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Sicherheit als theoretisches Konstrukt

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Biographische Sicherheit im Wandel?
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Auszug

Sicherheit (lat. securitas) wird umgangssprachlich meist synonym mit Gewissheit gebraucht und steht nach Makropoulos ursprünglich für den „Seelenzustand, der als Freiheit von Schmerz und Unwohlsein die Voraussetzung eines glücklichen Lebens ist“ (Makropoulos, 1995: 745).14 Historisch betrachtet taucht der Begriff schon in der Antike auf. Hier findet er überwiegend positive Verwendung und bezieht sich — in Form eines „Schutzgedankens“ — sowohl auf die subjektive Gefühlslage als auch auf verschiedenste politische Sphären (vgl. ebd.). Zu Beginn der europäischen Neuzeit wird unter Sicherheit — im Rahmen der politischen Diskussion — zusätzlich das zu fördernde Wohl des Bürgers verstanden (vgl. ebd., 747).15 Und insbesondere vor dem Hintergrund der beschleunigten Modernisierung seit dem 19. Jahrhundert beschreibt Sicherheit nicht mehr einen Zustand der Gefahrlosigkeit, sondern es geht vornehmlich um „die Vergewisserung zuverlässigen Schutzes angesichts bestehender oder möglicher Gefahren für bestimmte materielle oder immaterielle Güter und die daraus folgende Beruhigung“ (Kaufmann, 2003: 123). Diese Beschreibung impliziert eine in die Zukunft gerichetet Perspektive, die für das moderne Verständnis des Begriffes konstitutiv ist (vgl. Makropoulos, 1995: 746).

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Literatur

  1. Sicherheit und Gewissheit bzw. Unsicherheit und Ungewissheit werden in dieser Untersuchung synonym verwendet, und zwar bezogen auf die erkenntnismäßige Ebene. Auch wenn die Begriffe im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch häufig unterschieden werden — z.B. in dem Sinne, dass mit (Un-)Sicherheit die soziale Perspektive eines Phänomens beschrieben wird, mit (Un-)Ge-wissheit eher die erkenntnismäßige Ebene (vgl. Bonß, 1995: 35) — so werden sie hier gleich verwendet, da in einer Vielzahl von Quellen diese Differenzierung nicht vorgenommen wird.

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  2. Hier geht es nicht mehr allein um die „Bedingung der Möglichkeit bloßer Selbsterhaltung“, vielmehr bekommt die allgemeine Wohlfahrt, als Leitkriterium der sozialen Steuerung, eine herausragende Bedeutung (Makropoulos, 1995: 748).

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  3. Vgl. z.B. Beck, 1986, Perrow, 1987, Schneider, 1991.

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  4. Vgl. hierzu z.B. Kaufmann, 1970, Evers/Nowotny, 1987, Wohlrab-Sahr, 1993, Bonß, 1995, 1996, 1997, Beck/ Bonß, 2001. Bechmann z.B. differenziert zwischen verschiedenen Konzeptionen in der Unsicherheits-bzw. Risikoforschung, dem formal-normativen Ansatz, dem psychologisch-kognitiven und dem kulturell-soziologischen Ansatz (vgl. Bechmann, 1993: IXff).

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  5. Kaufmann, 2003: 11, vgl. auch Kaufmann, 1970: 36.

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  6. Von Cube beschreibt in seinem verhaltensbiologischen Ansatz das Streben nach Sicherheit sogar als einen universalen „Trieb“ des Menschen, der sogar soweit geht, dass der Mensch bewusst Risiken eingeht, die „Grenzen des Reviers“ überschreitet, um seine Sicherheit zu erhöhen (Cube, 1990: 10f.). „Der Mensch sucht das Risiko auf, um Sicherheit zu gewinnen!“ (ebd.). Und Znaniecki kommt zu dem Schluss, dass sich das menschliche Verhalten auf vier Grundbedürfnisse zurückführen lasse, nämlich die „nach neuem Erleben, nach Überlegenheit, nach Anerkennung und nach Sicherheit“ (Znaniecki, zitiert nach Kaufmann, 2003: 117).

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  7. Allerdings ist nach Bonß nichtsdestotrotz „die ‚Umdefinition’ von Unsicherheiten in Sicherheiten bzw. Sicherheitsfiktionen sogar eher die Regel als die Ausnahme, und zwar nicht nur bei sozialen und ökonomischen, sondern auch bei technischen Risiken. Denn hier wie dort gibt es zahlreiche Fälle, in denen ‚sichere’ Handlungszusammenhänge entgegen den Idealen der Gefahrenbeseitigung nur unter der Voraussetzung einer selektiven Wahrnehmung faktischer Unsicherheiten entstehen können“ (Bonß, 1997: 23).

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  8. Denn z.B., so Luhmann, „auch wenn schon feststünde, ob künftig eine Seeschlacht stattfinden wird oder nicht, könnten gegenwärtig Wahrheitswerte wahr bzw. unwahr einer Aussage darüber nicht zugeordnet werden“ (Luhmann, 1984: 141).

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  9. Hier stimmt er — wenn auch in einer anderen Terminologie — mit Schütz und Luckmann darin überein, dass die Auslegungstiefe und-breite von Typisierungen — die die Basis von Erwartungsstrukturen bilden-pragmatisch nur insoweit vorangetrieben wird, wie es die Bewältigung der Situation erfordert (vgl. Schütz/ Luckmann, 1975: 30ff.).

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  10. Vorhersehbaren aversiven Ereignissen, so auch die Annahme der sozialpsychologischen Theorie der kognizierten Kontrolle, wird weniger Aufmerksamkeit gezollt und löst weniger Stress aus (vgl. hierzu z.B. Frey, 1978).

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  11. Zur begrifflich-konzeptionellen Entscheidung für eine Eindeutigkeits/ Mehrdeutigkeits-Dimension siehe auch Zinn/ Eßer 2001.

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  12. Nach Schütz und Luckmann sind die Erwartungsstrukturen — sie nennen sie das „Fraglose“ — Horizonte der bestimmbaren Unbestimmtheit, insofern dass der Mensch das Fraglose erlebt „als einen Kern der schlichten inhaltlichen Bestimmtheit, dem ein unbestimmter und folglich nicht in gleicher Schlichtheit vorliegender Horizont mitgegeben ist“ (Schütz/ Luckmann, 1975: 27).

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  13. Nach Kaufmann und Bonß ist ein Mindestmaß an Gewissheit die Grundvoraussetzung für jegliches Handeln. Denn, so Bonß, „Handeln ist nur möglich, wenn sich die Welt als erwartbar stabil darstellt und nicht permanent als auch anders möglich erscheint“ (Bonß, 1997: 25, vgl. auch Kaufmann, 1970: 153). Kühnlein beispielsweise stellt in ihrer Untersuchung von Klientinnen nach Abschluss einer stationären Psychotherapie fest: „Nicht zu wissen, was die erlebten Phänomene bedeuten und wie alltägliche Handlungsanforderungen zu bewältigen sind, wird als zentrales, nicht selten sogar lebensbedrohliches Moment interpretiert: ‚Für mich hat es nur noch das eine gegeben, entweder so [in therapeutischer Behandlung] oder langsam krepieren’“ (Kühnlein, 1995: 201). Entscheidend für die Handlungsfähigkeit ist nach Kühnlein, dass Phänomene in einer alltäglich verfügbaren Logik gedeutet und eingeordnet werden können (vgl. ebd., 203).

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  14. Vgl. z.B. Schütz, 1974, Schütz/ Luckmann, 1975, Berger/ Luckmann, 1980, Luckmann, 1980.

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  15. Zur Position Webers siehe beispielsweise Bühl, 1972.

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  16. In der „relativ-natürlichen Einstellung“, so Schütz, „finde ich mich immer in einer Welt, die für mich fraglos und selbstverständlich ‚wirklich’ ist. (...) Sie ist der unbefragte Boden aller Gegebenheiten sowie der fraglose Rahmen, in dem sich mir die Probleme stellen, die ich bewältigen muss“ (Schütz/ Luckmann, 1975: 23).

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  17. Die Relevanzstruktur eines Individuums wird nach Luckmann definiert als „der lebensweltlich bestimmte Gesamtzusammenhang seiner Interessen, Wichtigkeiten und Dringlichkeiten“ (Luckmann, 1992: 32).

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  18. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass es keine absolute Basis zur Definition von Bestimmtheitsgraden gibt, denn was als mehr oder weniger bestimmt bezeichnet wird, kann sich je nach subjektiver Einschätzung stark unterscheiden. Ein gelegentlicher Weintrinker, so erklärt es Schütz sehr anschaulich, mag von einem hohen Bestimmtheitsgrad ausgehen, wenn er Wein von Bier, Rotwein von Weißwein etc. unterscheiden kann. Ein beruflicher Weintester dagegen erreicht einen hohen Bestimmtheitsgrad erst dann, wenn er in der Lage ist, anhand der Weinprobe Rebsorte, Boden, Lagen und Lagerung zu erkennen (vgl. Schütz/ Luckmann, 1975: 158).

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  19. Vgl. Schütz, 1974: 110ff, Schütz/ Luckmann, 1975: 126.

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  20. Bis zu welchem Grad der Einzelne um Grenzbedingungen, Möglichkeiten, Voraussetzungen und Durchführbarkeiten in der Zukunft wissen will, hängt von seinem subjektiven Befinden und seinen Plänen ab. Allerdings ist ein gewisses Maß an Vorhersage zukünftiger Situationen Grundvoraussetzung für jegliche Handlungsfähigkeit (vgl. Schütz/ Luckmann, 1975: 237, Bonß 1997: 25).

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(2006). Sicherheit als theoretisches Konstrukt. In: Biographische Sicherheit im Wandel?. DUV. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9654-7_2

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