Zusammenfassung
Fragen wir nach dem Schicksal der Philosophie in Marxens Denken nach der Abfassung des „Kommunistischen Manifestes“, so bekommen wir einerseits eine sehr klare Antwort: sie sei aufgehoben und durch das Studium der Wirklichkeit ersetzt — andererseits dunkle Andeutungen: sie sei nur noch als „dialektische Methode“ in hintergründiger Rationalität wirksam 1. Sicher ist die Kritik der Philosophie soweit fortgeschritten, dass sie nicht mehr als eigenständige Grösse gelten kann. Sie tritt zurück in die Verborgenheit. Manche Interpreten haben daraus den Schluss gezogen, angeregt von einigen anscheinend antiphilosophischen Bemerkungen, Marx habe die Philosophie eliminiert 2. Soweit können wir nicht gehen. Eine genauere genetische Betrachtung vermag nirgends eine Stelle namhaft zu machen, nach der stichfest beglaubigt wäre, Marx habe grundsätzlich nach 1848 einen ganz neuen Ansatz genommen. Im Gegenteil. Die ökonomischen Darlegungen, wie sie sehr ausführlich in den 1844-Manuskripten vorliegen, werden konsequent über alle weiteren Stationen entwickelt. Das bescheinigt die Manuskriptenmasse, die Marx in den Jahren 1857–1859 für seinen „Rohentwurf“ zum „Kapital“ häufte 3.
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Referenzen
MEW 23 S. 27
Vgl. Manfred Friedrich a.a.O. S. 10 f.: „Wohl ordnen auch wir Marx’ Gedanken um einen Brennpunkt, doch ist für uns dieser Brennpunkt eben gerade die antisystematische, auf die Negation der Philosophie zielende Intention des jungen Marx.“ Analog S. 24.
Der genaue Titel lautet: Grundrisse der Kritik der politischen Oekonomie. Die Bezeichnung „Rohentwurf“ haben wir von den Herausgebern übernommen.
MEW 21 S. 259 ff.
MEGA III 3 S. 383
MEW 29 S. 260
MEW 29 S. 561
MEW 1 S. 109
KMA I S. 506–665
MEW 1 S. 378
MEW 1 S. 499, KMA I S. 507. Vgl. vorne: Teilung der Arbeit
MEW 1 S. 503
MEW 1 S. 512
MEW 4 S. 63 ff.
Vgl. vorne: Der Lebensprozess und die Fundamentalgeschichte Anm. 75
MEW 13 S. 10 f.
MEW 6 S. 397 ff. — Vgl. Hermann Kümhof, Karl Marx und die Neue Rheinische Zeitung in ihrem Verhältnis zur demokratischen Bewegung der Revolutionsjahre 1848/49, Berlin 1961, S. 88 ff
MEW 4 S. 444 ff.
MEW 7 S. 9 ff.
Rohentwurf S. 765 ff.
Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln, MEw 8 S. 4U5 ff.
Lord Palmers ton, MEW 9 S. 353 ff.
MEW 13 S. 3
Rohen t wurf S. 871 f.
MEW 26.1 S. 6
Jürgen von Kempski, Brechungen a.a.O. S. 111
Allein auch innerhalb der ökonomischen Darlegung erweist sich der Begriff des Kapitals äusserst vielschichtig. Bruno Fritsch, a.a.O. S. 66: „Marx entwickelt nicht weniger als fünfzehn (!) Kapitalbegriffe.“ Wie für das Geld muss auch für das Kapital die „Genesis“ herbeigezogen werden, um die Marxsche Deutung zu verstehen. Für die modernen ökonomischen Theorien spielt sie eine zweitrangige Rolle, vgl. Bruno Fritsch, a.a.O. S. 52. Es liegt aber in dieser Ursprungstheorie des Kapitals jenes „ausser-ökonomische“ Moment beschlossen, das unerlässlich ist für seine Interpretation.
Die geschichtliche Bedingtheit der Dialektik wird oft zu wenig gesehen. In einer emanzipierten, eudämonistisch arbeitenden und freien Welt hat eine Dialektik der Negation keinen Platz. Das hat Engels nicht verstanden, sonst wäre er nicht mit seiner „Dialektik der Natur“ hervorgetreten. Positive Lebensvollzüge — also nicht asketische, sondern geniessende und bejahende Arbeiten — bedürften einer positiven Artikulation, die durchaus dialektisch sein könnten, jedoch hat Marx offenbar nicht die Kraft besessen, sie zu konstruieren. Nur mit Vorbehalt können wir der Aussage von Rolf Dahrendorf zustimmen, Marx in Perspektive a.a.O. S. 127: „Dialektik ist für Marx — wie für Hegel — die Eigenschaft des Gedachten selbst. Der Gang der Geschichte ist in sich selbst dialektisch und nur, weil Marx diesen Gang als solchen zu reproduzieren sucht, ist auch sein Erkennen dialektisch.“ Eine Stelle aus dem Rohentwurf illustriert das klare Wissen Marxens um die Differenz zwischen dialektischer Artikulation und Wirklichkeit, S. 217: „Dieser dialektische Entstehungsprozess ist nur der ideale Ausdruck der wirklichen Bewegung, worin das Kapital wird.“
Ludwig Landgrebe, „Das Problem der Dialektik“, in: Marxismusstudien III S. 1 ff.
Hans Barth, Wahrheit und Ideologie a.a.O. S. 73 ff., über die Teilung der Arbeit S. 116 ff.
Kostas Axelos, Marx. Penseur de la technique. De l’aliénation de l’homme à la ronauête du monde, Paris 1961. S. 73
Hugo Fischer, Karl Marx und sein Verhäl tnis zu Staat und Wirtschaft, Jena 1932, S. 31
Friedrich Delekat, „Vom Wesen des Geldes. Theologische Analyse eines Grundbegriffs in Karl Marx: Das Kapital“, in: Marxismusstudien I S. 1954
Jean-Yves Calvez, Karl Marx. Darstellung und Kritik seines Denkens, Olten und Freiburg i.Br. S. 1964, S. 278. In gleicher Weise: Pierre Bigo, Humanisme et économie politique chez Karl Marx, Paris 1953, S. 88 ff.: le capital comme mode de relation humain. Bruno Fritsch, Die Geld- und Kredittheorie von Karl Marx. Eine Darstellung und Kritische Würdigung, Zürich 1954, S. 63
Robert Tucker, Karl Marx. Die Entwicklung seines Denkens von der Philosophie zum Mythos, München 1963, S. 281
Erich Fromm. Das Menschenbild bei Marx a.a.O. S. 46: „Arbeit und Kapital (sind) nicht lediglich ökonomische Kategorien. Sie waren für ihn vielmehr anthropologische Kategorien, die von einer humanistischen Wertung her bestimmt waren.“ Fromm wendet sich klar gegen eine psychologische Deutung der Marxschen Gedanken, S. 21 ff.
Richard Taubes, Abendländische Eschatologie a.a.O. S. 186
Arnold Künzli, Karl Marx a.a.O. S. 587
Henri Lefèbvre, Der dialektische Materialismus a.a.O. S. 76
Theorien über den Mehrwert ITI S. 453, 480 ff.
Rohentwurf S. 189
Theorien über den Mehrwert III S. 454 f.
Vgl. zu dieser Denkform: Theorien über den Mehrwert III S. 480
Theorien über den Mehrwert III S. 480
Rohentwurf S. 363
MEW 23 S. 57 f.
Rohentwurf S. 389: „Nicht die Einheit der lebenden und tätigen Menschen mit den natürlichen, unorganischen Bedingungen ihres Stoffwechsels mit der Natur, und daher ihre Aneignung der Natur — bedarf der Erklärung oder ist Resultat eines historischen Prozesses, sondern die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen des menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein, eine Trennung, wie sie vollständig ersetzt ist im Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital.“
MEW 23 S. 198
MEW 23 S. 229, 327
Rohentwurf S. 389
Vgl. auch Jac. Moleschott, Der Kreislauf des Lebens, Physiologische Antworten auf Liebig’s Chemische Briefe, Mainz 1852. Auch Hegel baut den Stoffwechselprozess in sein Denken ein, spricht er doch vom „Kreis der Ernährung“, Enzyklopädie S. 364
MEW 29 S. 370. Brief vom 24. November 1858
Vgl. Jac. Moleschott, Kreislauf des Lebens a.a.O. S. 19 — S. Rawidowicz, Ludwig Feuerbachs Philosophie a.a.O. S. 331 ff.
MEW 13 S. 473, Brief vom 20. August 1859
MEW 20 S. 472
MEW 29 S. 535. Vgl. dazu Arnold Künzli a.a.O. S. 337
MEW 29 S. 296
MEW 21 S. 278.
Vgl. Hermann Lübbe, Politische Philosophie in Deutschland. stuaien zu inrer Geschichte, Basel/Stuttgart 1963 S. 135
Jac. Moleschott, Physiologie des Stoffwechsels in Pflanzen und Thieren. Ein Handbuch für Naturforscher, Landwirthe und Aerzte, Erlangen 1851, S. XIII
Ebenda S. XV
Ebenda S. III
Ebenda S. XV
Jac. Moleschott, Kreislauf des Lebens a.a.O. S. 184 u.a.
MEW 23 S. 529
Vgl. dazu: Theorien über den Mehrwert II S. 15 f., 134
Z.B. F. W. F. Johnston, Catechism of Agricultural Chemistry and Geology, Edinburgh 1849. Ders.: Lectures and Agricultural Chemistry and Geology, London 1847. — John Frederick Hodges, First Steps to Practical Chemistry, for Agricultural Students, London 1857. D ers.: Lessons on Agricultural Chemistry, L ondo n 1849. — Justus Liebig, Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie, 4. Auflage Braunschweig 1842. — Ueber Agrikulturchemie findet sich noch recht wenig im klassischen Werk von Hermann Kopp, Geschichte der Chemie, Braunschweig 1843–1847, 4 Bände, Bd. 2 S. 124, 188, 132.
Justus Liebig, Chemische Briefe, Leipzig und Heidelberg 1865. Liebig gibt einen Entwurf, der Bodenbearbeitung, Nahrung und Wissenschaft vereint.
Albrecht Timm, Kleine Geschichte der Technologie a.a.O. S. 9
MEW 30 S. 731, Anm. 330
MEW 30 S. 321
MEW 30 S. 320
MEW 23 S. 391 ff
MEW 29 S. 524
MEW 23 S. 392
MEW 23 S. 392
MEW 23 S. 361 f.
Charles Babbage, On the economy of machinery and manufactures, London 1833, S. 6. Deutsche Uebersetzung: Ueber Maschinen- und Fabrikwesen. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. G. Friedberg. Mit einer Vorrede von K. F. Klöbden, Berlin 1833
MEW 25 S. 828
Charles Babbage, Ueber Maschinen- und Fabrikwesen a.a.O. S. 379 ff.
Charles Babbage, Ueber Maschinen- und Fabrikwesen a.a.O. S. 383
Rohentwurf S. 594
MEW 25 S. 826
Vgl. C. F. v. Weizäcker, Die Geschichte der Natur, Göttingen 1958, S. 35 ff.
Jede populäre Darstellung der Marxschen Oekonomie-Deutung muss den Kreislauf erwähnen, siehe Franz Mehring, Karl Marx. Geschichte seines Lebens, Organisationsausgabe der Zentralstelle für das Bildungswesen der DSAP in der CSR, Prag 1933, S. 400 ff. — doch kaum wird er mit Hegels Dialektik zusammen gesehen.
Hans Barth, Wahrheit und Ideologie a.a.O. S. 122 f.
KMA I S. 567
Rohentwurf S. 80, 416
Rohentwurf S. 194
MEW 23 S. 198: „produktive Konsumtion“
KMA I S. 170
MEW 23 S. 591
Vgl. Rolf Dahrendorf, „Ausbildung einer Elite. Die deutsche Oberschicht und
die juristischen Fakultäten“, Der Monat 166, 14. Jahrgang Juli 1962, S. 20
KMA I S. 436
KMA IV S. 426 — Ueber die Entwicklung der Technik aus den Grundlagen des Mittelalters und des Aristotelismus, siehe Friedrich Klemm, „Der Beitrag des Mittelalters zur Entwicklung der abendländischen Technik“, in: Beiträge zur Geschichte der Wissenschaft und Technik, Heft 2, Wiesbaden 1961, S. 16 und 19
KMA IV S. 425
Rohentwurf S. 584 ff. Der Produktionsprozess des Kapitals führt nach Marx konsequent zu einem „automatischen System der Maschinerie“, das seinerseits die „verselbständigte“ Arbeit repräsentiert. In Kapital, Arbeit und Maschinerie sollen eigenständige „Automatismen“ gesetzt werden.
KMA IV S. 440
In einem modifizierten Sinne ist die Technik durchaus „Metaphysik“, worauf Heidegger eindringlich hingewiesen hat.
Marx entwickelt im 13. Kapitel des 1. Bd. des „Kapitals“ mehrfach die Idee des „autamatischen Maschinensystems“, die nach dem Modell des „dialektischen Kreises“ konzipiert ist, vgl. MEW 23 S. 401 ff., 442 ff.
MEW 24 S. 392
KMA V S. 37
KMA V S. 33
Rohentwurf S. 415
KMA IV S. 95
MEW 13 S. 8
MEW 23 S. 25 .
Hegels hermeneutischer Ansatz kehrt wieder in der These von Wilhelm Vatxe und Marx, dass niemand sein Zeitalter überspringe und sich die Menschheit nur Aufgaben stelle, die sie lösen kann. Vgl. MEW 18 S. 9; MEW 17 S. 336
Paul Kägi, a.a.O. S. 367 f.
Paul Kägi, a.a.O. S. 149
Ludwig Landgrebe, Das Problem der Dialektik, Marxismusstudien III S. 51 f.
Ebenda S. 52
MEW 13 S. 8 f.
MEW 13 S. 8
MEW 13 S. 9
MEW 13 S. 9
Rohentwurf S. 30, mit dem Beispiel der „Kunst“ in der „Entwicklung der Gesellschaft“
Heinrich Barth, Erkenntnis der Existenz S. 209 f. Ueber die tiefere Sicht gegenüber Paracelsus, siehe: ders. Philosophie der Erscheinung II S. 95 f.
Vgl. vorne: Mythos, Allegorie und Ironie
Der Unterschied von Gebrauchs- und Tauschwert kann aus der Dialektik herausgelesen werden: der Tauschwert ist die Beziehung eines jeden einzelnen „Momentes“ zur Denkbewegung, der Gebrauchswert die Beziehung des einzelnen Momentes zu sich selbst.
MEW 13 S. 8
MEW 3 S. 534
MEW 19 S. 189 f.
Rohentwurf S. 237
MEGA I 3 S. 530 f., auch abgedruckt in: Studienausgabe II S. 248
Studienausgabe II S. 251
Ebenda II S. 253
Ebenda II S. 252
Ebenda II S. 253
Vgl. vorne: Fixierung, Fixierung des Fixierens
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Wildermuth, A. (1970). Die Philosophie in der Verborgenheit (1848–1883). In: Marx und die Verwirklichung der Philosophie. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-9491-7_3
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