Auszug
Wenn ‚Idee’ (bzw. doxa) und Macht sich verquicken, stellt sich die Macht mit der ‚Idee’ einen Freifahrtschein aus: Zu diesem Schluß gelangt Handke am Ende seiner Auseinandersetzung mit der Allianz westlicher medialer Meinungsbildung und atlantischer Realpolitik im Fall „Kosovo“ und „Serbien“:
„Der Krieg gegen Jugoslawien: geführt nicht nur mit Splitterbomben und Raketen, sondern vor allem mit ‚Kontext’ und ‚Idee’.“665 Dieser ‚Kontext’ bestand aus der ‚Schuld’ der Serben und dem daraus folgenden Recht über Serbien. Die staatliche Kriegsführung stützte sich auf einen Rechtsbegriff, der nur als verzerrter, vereinfachter funktionierte, weil für ihn, bereits seit der Ereignisse in Bosnien, von den Medien ein verzerrender Kontext produziert worden ist: eine Propagandakampagne der Tatsächlichkeit eines serbischen ‚Faschismus’. 666
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Literatur
UT, S. 157f.
Die medialen Agenturen lenkten von Beginn an die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Konstrukt der ‚faschistischen Serben’, und trugen ein schiefes und falsches Bild vom Balkan in die Welt, das den ‚Allein-Schuldigen’ festschrieb. Um ein extremes, aber symptomatisches Beispiel zu geben: Die amerikanische Werbefirma Ruder Finn Global Public Affairs übernahm zu Beginn des Bosnien-Krieges, wie ihr Leiter James Harff 1993 bereitwillig mitteilte, den Auftrag, „die öffentliche Meinung gegen ‚die Serben’ zu formen“. (Schütz 2003, S. 77.) Sie verbreitete mit Unterstützung von Zeitungen wie dem New York Newsday Falschmeldungen: Harff: „Our work is to accelerate the circulation of information favorable to us, to aim at judiciously chosen targets. We did not confirm the existence of death camps in Bosnia, we just made it widely known that Newsday affirmed it.“ (Schütz 2003, S. 77. Unsere Hervorhebung.) Schütz stellt die Auftraggeber der Kampagne dar, beweist die Falschheit der Meldungen (das Lager Trnopolje war kein KZ), stellt dar, wie groß der Verbreitungsradius dieser Berichte war und welche historischen Auswirkungen sie hatten — selbst das ICTY bezog sich bei der Anklagerhebung auf manipulierte Aufnahmen und prüfte den Wahrheitsgehalt nicht. Vgl. Schütz 2003, S. 77–80. Thomas Deichmann hat diesen Fall 1997 aufgerollt. Sein Artikel „’Es war dieses Bild, das die Welt in Alarmbereitschaft versetzte.’ Ein Bild ging um die Welt, und es war ein falsches Bild vom Bosnienkrieg.“ für die Zeitschrift Novo findet sich in dem von ihm herausgegebenen Band „Noch einmal für Jugoslawien: Peter Handke“, Frankfurt/Main 1999, S. 228–258. Der Band versammelt Gegendarstellungen zur Anti-Jugoslawien-und Anti-Handke-Kampagne.
Vgl. Gilles Deleuze/ Félix Guattari: Was ist Philosophie?; Frankfurt/Main: Suhrkamp 1996, S. 124.
Deleuze/ Guattari 1997b, S. 640.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 112.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 112.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 113.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 171.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 125.
Rancière 2002, S. 133.
FE, S. 99.
FE, S. 99.
GS, S. 111f. Unsere Hervorhebung.
GS, S. 110. Gemeint ist die Zeitung.
Vgl. Rancière 2002, S. 136.
Vgl. Rancière 2002, S. 134. Daß die Menschenrechte sich derart „als politische Fähigkeit bewähren“, widerspricht mittlerweile der herrschenden Entpolitisierung und Konsensualisierung der westlichen Systeme. (Rancière 2002, S. 134.)
Rancière 2002, S. 134. Unsere Hervorhebung.
Rancière 2002, S. 135.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 124.
Rancière 2002, S. 135.
Rancière 2002, S. 135.
FE, S. 94. Vgl. pathetische Äußerungen von Vaclav Havel, Tony Blair, Bill Clinton in: Chomsky 2002, S. 21f.
Chomsky 2002, S. 18ff.
Chomsky 2002, S. 18. (80% der westlichen Waffenlieferungen kamen aus den USA.) Zudem durfte die gleiche Türkei, die ihre Minderheiten drangsaliert, sich am 1. April 2000 über das Lob des US-Verteidigungsministers Cohen für ihren Einsatz bei der Bombardierung Serbiens freuen, sowie dessen Ankündigung einer weiteren Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs: Produkt einer solchen war bereits der F16-Bomber gewesen, der gegen die Kurden zum Einsatz gekommen war. Vgl. Chomsky 2002, S. 23.
Von den dort arbeitenden OSZE-Beobachtern. Vgl. Chomsky 2002, S. 42f., S. 95ff., sowie Schütz 2003, S. 74.
Der ehemalige NATO-Planungsstratege Michael MccGwire erläutert die Politik der NATO im Kosovo als Ergreifen einer Gelegenheit zu demonstrieren, daß die Bedeutung der NATO nach 50 Jahren Bestehen ungemindert sei (vgl. Chomsky 2002, S. 15f.) und „zudem die out-of-area-Einsätze als Tätigkeitsfeld einzuführen und voranzutreiben und sich von der Billigung durch die UNO freizumachen.“ (Chomsky 2002, S. 122.) Zum „Neuen Strategischen Konzept“ vgl. z. B. Schütz 2003, S. 113–118.
FE, S. 83.
FE, S. 94.
FE, S. 93f.
FE, S. 93f.
GS, S. 127.
FE, S. 92f.
FE, S. 93. Vgl. Kapitel 2, Abschnitt 1 zur ökonomischen Demontage der BRJ. De facto sind es zumeist dieselben westlichen Regierungsmächte, die bestimmte geopolitische ‚Krisensituationen’ (Bürgerkriege, Hungersnöte) direkt oder indirekt provozieren, die sie dann dulden, naturalisieren, verwalten oder intervenieren, indem sie die involvierten Subjekte auf das Paar ‚Opfer’ und ‚Henker’ reduzieren.
FE, S. 94.
Nicht nur das: „Verkappte Korrupte“ — das läßt sich unschwer als Anspielung z. B. darauf lesen, daß vor dem Massaker in Srebrenica um UN-Geiseln geschachert wurde. Im Vorfeld fanden Verhandlungen zwischen General Janvier und General Mladic statt, die auf den Verzicht von Lufteinsätzen hinausliefen, „um im Gegenzug die von den Serben festgenommenen Blauhelm-Geiseln (darunter etliche Franzosen) freizubekommen. Am 18. Juni waren laut Time Europe die letzten Geiseln frei. Als dann rund einen Monat später die Einnahme Srebrenicas durch Mladics Truppen erfolgte, stieß er auf keinen Widerstand. Berichten zufolge haben schließlich die holländischen Blauhelm-Soldaten danach noch geholfen, Männer und Frauen zu trennen — nach allen bisherigen Erfahrungen in diesem Krieg stets der Anfang des Massakers.“ (Die UNO-Mitschuld am Massaker von Srebrenica. In: Zeit-Fragen Nr. 7 vom 11. 2. 2002. In: http:/www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_89a/T06.HTM) Ebenso fragwürdig ist die Unterteilung des Kosovo in Protektorate, die die Minderheiten auf so unpraktikable Weise trennte, daß zu ihrem Schutz rund um die Uhr bemannte KFor-Panzerfahrzeuge abgestellt werden mußten (und noch müssen). Sie machen zwei Drittel der Einsatzkräfte aus. Angesichts eines ständig drohenden Bürgerkriegs seitens der Albaner ist diese Aufsplitterung ihres Kampfpotentials absolut riskant.
FE, S. 86.
Vgl. FE, S. 62ff.
FE, S. 64.
FE, S. 64f.
„Dort in den Schützengräben vollzog sich die Verwandlung [...]; er entwickelte Mannhaftigkeit; er wurde befördert, er fand die Aufmerksamkeit, sogar die Zuneigung seines Offiziers namens Evans. [...]. Sie mußten zusammensein, miteinander teilen, miteinander kämpfen, miteinander zanken. [...] Aber als Evans [...] kurz vor dem Waffenstillstand, in Italien, fiel, beglückwünschte sich Septimus, weit entfernt davon, eine Gefühlsregung zu zeigen oder, daß das das Ende einer Freundschaft war, dazu, sehr wenig zu fühlen und sehr vernünftig zu reagieren. Der Krieg hatte es ihn gelehrt.“ Virginia Woolf: Mrs Dalloway; Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997, S. 86.
Woolf 1997, S. 18.
Woolf 1997, S. 18, S. 90 u. 92.
Woolf 1997, S. 96.
Woolf 1997, S. 99.
Vgl. zur Strittigkeit der völkerrechtlichen Legitimität und Legalität des ICTY: Schütz 2003, S. 32–34. Dem Haager Tribunal liegt nur ein Beschluß des exklusiven UN-Sicherheitsrats (der die Kompetenz hat UN-Nebenorgane einzusetzen) zugrunde, das von denjenigen Nationen erzwungen worden ist, die an der aktiven Zerschlagung Jugoslawiens seit 1990 beteiligt waren — USA, Deutschland, Österreich, Vatikan. Es gab kein Votum der UN-Vollversammlung. Die NATO ist sein Hauptgeldgeber und nimmt Einfluß auf die Anklageerhebung. Die Anklagepolitik arbeitet mit politischen Konstruktionen, die die Geschichte auf dem Balkan verfälschen, weil sie jede Involvierung westlicher Akteure, und sie war maßgeblich, aus ihrem Aufgabenbereich ausblendet. Vgl. zu diesem Problem Cathrin Schütz: Das falsche Tribunal. Der ‚Fall Milosevic in Den Haag. Imperialismus gegen Völkerrecht. In: http://www.jungewelt.de/2003/11-07/003.php
FE, S. 87f. Unsere Hervorhebung.
FE, S. 86f. Unsere Hervorhebung.
FE, S. 63. Unsere Hervorhebung
FE, S. 87. Unsere Hervorhebung.
FE, S. 75. Unsere Hervorhebung.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 130. Unsere Hervorhebung.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 129.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 129.
FE, S. 75.
FE, S. 87.
FE, S. 52.
FE, S. 106.
FE, S. 106.
FE, S. 110.
FE, S. 110.
FE, S. 110.
FE, S. 95. Unsere Hervorhebung.
FE, S. 84.
FE, S. 35f.
Es kann an dieser Stelle nicht deutlich genug gesagt werden, daß hiermit keinesfalls die Errungenschaft eines internationalen Strafgerichts in Abrede gestellt wird. Infrage gestellt wird vielmehr seine Feier als Sieg über die Welt der barbarischen Kriegsverbrecher, während die Gerichtsprozesse zugleich die Verbrechen der NATO-Kräfte ausklammern: Splitterbomben, Verwendung von abgereichertem Uran, wissentliche Bombardierung ziviler Ziele; und wenn die Finanzgeber des Gerichts die Verfahrensführung völkerrechtswidrig manipulieren. Solche politische Instrumentalisierung der Institutionen des internationalen Rechts macht diese nicht nur unglaubwürdig und angreifbar, sondern sabotiert das Völkerrecht. Vgl. dazu Cathrin Schütz. Das falsche Tribunal. Der ‚Fall Milosevic in Den Haag. In: http://www.jungewelt.de/2003/11-07/003.php
UT, S. 39f.
UT, S. 47.
UT, S. 62f.
UT, S. 84.
Rancière 2002, S. 114.
GS, S. 27f.
Woolf 1997, S. 99.
Woolf 1997, S. 100. Unsere Hervorhebung.
Woolf 1997, S. 101.
FE, S. 70.
Gemeint ist die aristotelische Definition des Menschen als zôon lógon échon. Aristoteles, Politik. Politica; Hamburg: Meiner 1990, I, 2, 1253 a.
Vgl. etwa Deleuze 1997, S. 69–98.
FE, S. 70.
UT, S. 22.
FE, S. 36.
GS, S. 47f. Unsere Hervorhebung.
UT, S. 39f.
FE, S. 94.
GS, S. 25.
UT, S. 13f.
FE, S. 96.
GS, S. 26.
In Anlehnung an Nietzsche: Vgl. Deleuze/ Guattari 1996, S. 83.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 210.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 128.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 131.
Deleuze/Guattari 1996, S. 126.
GS, S. 49.
GS, S. 13.
GS, S. 51.
GS, S. 50.
Der Grieche, FE, S. 72
Der Historiker, FE, S. 36.
FE, S. 95. Unsere Hervorhebung.
UT, S. 21f. Unsere Hervorhebung.
FE, S. 87.
FE, S. 95. Unsere Hervorhebung. Vgl. auch Deleuze/Guattari 1997b, S. 308f.
UT, S. 82f. Unsere Hervorhebung.
und ist damit in Ausmaß und Form viel mehr als Propaganda: Die kontrollierte Kommunikation ist zum einen eine weltweite und den Märkten unterworfene Angelegenheit; zum anderen dringt sie zugleich mit der Industrialisierung der „Freizeit“-und „Kultursektoren“ in alle Lebensbereiche, in die Wünsche und die Phantasie. Vgl. Deleuze 1993, S. 250.
UT, S. 71.
FE, S. 95.
UT, S. 82.
FE, S. 95
FE, S. 65.
FE, S. 97.
FE, S. 87.
FE, S. 81f.
FE, S. 95.
Deleuze/ Guattari 1996, S. 126. Kursiv im Original.
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(2007). Eine neue Kriegsmaschine im Namen des Rechts. In: Peter Handke, Jugoslawien und das Problem der strukturellen Gewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5501-8_6
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