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§ 218 StGB und die Instrumentalisierung der Menschenwürde Schwangerschaftsabbruch und Lebensbegriff aus rechtshistorischer Sicht

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Zusammenfassung

Das Junktim zwischen der rechtlichen Bewertung des foetalen Lebens und dem Abtreibungsverbot nimmt sich aus heutiger Sicht so selbstverständlich aus, daß es fast müßig erscheint, darüber noch zu räsonnieren. So hatte etwa das BVerfG in seiner berühmten „§ 218-Entscheidung“ vom 25. 02. 1975 nachdrücklich die Menschnatur des Fetus hervorgekehrt, um einen Schwangerschaftsabbruch als Tötungshandlung auszuweisen und damit die vom Gesetzgeber ein Jahr zuvor beschlossene Fristenregelung zu Fall zu bringen1. Freilich fiel das Urteil in der Diktion so unklar und in der Begründung so inkonsistent aus, daß es der ihm eigentlich zukommenden rechtsfriedensstiftenden Klärungsfunktion schwerlich gerecht zu werden vermochte. So ist das eine Mal vom „werdenden Leben“ und dann wieder vom „ungeborenen Leben“ die Rede, ohne daß reflektiert worden wäre, daß beide Begriffe Unterschiedliches meinen: „Werdendes Leben“ ist noch kein menschliches Leben, weil es eben erst wird, während „ungeborenes Leben“ bereits menschliches Leben ist2.

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Literatur

  1. BVerfG, 1 ff.

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  2. Zur terminologischen Konfusion vgl. auch G. Jerouschek, Werdendes Leben versus ungeborenes Leben. Zum Schutzgut des § 218 StGB, Goltdammers Archiv 1988, S. 483 ff.

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  3. Vgl. etwa R. Keller, Beginn und Stufungen des strafrechtlichen Lebensschutzes, in: H.-L. Günther; ders. (Hg.), Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik — strafrechtliche Schranken?, Tübingen 1987, S. 111 ff.

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  4. A: Eser, in: Ders. et al. (Hg.): Lexikon Medizin/Ethik/Recht, Freiburg/Basel/Wien 1989, Stichwort „Lebensrecht“, Spalte 669 ff; desgl. ders., in: Schönke/Schröder, StGB-Kommentar München 199124, Rdnr. 12 vor. 211 ff; Rdnr. 5 vor §§ 218 ff.

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  5. P.J.A. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, Gießen 1820, S. 350.

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  6. Ulp. (24 ed.) D. 25, 4, 1, 1.

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  7. Pap. (19 quaest.) D. 35, 2, 9, 1.

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  8. Marcian (Reg. 1) D. 47, 11, 4.

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  9. Freilich deutet sich hierin auch an, daß die „patria potestas“ keine ungebrochene Ordnungsgewißheit mehr war, sonst hätte sich die strafrechtliche Fixierung erübrigt. Daß die Abtreibung der „patria potestas“ unterfiel, ist inzwischen allgemein anerkannt, vgl. etwa M.J. Gorman, Abortion in the Early Church, N.Y. 1982, S. 25, 32; R. H. Feen, Abortion and Exposure in Ancient Greece: Assessing the Status of the Fetus and „Newborn“ from Classical Sources, in W. Bondeson et al. (Hg.): Abortion and the Status of the Fetus, Dordrecht/Boston/Lancaster 1984, S. 283, 285; A. Keller, Die Abortiva in der römischen Kaiserzeit, Diss. rer. nat. Marburg 1987, Stuttgart 1988, S. 27. Die von P. Landau, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1991, S. 505 ff (507) vorgebrachten Gegenargumente sind nicht stichhaltig.

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  10. 2 Mos. 21, 22-25.

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  11. Im einzelnen vgl. hierzu G. Jerouschek, Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, Stuttgart 1988, S. 53 ff; A. Niederhellmann, Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, Berlin/New York 1983, S. 120 f. Die Höherbewertung des weiblichen Geschlechts auch beim Schwangerschaftsabbruch entspricht dabei, anders als P. Landau (wie Anm. 8), S. 507 meint, durchaus den allgemeinen Grundsätzen der leges, vgl. A. Niederhellmann, a. a. O.

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  12. Matth. 1, 19.

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  13. Der Wortführer dieser Fraktion war Terullian, von Hause aus Jurist. Zu Abtreibung und patristischer Sexualmoral vgl. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 31 f, 35 ff.

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  14. Benutzt wurde die Edition von A. Rahlfs, Septuaginta (...), Stuttgart 1952.

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  15. Aristoteles, de generatione animalium, I,71, vgl. die deutsche Übersetzung H. Aubert/F. Wimmer, Aristoteles. Werke. Bd. 3, Leipzig 1860.

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  16. Vgl. die Nachweise bei G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 46 ff.

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  17. Zu Caesarius von Arles vgl. J.-P. Migne (Hg.), Patrologiae Cursus Completus (...) Ecclesiae Latinae, Supplementum Volumen IV. 1 f, Paris 1967, Spalte 263. Zu Regino vgl. G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 10), S. 73 ff. Daß es sich dabei um eine interpretatio Christiana römisch-vulgarrechtlicher Vorgaben handelt, daran ist gegen P. Landau (wie Anm. 8), S. 508 festzuhalten.

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  18. Vgl. hierzu G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 66 ff, 98 ff; wenn P. Landau (wie Anm. 8) S. 509 mir vorhält, ich hätte S. 79 mit dem Poenitentiale Civitatense ein neuzeitliches Produkt für ein mittelalterliches Bußbuch gehalten, so dürfte ihm auch mit diesem Einwand ein Mißgriff unterlaufen sein. Bereits der Herausgeber F.W.H. Wasserschieben, Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, Halle 1851, S. 97 gibt als Textgrundlage für seine Edition eine Inkunabel an, womit schon von daher das Werk ins Mittelalter zu rechnen ist. Die Zuschreibung wird übernommen von J.T. McNeill; H. M. Gammer, Medieval Handbooks of Penance, New York 1938 (Nachdruck 1965), S. 361 ff und C.Vogel, Les „Libri Poenitentiales“, Turnhout 1978, S. 92. Womöglich ist Landau auf die Neuzeit verfallen, weil Wasserschieben a. a. O. ein 1508 im Druck erschienenes anderes Buch des Autors erwähnt.

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  19. Die sog. „Carolina“ ist am einfachsten in der von G. Radbruch/A. Kaufmann besorgten Reclamausgabe Stuttgart 1974 zugänglich.

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  20. Zu dieser von G. Heinsohn/ O. Steiger, Die Vernichtung der weisen Frauen, Herbstein 1985 verfochtenen These vgl. meine Besprechung G. Jerouschek, Des Rätsels Lösung? Zur Deutung der Hexenprozesse als staatsterroristische Bevölkerungspolitik, Kritische Justiz 1986 (4), S. 443 ff.

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  21. Vgl. die Konstitution 4 im 4. Teil „criminalia“. Vgl. auch BVerfGE 39, S. 31.

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  22. Maßgeblichen Anteil hieran hatte die Kommentierung durch den seinerzeit als „Strafrechtspapst“ anerkannten Benedikt Carpzov, vgl. G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 172 ff.

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  23. Von dem berühmten Kirchenlehrer Alfonsus von Liguori wurde beispielsweise argumentiert, da mehr Mädchen als Buben auf die Welt kämen, sei grundsätzlich von 80 Tagen auszugehen, vgl. G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 203 mit Fn. 252.

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  24. Johann Heinrich Berger, Electa Juris-Prudentiae Criminalis (...), Leipzig 1737, S. 112.

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  25. Vgl. hierzu G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anm. 11), S. 243 ff.

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  26. M. Schwarz, Die Kindstötung in ihrem Wandel vom qualifizierten zum privilegierten Delikt, Diss. jur. Heidelberg, Berlin 1935, S. 78, 87.

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  27. J. P. Frank, System einer vollständigen medizinischen Polizei, Bd. 3, Frankenthal 1791, S. 103.

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  28. Zu den Einzelheiten vgl. G. Jerouschek, Lebensschutz (wie Anmerkungen 11), S.275 f.

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  29. Zum Schwangerschaftsabbruch im Nationalsozialismus vgl. die Nachweise bei G. Jerouschek, Vom Wert und Unwert der pränatalen Menschenwürde, JZ 1989 (6), S. 279 ff (284). Ob es vor diesem Hintergrund glücklich war, wenn das BVerfG (wie Anm. 1) seine restriktive Einstellung mit den bitteren Erfahrungen des Nationalsozialismus begründete, womit sich Befürworter einer liberaleren Handhabung der strafrechtlichen Sanktionierung des Schwangerschaftsabbruchs in die Nähe faschistoiden Gedankenguts gerückt sehen können, sei dahingestellt.

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© 1992 Urban und Vogel

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Jerouschek, G. (1992). § 218 StGB und die Instrumentalisierung der Menschenwürde Schwangerschaftsabbruch und Lebensbegriff aus rechtshistorischer Sicht. In: Berg, D., Hepp, H., Pfeiffer, R., Wuermeling, HB. (eds) Würde, Recht und Anspruch des Ungeborenen. Urban und Vogel, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-89935-516-1_8

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