Zusammenfassung
Diese Worte erscheinen ihrem Autor, George Kubler, deshalb so selbstverständlich, weil sie eine grundlegende Konzeption der modernen Ästhetik wiederaufgreifen, die bereits Kantin einer bcrühmten Passage der Kritikder Urteilskraft von 1791 formuliert hat. Durch die Verbindung der Idee der ästhetischen Erfahrung mit „Interesselosigkeit“ bringt Kant das Ästhetische in einen Gegensatz zu Moral und instrumenteller Vernunft. Das ästhetische Wohlgefallen an der Kunst (wie auch der Natur) stellt einen Zweck an sich dar, der zu seiner Rechtfertigung keines Bezugs auf weitere Zwecke bedarf. Die künstlerische Tätigkeit ist ebenso „Spiel, d.i. Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist.“2 Sie repräsentiert eine Ausübung persönlicher Autonomie, die durch kein äußeres Ziel reglementiert wird, wie dies bei gewöhnlichen Produzenten durch den Zwang der Lohnarbeit oder bei ihren Meistern durch andere wirtschaftliche Interessen der Fall ist. Daher muß die „schöne Kunst“ nach Kants Definition in einem doppelten Sinne frei sein, so „daß das Gemüt sich zwar beschäftigt, aber dabei doch, ohne auf einen andern Zweck hinauszusehen (unabhängig vom Lohne), befriedigt und erweckt fühlt“, und „daß sie nicht, als Lohngeschäft, eine Arbeit sei, deren Größe sich nach einem bestimmten Maßstabe beurteilen, erzwingen oder bezahlen läßt.“3
„Wir sprechen nur dann von einem Kunstwerk, wenn es nicht überwiegend instrumentellen Nutzen hat und wenn es nicht vorrangig technisch oder rational begründet ist“.1
Übersetzung aus dem Englischen Immanuel Stieß
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Literatur
Immanuel Kant (1974): Kritik der Urteilskraft, Frankfurt, S. 238
Immanuel Kant (1974): Kritik der Urteilskraft, Frankfurt, S. 259
Zur Diskussion der Komplexität der ideologischen Gegensätze zwischen Kunst und Kommerz am Ausgang des 18. Jahrhunderts vgl. Paul Mattick, „Art and Money“, in: Paul Mattick (Hg.) (1993): Eighteenth-Century Aesthetics and the Reconstruction of Art, New York, S. 152–177; und Martha Woodmansee, „‘Art’ as a Weapon in Cultural Politics: Rereading Schiller’s Aesthetic Letters“, in: ebd., S. 178–209
G.W.F. Hegel (1986): Vorlesungen über die Ästhetik, Frankfurt, Bd. 1, S. 21
Raymond Williams (1960): Culture and Society, 1780–1950, Garden City; dt.: Gesellschafts-theorie als Begriffsgeschichte. Studien zur historischen Semantik von „Kultur“, übers. v. Heinz Blumensath, München 1972, S. 62
Théophile Gautier (1835): Mademoiselle de Maupin, engl. v. Joanna Richardson, Harmondsworth 1981, S. 39 (eigene Übersetzung, I.S.)
Charles Baudelaire (1983): Sämtliche Werke/Briefe, hg. v. Friedhelm Kemp u. Claude Pichois i. Zus. mit Wolfgang Drost, München/Wien, Bd. II, S. 318. Lediglich in Poes Trunksucht entdeckt Baudelaire etwas Amerikanisches, die er als ein Trinken „mit durchaus amerikanischer Geschäftigkeit und Zeitersparnis“ beschreibt (355).
Charles Baudelaire (1983): Sämtliche Werke/Briefe, hg. v. Friedhelm Kemp u. Claude Pichois i. Zus. mit Wolfgang Drost, München/Wien, Bd. V, S.223.
Vgl. Paul Mattick, „Beautiful and Sublime: ‘Gender Totemism’ and the Constitution of Art“, in: Peg Brand and Carolyn Korsmeyer (Hg.), Feminism and Tradition in Aesthetics, University Park 1995.
Meyer Schapiro (1937): The Nature of Abstract Art, in: Modern Art: 19th and 20th Centuries, New York, S.207 (eigene Übersetzung, I.S.)
Zitiert (ohne Angabe von Autorin oder Originalpublikation) in Christina Lodder (1983): Russian Constructivism, New Haven, S. 133 (eigene Übersetzung, I.S.)
G.W.F. Hegel (1986): Vorlesungen über die Ästhetik, Frankfurt, Bd. II, S.269, 271
Le Corbusier (1922): Ausblick auf eine neue Architektur, dt v. Hans Hildebrandt (überarb. v. Eva gärtner), Braunschweig/Wiesbaden 1982, S.21. Eine weitere Fassung dieser Idee Le Corbusiers verdient es, zitiert zu werden: Architektur ist etwas, „was einen Gedanken verrät. Ein Gedanke, der ohne Worte oder Töne, allein durch die geometrischen Körper klar wird, die in bestimmten Maßverhältnissen zueinander stehen… Ihre Beziehungen untereinander haben nichts gemein mit praktischen durch Worte zu beschreibenden Bedürfnissen.“ Ebd., S.151.
Auch Walter Gropius vertrat bei einem Vortrag vor einem englischen und amerikanischen Publikum über den Geist des Bauhauses die Ansicht, daß „Standardisierung kein Hindernis für die Entwicklung der Zivilisation darstellt, sondern im Gegenteil eine ihrer unmittelbaren Voraussetzungen.“ Sie „eliminiert die persönlichen Eigenarten ihres Gestalters und alle anderen unwesentlichen und ihr nicht gemäßen Eigenschaften.“ Walter Gropius (1935): The New Architecture and the Bauhaus, Boston, S.34 (eigene Übersetzung, I.S.)
Le Corbusier (1929): Städtebau, übers. u. hrsg. v. Hans Hildebrandt, Stuttgart/Berlin/Leipzig, S.88. Vgl. Robert Fishman (1977): „From the Radiant City to Vichy: Le Corbusier’s Plans and Politics, 1928–1942“, in: Russel Walden (Hg.): The Open Hand. Essays on Le Corbusier, Cambridge, S.244–283. Die „Strahlende Stadt“ von 1935, die Le Corbusier nach seinen enttäuschenden Erfahrungen mit der fehlenden Unterstützung durch Kapitalisten entwarf, brachte ihn in die Nähe von Syndikalismus und Faschismus. Sie wies egalitäre Wohnbereiche auf, jedoch blieben die Entscheidungsprozesse in einer Kommandozentrale zusammengefaßt, für die ein eigenes Gebäude vorgesehen war.
Le Corbusier: Brief an A.V. Lunatscharsky vom 13. März 1932 (Fondation Le Corbusier), zitiert nach Jean Louis Cohen (1981): Le Corbusier and the Mystique of the U.S.S.R, in: Oppositions 23,84–121, S.112 (eigene Übersetzung, I.S.). Ausführliche Beziehungen Le Corbusiers zur Sowjetunion vgl. J.L. Cohen (1992): Le Corbusier and the Mystique of the U.S.S.R. Theories and Projects for Moscow, Princeton.
Margarita Tupitsyn: „Fragmentierung versus Totalität. Grundsätze zu Bildeinheit und Bildverfremdung“, in: Bettina-Martine Wolter/Bernhart Schwenk (Hg.): Frankfurt: Schim-Kunsthalle 1992, S. 199–207.
Ivan Puni (1919): Sovremenye gruppirovki v russkom levom iskusstve, in: Iskusstvo kommuny 19, S.3, zitiert in C. Lodder, Russian Constructivism, S.48 (eigene Übersetzung, I.S.)
Bemerkung anläßlich einer Diskussion über das Konzept der Konstruktion in der Allgemeinen Arbeitsgruppe für Objektive Analyse des INChUK (Institut für künstlerische Kultur); zitiert in Selim O. Khan-Magomedov (1987): Rodchenko: The Complete Work, Cambridge, S.84 (eigene Übersetzung, I.S.)
Selim O. Khan-Magomedov (1987): Rodchenko: The Complete Work, Cambridge, S.87 (eigene Übersetzung, I.S.)
Selim O. Khan-Magomedov (1987): Rodchenko: The Complete Work, Cambridge, (eigene Übersetzung, I.S.)
Alexander Vesnin (1975): Kredo, in: Mikhail Barkin/Yuri Yaralov (Hg.): Mastera Sovetskoi arkhitektury ob arkhitekture, Moskau, Bd. 1, S.14, zitiert in J.-L. Cohen (1992): Le Corbusier and the Mystique of the U.S.S.R. Theories and Projects for Moscow, Princeton, S.32 (eigene Übersetzung, I.S.)
Z.B. erklärte Tatlin in seinem Text von 1920: “Unsere bevorstehende Aufgabe: Wir glauben nicht mehr mit dem Auge, wir stellen das Auge unter die Kontrolle des Tastsinns…(Daher ist es Zeit,) mit der künstlerischen Gestaltung der Materialkombinationen aus Eisen und Glas zu beginnen, da dies die klassischen Materialien unserer Zeit sind, die im Hinblick auf ihre künstlerische Disziplin mit dem Material der Vergangenheit, dem Marmor, wetteifern.” In: Larissa Alexejewna Shadowa (Hg.) (1984): Tatlin, dt. v. Hannelore Schnör-Weichenhain, Dresden/Weingarten, S.258.
Nikolai Tarabukin (1983): From the Easel to the Machine, engl. v. C. Lodder, in: F. Frascina/C. Harrison (Hg.): Modern Art and Modernism, London.
Stellungnahme der Ersten Arbeitsgruppe der KonstruktivistInnen aus dem Katalog der Ersten Diskussionsausstellung der Vereinigungen der aktiven revolutionären Kunst 1924; in: J.E. Bowlt (Hg.): Russian Art of the Avant-Garde, S.241.
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Mattick, P. (1995). Kunst im Zeitalter der Rationalisierung. In: Aulenbacher, B., Siegel, T. (eds) Diese Welt wird völlig anders sein. Soziologische Studien. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-386-8_4
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