Urteilen fallt diese Notwendigkeit weg und zur Erfüllung genügen die Deckungssynthesen zwischen den jeweils axiomatisch ‘angenommenen’ Intentionen.

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  161. Husserl weist auf dieses hochkomplexe Ineinander von Leistungen verschiedener genetischer Stufe allerdings nur für das Ineinander von begreifendem Denken (‘Dies ist ein Haus’) und dem prädikativen Urteil ‘Dies (implizit: dies Haus) ist rot.’ ausdrücklich hin: “Es gibt kein prädikatives Urteilen, keine Bildung prädikativer Formen, die nicht schon zugleich eine Allgemeinheitsformung in sich schlösse.” (EU, 240).

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  162. R. Harrison betont die Probleme der prädikativen Beschreibung vorprädikativer Befunde sehr stark. Seiner Ansicht nach ist es unmöglich, zu unterscheiden, was bei einer solchen Beschreibung der vorprädikativen Erfahrung zuzuschreiben ist und was durch die Struktur der beschreibenden Sprache hinein gelangt (vgl. R. Harrison, The Concept of Prepredicative Experience. In: Phenomenology and Philosophical Understanding. Ed. by E. Pivcevic. Cambridge 1975, 97f.)

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  163. Hier stellt sich wieder das bereits erwähnte ‘Problem des Anfangs’ ein. Trivialisierend formuliert kann man fragen: Wie kann ich ‘beim ersten Mal’, d.h. wenn noch keine erfahrungsgewirkten Typen vorliegen können, bereits Gegenstände haben? Vgl. hierzu hier Kap.III, 6, d).

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  164. Das Substrat steht “im Rückgang ‘wieder’ als S” da (EU, 243). Husserl schreibt aber auch, daß wir jetzt “seine Sinnesbereicherung als bloße Protention” (EU, 243) haben. Die passive, protentionale Erwartung muß im allgmeinen aber von der aktiven, vorgreifenden Vorerwartung unterschieden werden (Vgl. dazu hier Kap. III, 5, e). Selbst unter besonders günstigen Umständen, z.B. wenn die Explikation gerade abgelaufen ist, haben wir die Erwartung nicht in der Form der Protention.

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  165. Vgl. zur Negation hier Kap. III, 5, d.

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  166. Vgl. hier Kap. III, 2, c). Hume erkannte die anschauliche Gegebenheit eines Gegenstandes als Bedingung dafür an, daß sich bei den Urteilen, die sich auf ihn beziehen, der belief einstellen kann. Andernfalls bleibe unser Denken hypothetisch. Vgl. hier Kap. I, 2 und I, 3.

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  167. Es ist zu beachten, daß selbst dieser noch zu undifferenzierte Lösungsversuch von der Kritik Tugendhats nicht betroffen wäre, die besagt, daß man die Funktion der kategorialen Repräsentation nicht einfach dadurch erklären kann, daß ein sinnlicher Inhalt kategorial aufgefaßt wird. Vgl. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, 122. Es handelt sich bei den Deckungssynthesen nicht um sinnliche Inhalte. (Vgl. hier Kap. III, 2 und III, 3).

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  168. Es gibt jedoch eine Formulierung, die unserer These widerspricht, daß die Deckungssynthesen nur in gewandelter Form (d.h. als Kenntnis oder Erkenntnis) überdauern können. Husserl schreibt, daß “ein schlicht erfassender Blick auf die bereits konstituierte Deckungseinheit” geht, und dann wird sie “in schlichter einstrahliger Thesis zum Thema gemacht und nun erneut die Explikation vollzogen” (EU, 245). Dies ist aus den angegebenen Gründen nicht möglich und offensichtlich ein Fehler der Darstellung, der wohl bei gründlichem Durchdenken zurückgenommen worden wäre. Zumal in dem unmittelbar folgenden Absatz die Art des Zurückwendens zu der in der Explikation konstituierten “verborgenen Einheit” sehr genau bestimmt wird. Wir können uns dieser Einheit nicht schlicht ergreifend zuwenden, sondern nur in einer aktiven Wiederexplikation: “Dieser Einheit sich erfassend zuwenden, das heißt, in geänderter Einstellung den Prozeß wiederholen, aus einer passiven Synthesis eine aktive machen” (EU, 245). In vergleichbar mißverständlicher Weise formuliert Husserl auch in den Logischen Untersuchungen, daß man auf die vorliegende, aber bloß erlebte Wahrheit einfach hinsehen könne (“Hinblicken auf die vorhandene Wahrheit” Hua XIX, 652, vgl. auch hier Kap. III, 4). Vermutlich greift Husserl in beiden Fällen auf die Möglichkeit der Nominalisierung vor, die darin besteht, nach dem Ablauf des prädikativen Urteils das Ergebnis in einem Blick zum Gegenstand zu machen.

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  169. Ein anderer Fall liegt vor, wenn ich ein passiv auftauchendes Erinnerungsbild expliziere. Hier kann ich natürlich urteilen, wenn auch mit geringerer Evidenz ‘aus der Erinnerung’.

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  170. Diese Voraussetzung ist nicht immer gegeben. Es ergeben sich auch Erkenntnisinteressen aus prädikativen Zusammenhängen, die sich nicht nach der Gewichtsverteilung der vorprädikativen Erfahrungen richten.

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  171. Husserls Formulierung “Auch im Bereich der Rezeptivität gibt es bereits ein mehrheitliches Betrachten als kollektives Zusammennehmen;” (EU, 292) spricht den Worten gemäß gegen diese Feststellung. Er bezieht sich wohl auf die’ sinnlichen Mehrheitsanzeichen’ wie in Schwärmen, Alleen usw. auf die er in der Philosophie der Arithmetik (Hua XII, Kap. XI) den Begriff der Mehrheit und des Kollektivums aufbaut. In Erfahrung und Urteil hält Husserl zwar noch an diesem Begriff fest, aber es ergibt sich aus dem Kontext (EU, 292 f. vgl. auch EU, 134 und Hua XIX/2, 689 f.), daß diese Zusammennehmung “noch nicht einen Gegenstand” hat, d.h. durch die kategoriale Synthesis des ‘und’ wird erst aus der Vielheit des Kolligierten das eine Kollektivum’ synthetisiert’.

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  172. In der Hinsicht auf die Motivationsgrundlage scheint das Ich durch den vorprädikativen Erwerb völlig gebunden zu sein. Seine Stellungnahmen sind in dieser Hinsicht “völlig unselbständig” (EU, 349). Das Ich muß vor der Möglichkeit der Entscheidung etwas geboten bekommen, wofür oder wogegen es sich entscheiden kann. Dem steht jedoch gegenüber, daß die prädikative Spontaneität auf dem Boden der passiv erworbenen Motivation nur relativ wenig durch die vorprädikative Kenntnis gebunden ist. Nicht nur in dem hier diskutierten Fall des Widerstreits können verschiedene Sachverhalte aus gleichen vorprädikativen Sachlagen erurteilt werden. Vgl. EU, 261 ff., 277, 285 ff.

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  173. Vgl. Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. A. Borowski, R. B. Jachmann und E. A. Ch. Wasianski. Hrsg. von F. Groos, mit einer neuen Einleitung von R. Malter, Darmstadt 1993, S. 234.

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Lohmar, D. (1998). Husserls Theorie der Vorprädikativen Erfahrung. In: Erfahrung und Kategoriales Denken. Phaenomenologica, vol 147. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-5120-7_4

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