Zusammenfassung
Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch entsteht auch, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer bezieht. Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit dem 31.03. des Folgejahres tritt nicht ein. (amtlicher Leitsatz) … Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend und mit überzeugender Begründung erkannt, dass der Klägerin gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ein Urlaubsabgeltungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht.
Mit Hinweisen von Prof. Dr. Dr. Siegfried Schwab, Mag. rer. publ., unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (DH) Silke und Referendarin Heike Schwab.
Das Motiv des gesamten Gesetzes wird in der Vorschrift mit der Verwendung des Begriffs „Erholungsurlaub“ umschrieben, vgl. Holthaus, in Däubler, Arbeitsrecht § 1 BUrlG, RN 7. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den bei ihm beschäftigten AN für eine bestimmte Dauer im Jahr von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen, um ihm Gelegenheit zur selbstbestimmten Erholung zu geben. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub (§ 1 BUrlG) freigestellt (nach Hohmeister in HK-BUrlG, § 1 RN 10 eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis), kann er den Arbeitnehmer nicht aufgrund einer Vereinbarung aus dem Urlaub zurückrufen. Eine solche Abrede verstößt gegen zwingendes Urlaubsrecht und ist rechtsunwirksam (§ 13 BUrlG). Der Urlaubsanspruch ist ein gesetzlich bedingter Anspruch (zweckgebundener Anspruch, Lampe, in Rolfs, u. a. Beck’scher Online Kommentar, § 1 RN I) nämlich an Erholung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den durch den Arbeitsvertrag entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird, Lampe, in Rolfs, u. a. Beckscher Online Kommentar, § 1 BUrlG, RN 1. Für die Dauer des Urlaubs entsteht mithin kein neuer Entgeltanspruch. Der Arbeitnehmer behält vielmehr seinen vertraglichen Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB. Das Urlaubsentgelt als Arbeitsentgelt, das während des Urlaubs des Arbeitnehmers gezahlt wird, ist daher ebenso wie dieses und im gleichen Umfang pfändbar. Für das Entstehen, den Bestand und die Erteilung des Urlaubs kommt es auf ein konkretes Erholungsbedürfnis des AN und die Art der Gestaltung seiner Freizeit jedenfalls im Rahmen der von § 8 gesetzten Grenzen nicht an (BAG 18.03.2003 AP BUrlG § 3 Rechtsmissbrauch Nr. 17). Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers entsteht nach Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit zum 01.01. eines Jahres auch dann, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig ist. Der Urlaubsanspruch ist höchstpersönlicher Natur, Hohmeister, a.a.O., RN 12. Der Urlaubsanspruch, d. h. nach obiger Definition der Anspruch auf Befreiung von der in einem ArbVerh. geschuldeten Arbeitspflicht, ist nicht vererblich. Die Arbeitspflicht endet mit dem Tod des AN, und deshalb erlischt mit dem ArbVerh. auch der Urlaubsanspruch, BAG, Urteil vom 18.07.1989 — 8 AZR 44/88. Der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach einem sechsmonatigen Bestand des Arbeitsverhältnisses, wie § 4 BUrlG regelt. Abweichende Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers sind in Tarifverträgen und Arbeitsverträgen möglich. Für die Fristberechnungen gelten die §§ 186 BGB ff. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern die Arbeitsaufnahme, auch wenn diese erst im Laufe eines Tages erfolgt. Abgeltung eines Urlaubsanspruchs — Erfillung. Der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehende Urlaubsanspruch ist abzugelten, wenn er wegen der Beendigung nicht mehr gewährt werden kann, BAG, Urteil vom 20.01.2009, 9 AZR 650/07. Das deutsche Arbeitsrecht enthält für die Entstehung des Urlaubsanspruchs keine Fälligkeitsregelung. Deshalb kommt § 271 Abs. 1 BGB zur Anwendung. Danach kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken, wenn eine Leistungszeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Dörner, a.a.O. RN 21, folgert daraus, er nach Ablauf der Wartezeit und, wenn diese bereits in der Vergangenheit erfüllt worden ist, mit Beginn der Arbeitspflicht im neuen Kalenderjahr mit seiner Entstehung fällig ist. Seit dem 01.01.1995 beträgt der ges. Urlaub 24 Werktage = 4 Wochen, wie es die EWG-Richtlinie 93/104, jetzt RL 2003/88/EG verlangt. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt. Für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tariflichen Ansprüchen unterscheidet, müssen deutliche Anhaltspunkte bestehen. Lösen sich die Tarifvertragsparteien in weiten Teilen durch eigenständige Regelungen vom gesetzlichen Urlaubsregime, ist i.d. R davon auszugehen, dass sie Ansprüche nur begründen und fortbestehen lassen wollen, soweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht. Der schwerbehindertenrechtliche Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmt sich nach den Regeln des Mindesturlaubs der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG. Der Zusatzurlaub ist nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses auch dann abzugelten, wenn er nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer über die Übertragungsfrist des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG hinaus arbeitsunfähig erkrankt war.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2012 Centaurus Verlag & Media UG
About this chapter
Cite this chapter
Arbeiter, M., Bühring, W., Höche, R., Schwab, S., Stihl, H. (2012). Der gesetzliche Mindesturlaub entsteht auch, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer bezieht. In: Arbeiter, M., Bühring, W., Höche, R., Schwab, S., Stihl, H. (eds) Die Zukunft aktiv gestalten II. Mannheimer Schriften zur Verwaltungs- und Versorgungswirtschaft. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-859-7_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-859-7_9
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-86226-055-3
Online ISBN: 978-3-86226-859-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)