Zusammenfassung
In den achtziger Jahren ist zunächst in den USA, dann auch hierzulande eine Vernachlässigung der emotionalen Dimension sozialen Handelns durch die soziologische Theorie und Forschung moniert worden. In den neunziger Jahren wird in vergleichbarer Weise die Abwesenheit des Körpers in der Soziologie kritisiert. Von „Leibvergessenheit“ (Elisabeth List) und „theoretischer Prüderie“ (Hans Joas) ist die Rede. Die weitgehende Abstinenz der Soziologie gegenüber der leiblichen Dimension sozialen Handelns läßt sich auf- mindestens — zwei Gründe zurückführen. Erstens hat der die modernen Wissenschaften prägende cartesianische Dualismus sicherlich nicht unerheblich dazu beigetragen, die nicht-kognitiven Dimensionen des Handelns aus dem Themenbereich einer Wissenschaft auszugrenzen, die ihren Gegenstand als sinnhaft konstitu-tiert betrachtet. Ein zweiter Grund mag sein, daß es für die Entwicklung des Faches wichtig gewesen ist, sich von organizistischen und biologischen Modellen menschlichen Handelns abzugrenzen. Der Devise folgend, Soziales durch Soziales zu erklären, war es vermutlich naheliegender, sich den Institutionen zuzuwenden als eine Soziologie des Körpers zu versuchen, die sich notgedrungen mit der doppelten Gegebenheit des Körpers befassen muß: als Objekt kultureller Formung und als Erfahrungsdimension, die den Menschen immer wieder an seine Kreatürlichkeit erinnert.
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Literatur
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Meuser, M. (1999). Der Körper und die soziale Konstruktion von Wirklichkeit. In: Schwengel, H., Höpken, B. (eds) Grenzenlose Gesellschaft?. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-862-7_6
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