Zusammenfassung
Das Problem des Ortes von und der Beziehung zwischen Vernunft und Sinnlichkeit hat bis heute die Philosophiegeschichte zentral bewegt. Doch um die Frage nach einer geschlechtlichen oder geschlechtsunabhängigen Vernunft diskutieren zu können, kommen wir nicht um die Notwendigkeit einer Eingrenzung und Bestimmung der differenten Sinnlichkeitsbereiche zwischen den Geschlechtern herum. Das Gewissen als Zentrum menschlicher Persönlichkeit und als zentrale Instanz menschlichen Handelns verbindet Vernunft und Sinnlichkeit miteinander, läßt beide Bereiche ineinandergreifen, wenn es um Entscheidungen in den Fragen der Wahrheit, des Guten oder Bösen geht. Da es somit keine unabhängige Kraft darstellen kann, sondern, eingebunden in beide Bereiche, in deren Abhängigkeit steht, stellt sich die Frage nach einem geschlechtsspezifischen Gewissen. Im Zusammenhang mit der aktuellen Moral-und Gerechtigkeitsdiskussion wird hier der Begriff des männlichen bzw. weiblichen Gewissens in den Brennpunkt der Betrachtung gestellt, einer Kraft, die Genealogien begründet und aufrecht erhält. In Abgrenzung zur psychoanalytischen Ausdeutung der männlichen Gewissensstruktur geht es in dieser Ausarbeitung um die weibliche in der Mutter-Tochter-Beziehung. Neben dem traditionell männlich besetzten Vernunftbegriff zeigt sich anhand hiesiger Analyse der mythologischen Figur der Erinyen ein weiblich bestimmter Gewissensbegriff, in dessen Dienst rationales Agieren steht. Das Desiderat einer für beide Geschlechter allgemein verbindlichen (Gewissens-)Vernunft kann erst nach eingehenden geschlechtsspezifischen Analysen des Verhältnisses von Vernunft und Sinnlichkeit zu erfüllen versucht werden. Erst von solchen fundamentalen Untersuchungen ausgehend, können wir die Frage nach einem wahren Subjektbegriff für beide Geschlechter stellen, welcher wiederum als ein ‘leibgeistiger’ zu erarbeiten wäre.
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Literatur
Gilligan, Carol: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau, München 1993.
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Meyer-Schubert, A. (1995). Das weibliche Gewissen. Zum Problem der Ungeschichtlichkeit des Mutterbildes. In: Rationalität, Gefühl und Liebe im Geschlechterverhältnis. Soziologische Studien. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-452-0_15
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