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Die „Anfangsjahre der Führungsaufsicht“

Empirische Daten und theoretische Perspektiven zur Entwicklung einer umstrittenen Institution Erinnerungen an Diskussionen auf einem ‚Nebengleis‘ der Kriminalpolitik

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Sozialpädagogik und Strafrechtspflege

Zusammenfassung

Am 01. Januar 1975 wurde in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Institution der ’Besserung und Sicherung’ eingeführt: Die Führungsaufsicht, eine Art ’Bewährungshilfe’ für Straftäter mit negativer ’Legal-Prognose’. Als eine der vielen Neuerungen des ’Zweiten Gesetzes zur Großen Strafrechtsreform’ verbanden sich mit dieser Führungsaufsicht insbesondere zwei Zielvorstellungen: Wiedereingliederung besonders schwieriger Straftäter und Schutz der Öffentlichkeit von ihnen. Doch selbst nach vielen Jahren praktischer Erfahrung sind die grundlegenden Konflikte und unterschiedlichen Standpunkte, die für die Entwicklung und Gestaltung dieser Institution von Anfang an kennzeichnend waren, bis heute noch immer nicht überwunden (vgl. hierzu u.a. Dertinger/Marks 1990 und Lemke/Vetter 1992).

Der hier vorliegende Beitrag greift in erster Linie auf Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zurück, die vor nunmehr fast 10 Jahren abgeschlossen wurde und die damals eine Art erster Versuch war, die Führungsaufsicht anhand der Entwicklung ihrer Klientel am Beispiel einer Großstadt (Köln) empirisch zu evaluieren (vgl. Brusten 1986) — zehn Jahre nach Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze. Dennoch: ein Beitrag, der auf derartig ’altes Material’ zurückgreift, bedarf hierzu einer gesonderten Begründung. Diese könnte darin bestehen, daß die ersten zehn Jahre der Institution Führungsaufsicht die für sie entscheidenden Weichen gestellt haben und daß daher nachfolgende Untersuchungen und Debatten wenig Neues erbracht haben. Doch liegt der Hauptgrund für den Rückgriff auf die Zeit von 1975–1985 in diesem Fall ganz anders. Es sind vor allem die Erinnerungen an lebhafte akademische Auseinandersetzungen mit Max Busch, zu dessen Ehre die hier vorliegende Gedächtnisschrift herauskommt, in dem dieser Beitrag veröffentlicht wird. Es sind die Erinnerungen an den Sozial-Pädagogen Max Busch, der mit großem Engagement für die Integration von Sozialarbeit und Sozialpädagogik in der Strafrechtspflege eintrat und für den weitgehenden Ersatz von Strafmaßnahmen, sozialem Ausschluß und Einkerkerung durch Maßnahmen professioneller Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Die damals neugeschaffene ’Führungsaufsicht’ als Abkehr von der ehemaligen ’Polizeiaufsicht’ und Alternative zur stationären Verwahrung psychisch Auffälliger war daher für ihn ohne Zweifel zumindest ein Schritt ’in die richtige Richtung’, auch wenn er die hier näher beschriebenen immanenten Gefahren dieser Institutionalisierung von Führungsaufsicht sicherlich nicht verkannte. Aber mit Max Busch konnte man darüber fruchtbar streiten; daher dieser Beitrag zu seinem Gedenken.

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Josef Maria Häußling Richard Reindl

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© 1995 Centaurus Verlag & Media UG

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Brusten, M. (1995). Die „Anfangsjahre der Führungsaufsicht“. In: Häußling, J.M., Reindl, R. (eds) Sozialpädagogik und Strafrechtspflege. Schriftenreihe für Delinquenzpädagogik und Rechtserziehung. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-468-1_9

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  • Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim

  • Print ISBN: 978-3-89085-982-8

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