Auszug
Was ein Unternehmen ist, fällt Juristen wie Ökonomen gleichermaßen schwer zu begreifen. Davon zeugen die zahlreichen Unternehmensbegriffe der verschiedenen Rechtsgebiete ebenso wie die wenig befriedigende theory of the firm, die im Unternehmen nicht mehr sieht als einen nexus of contracts, die man auch at arm’s length hätte abschließen können, wenn nicht eine engere Verbindung effizienter gewesen wäre.1 Den schwierigen Fragen um das Wesen des Unternehmens an sich ist hier aber nicht grundsätzlich nachzugehen. Das bleibt nicht zuletzt dem Jubilar selbst vorbehalten, der in Zusammenarbeit mit Robert Cooter einen überzeugenderen Vorschlag zur theory of the firm als eines nexus of information entwickelt hat. Der vorliegende Beitrag befasst sich vielmehr mit einem wichtigen Teilaspekt des Unternehmens, der allerdings gar nicht weit vom nexus of information Gedanken entfernt ist: mit seiner Seele. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis der Problemstellungen, die sich im Zusammenhang mit small business bankruptcies stellen, denen hier nachgegangen wird.
Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag vor dem Graduiertenkolleg für Recht und Ökonomik im Mai 2007. Für die dort erhaltenen wertvollen Anregungen sei allen Kollegiaten herzlich gedankt, insbesondere aber Jun. Prof. Dr. Patrick C. Leyens, Dr. Arkadiusz Radwan und Herrn Jan-Peter Sasse.
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Literatur
Zu den teleologischen Unternehmensbegriffen der Juristen Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 17 I 2 c; zu einem überblick über die verschiedenen ökonomischen und juristischen Ansätze im Zusammenhang mit dem Unternehmensverbund des Konzernrechts Windbichler in Großkommentar AktG Vor § 15 Rn. 20 ff.; zu einer „juristischen“ theory of the firm Engert, FS Heldrich, 2005, S. 87 ff.
Dazu gehören in jedem Fall Risikobereitschaft und überoptimismus, des Weiteren häufig auch eine gewisse Sturheit und Querköpfigkeit, vgl. näher Schall, Habilitationsschrift Gläubigerschutz im Umbruch, Hamburg 2007, S. 431 unter Verweis auf die Studien etwa von Glücksforscher Daniel Kahnemann, vgl. Der Spiegel 15/2006 v. 10.4.2006, S. 166.
Zur dem Common Law Rechtskreis entstammenden Geschäftschancenlehre eingehend Fleischer in Spindler/ Stilz, Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, 2007, § 93 Rn. 124 ff. Der übergang von der bloßen Chance, deren Wahrnehmung durch Wettbewerbsverbote und Treuepflichten verhindert wird, hin zur Manifestation als Gesellschaftsvermögenswert ist fließend und unterscheidet sich vor allem durch die Genehmigungsfähigkeit, an der es beim Kapitalabzug in Deutschland wie in England fehlt. Paradigmatisch sind die beiden englischen Leitfälle Regal (Hastings) Ltd v Gulliver [1942] 1 All ER 378 (zur genehmigungsfähigen Aneignung) und Cook v Deeks [1916] 1 AC 554 (keine Genehmigungsfähigkeit), dazu Schall, DStR 2006, 1229, 1236; ferner zur Manifestation bei abgeschlossenen Verträgen Fleischer ibid, Rn. 128 f.
Statt aller Hirte in Uhlenbruck, 12. Aufl. 2001, § 36, Rn. 34,. (erscheint 2008); Lwowski/Peters in Münch-Komm InsO, 2. Aufl. 2007, § 35 Rn. 464. Die Massezugehörigkeit des Good will soll hier nicht grundsätzlich bestritten werden, etwa wegen möglicher Höchstpersönlichkeit, da ansonsten eine Verwaltung oder gar Veräußerung von Unternehmen in der Insolvenz praktisch unmöglich würde. Richtiger ist es, die Ausnahmen zu bestimmen, unter denen die Betreiber im Ergebnis selbst den Zugriff behalten dürfen.
Daran ändert auch das Vorhandensein von starken Mehrheitsaktionären nichts, solange wie in Deut-schland die rechtlichen Regelungen eine strikte Trennung implementieren (vgl. §§ 76, 117, 119, 291 ff., 311 ff. AktG). In England und den USA sorgt bereits der breite Streubesitz für die strikte Trennung von Eigentum und Herrschaft.
Baird/ Morrison, „Serial Entrepreneurs and Small Business Bankruptcies“ (2004) Paper 8, L&E Workshop (University of California, Berkeley), http://repositories.cdlib.org/berkely_law_econ/Fall2004/8.
Vgl. § 162 InsO; Görg in MünchKomm InsO, § 162 Rn. 3; Schall, Gläubigerschutz im Umbruch, S. 326.
Zum Ganzen detailliert und mit zahlreichen Nachweisen Morrison, Beitrag zur ECFR Konferenz vom 12.10.2007, erscheint ECFR 2/2008.
A.A. Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 8 II 1 c gegen die ganz h.M., z.B. Baumbach/Hopt, 33. Aufl. 2008, § 25 Rn. 1, 7; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 7.
Kritisch freilich Karsten Schmidt, ibid, § 8 I 5 b.
Zu den Einzelheiten siehe nur Schall, DStR 2006, 1229, 1232 f.; ders. EWiR 2005, 709 ff.
Grundlegend und lehrreich Röhricht in FS BGH, 2000, S. 83, 92 ff.; ferner Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286; Paefgen, DB 2007, 1907.
[1993] BCLC 480. Dort hatten die Betreiber einer haftungsbedrohten Gesellschaft deren Geschäftsbetrieb (eine Autohandlung mit Vertriebshändlervertrag) auf die Schwestergesellschaft, die ebenfalls ein Autohaus unterhielt, verlagert.
BGHZ 149, 10; später vor allem BGHZ 150, 61; 151, 181; zum Ganzen eingehend Liebscher in GmbHKonzernrecht, 2006, Rn. 437 ff., 471 ff.; Wagner, FS Canaris, Band II, 2007, S. 473 ff.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004; Schall, Habilschrift, S. Gläubigerschutz im Umbruch, S. 296 ff.
Zu England siehe Ord V Belhaven Pubs Ltd [1998] 2 BCLC 447. Dort wurde bei der — verkehrsüblichen — Stilllegung einer Gesellschaft durch übertragung aller Aktiva und Passiva im Rahmen einer post-merger Restrukturierung versehentlich eine Verbindlichkeit übersehen. Der Court of Appeal musste Creasey aufgeben, um nicht schon wegen der Umgehung des Insolvenzverfahrens zum Durchgriff zu gelangen. In Deutschland setzte der Abschied von der Durchgriffshaftung mit der Reduktion der Durchgriffshaftung auf den „Mehr-Schaden“ durch das unrechtmäßige Verhalten ein (BGH ZIP 2005, 250, 252) und fand jetzt in Trihotel seinen Abschluss, BGH DStR 2007, 1586 mit Anm. Goette = NZG 2007, 667 = DB 2007, 1802 = DK 2007, 607; dazu etwa Altmeppen, NJW 2007, 2657; Schanze, NZG 2007, 681; Paefgen, DB 2007, 1907; eingehend Schall, Gläubigerschutz im Umbruch, S. 296 ff.
Damit i.E. weitgehend den Vorstellungen einer starken Literaturströmung (jüngst Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, insbes. S. 432 ff.) folgend; kritisch zur Begründung der Innenhaftung über § 826 BGB Schanze NZG 2007, 681, 685; gleichsinnig Schall, Gläubigerschutz im Umbruch, S. 304 ff., stattdessen von einem „§ 117 GmbHG“ ausgehend.
Außerdem etwa Armour, The Law and Economics of Corporate Insolvency, (2001) Working Paper 197, ESRC Centre for Business Research, University of Cambridge, S. 8 ff.; Eidenmüller, EBOR 2006, 239 ff; Denozza, EBOR 2006, 409, 411.
Vgl. Morrison, ECFR 2/2008. Diese starke Stellung der Sicherungsgeber wird im Insolvenzverfahren teilweise gespiegelt, etwa durch das Privileg der superpriority für neue Kredite.
Vgl. Morrison, erscheint ECFR 2/2008. Zum Missbrauch durch Banken in England gab es einige Studien im Zuge der Company Law Reform, siehe Franks/Sussman in Getzler/Payne, S. 253 ff.; dies., Financial Distress and Bank Restructuring of Small to Medium Size UK Companies (2005) 9 Review of Finance 65, 85 f.; Armour in Getzler/Payne, S. 189, 199 f.; Goode, Principles of Corporate Insolvency, 3. Aufl. 2005, Rn. 9-04. Sie zeigen, dass Banken zwar mehr Heil als Schaden in der Krise bringen, aber dass das Missbrauchspotential zu Lasten der ungesicherten Gläubiger doch nicht unbeträchtlich ist.
So schon RGZ 136, 247, 253; ferner etwa BGH WM 1958, 845; WM 1970, 399; eingehend zum Ganzen Engert, Die Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, 2005, S. 51 ff. Zur sittenwidrigen Konkursverschleppung durch die Geschäftsleitung selbst zuletzt etwa OLG Koblenz v. 26.10.2006 — 6 U 175/06 (n. rechtskr.), DB 2007, 219; OLG Saarbrücken v. 21.11.2006 — 4 U 49/06 (n. rechtskr.), DB 2007, 216 (dort Haftung i.E. abgelehnt wegen Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens).
Vor allem die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, vgl. BGH NJW 1984, 1893, 1899 (insoweit nicht in BGHZ 90, 381); ZIP 1999, 406, 408; Kirchhof in MünchKomm InsO, 1.Aufl. 2002, § 133 Rn. 37.
Re a Company (No 005009 of 1987) (1988) BCC 424; Goode, Principles of Corporate Insolvency, 3. Aufl. 2005, Rn. 12–30.
Zum Fortfall des Sittenwidrigkeitsvorwurfs bei echten Sanierungsbemühungen etwa OLG Koblenz, DB 2007, 219, 220; OLG Saarbrücken, DB 2007, 216, 217.
Eingehend Armour/ Hsu/ Walters, ECFR 2/2008.
Dazu eingehend im Vergleich Hirte/ Lanzius/ Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR-Sonderheft 17, 2006, 301 ff., 311 ff. (zu den Vorzügen des englischen Designs). Zum CDDA auch — freilich kritischer — Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR-Sonderheft 17, 2006, 526, 551 ff.
Dazu Schall, Gläubigerschutz im Umbruch, S. 5 f; Kritisch wegen der bloßen Vergangenheitsbezogenheit und des Eingreifens erst im Wiederholungsfall Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR-Sonderheft 17, 2006, 526, 568 ff., der freilich das Zusammenspiel mit den anderen Verbotsund Haftungsnormen im Gesamtsystem unterschätzt.
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Schall, A. (2008). Die Ökonomie der Seelenwanderung. In: Eger, T., Bigus, J., Ott, C., von Wangenheim, G. (eds) Internationalisierung des Rechts und seine ökonomische Analyse. Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5582-7_41
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