Zusammenfassung
Mit dem Inkrafttreten des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) am 01.01.2008 wurde der Behandlungsauftrag als Ziel des Strafvollzugs — neben dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten — gestärkt. Ob eine sozialtherapeutische Behandlung von Strafgefangenen per Gesetz vorgeschrieben werden dürfe und ob dies zweckhaft sei, wurde und wird heftig in der Fachwelt diskutiert. Während Gegner im Behandlungsauftrag eine Missachtung des grundsätzlichen Persönlichkeitsrechts der Inhaftierten und der kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen delinquenten Verhaltens sehen, halten Befürworter intramuraler psychotherapeutischer Interventionen das Bild „des hilfebedürftigen Straftäters“ (Dahle, 1995, S. 13) hoch, den widrige Umstände in seiner bisherigen Persönlichkeitsentwicklung hinderten und eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft zum Scheitern verurteilten. Eine Lösung dieser Kontroverse scheint mit Therapiemotivation als Auswahlkriterium für die Teilnahme an sozialtherapeutischen Maßnahmen gefunden. Dieser Logik folgend sieht der bayerische Gesetzgeber in Art. 11 Abs. 3 BayStVollzG vor Initiierung einer intramuralen Behandlung die Prüfung und Steigerung der Therapiemotivation vor. Die Forderung nach einer Behandlungsmotivation, die aus Krankheitseinsicht entsteht, geht über den Anspruch des Gesetzgebers hinaus. Zieht man Krankheitseinsicht als Grundlage für Therapiemotivation und demzufolge für eine sozialtherapeutische Behandlung heran, erliegt man einer Aporie. Ich-Syntonie und damit impliziert mangelnde Einsicht in die eigene Problematik gilt (1) für verschiedene psychische Störungen als symptomatisch und drückt sich (2) bei einem großen Anteil von Sexualstraftätern durch das Fehlen eines adäquaten Erklärungsmodells für die eigene Delinquenz aus. Gleichzeitig wird eben dieser Mangel an Einsicht als Gegenindikation für Sozialtherapie gewertet. Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma kann in einer der Sozialtherapie im engeren Sinn vorgeschalteten Phase liegen, die explizit dem Motivationsaufbau dient.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Abel, G. G., Gore, D. K., Holland, C. L., Camp, N., Becker, J. V. & Rahtner, J. (1989). The measurement of the cognitive distortions of child molesters. Annals of Sex Research, 2, 135–153.
Bortz, J. (2005). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (6. Aufl.). Heidelberg: Springer.
Dahle, K.-P. (1995). Therapiemotivation hinter Gittern. Zielgruppenorientierte Entwicklung und Erprobung eines Motivationskonstrukts für die therapeutische Arbeit im Strafvollzug. Regensburg: Roeder.
Dessecker, A. (2001). Rechtsgrundlagen der Sanktionierung „gefährlicher“ Straftäter. In G. Rehn, B. Wischka, F. Lösel, F. & M. Walter (Hrsg.). Behandlung „gefährlicher Straftäter“. Grundlagen, Konzepte, Ergebnisse (2. überab. Aufl.). Herbolzheim: Centaurus, 11–25.
Gerger, H, Kley, H., Bonner, G. & Siebler, F. (2007). Akzeptanz moderner Mythen über sexuelle Aggression (AMMSA) [Online]. Verfügbar unter: http://www.uni-bielefeld.de/psychologie/ae/AE05/AMMSA/AMMSADeutsch.pdf [1-06-2010]..
Gerger, H., Kley, H. Bohner, G. & Siebler, F. (2007). The Acceptance of Modern Myths About Sexual Aggression (AMMSA) scale: Development and validation in German and English. Aggressive Behavior, 33, 422–440.
Hautzinger, M., Bailer, M., Worall, H. & Keller, F. (1995). Beck-Depressions-Inventar (BDI). Bern: Huber.
Kochenstein, P. (2002). Ratgeber Sexualität (3. Auflage). Rieden: Klinkhardt.
Kolton, D. J. C., Boer, A. & Boer, D. P. (2001). A revision of the Abel and Becker Cognition Scale for intellectual disabled sexual offenders. Sexual Abuse: A Journal of Research and Treatment, 13, 217–219.
Lehrl, S. (1999). Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest MWT-B. Balingen: Spitta.
Lutz, B. (2008). Konzept der Sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter der JVA St. Georgen-Bayreuth. Unveröffentlichtes Manuskript.
Miller, W. R. & Rollnick, S. (2002). Motivational Interviewing. Preparing people for change (2nd ed.). New York: The Guilford Press.
Nüblinger, R., Schulz, H., Schmidt, J., Koch, U. & Wittmann, W. W. (2006). Fragebogen zur Erfassung der Psychotherapiemotivation (FPTM) — Testkonstruktion und Gütekriterien. In R. Nüblinger, F. A. Muthny & J. Bengel. (Hrsg.). Rehabilitation und Behandlungserwartung (S. 252–270). Bern: Huber.
Richter, K. & Dalbert, C. (2004). Fragebogen zur Erfassung von Empathie bei Sexualstraftätern (FEES) — eine Pilotstudie [Online]. Verfügbar unter: http://erzwiss.unmalle.de/gliederung/paed/ppsych/sdsexstraf.pdf [1-10-2008].
Schneider, W. Baseler, H.-D. & Beisenherz, B. (1989). Fragebogen zur Messung der Psychotherapiemotivation (FMP). Manual. Weinheim: Beltz Test.
Schulz, H., Lang, K., Nübling, R. & Koch, U. (2003). Psychometrische Überprüfung einer Kurzform des Fragebogens zur Psychotherapiemotivation — FPTM-23. Diagnostica, 49, 83–93.
Schwanengel, M. F. (2006). Evaluation eines Empathie trainings für Sexualstraftäter. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Alexander Universität Erlangen — Nürnberg.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2013 Centaurus Verlag & Media UG
About this chapter
Cite this chapter
Döhla, C.M., Feulner, F. (2013). Motivationsarbeit in der rückfallpräventiven Behandlung von Sexualstraftätern. In: Wischka, B., Pecher, W., van den Boogaart, H. (eds) Behandlung von Straftätern. Studien und Materialien zum Straf- und Massregelvollzug, vol 26. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-849-8_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-849-8_10
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-86226-140-6
Online ISBN: 978-3-86226-849-8
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)