Skip to main content

Informelles Lernen — pädagogische Perspektiven auf neu entdeckte Weiterbildungswelten

  • Chapter
  • 2459 Accesses

Auszug

„Informell“ ist ein Wort, das in vielfältigen Zusammenhängen auftaucht. Es lässt sich in einem ersten Zugriff beschreiben als „ohne Auftrag“, „ohne Formalitäten“, „inoffiziell“, „zwanglos“ (Meyers Lexikonredaktion 2003, S. 3270). Es handelt sich nicht um einen Begriff allein aus der pädagogischen Fachsprache, sondern er findet sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen und wissenschaftlichen Diskursen. So wird beispielsweise in der bildenden Kunst unter „informel“ die in der Nachkriegsepoche des 20. Jahrhunderts entwickelte Malweise ohne formalen Bildaufbau verstanden (vgl. LExikon Der Kunst 1994, S. 170f.).5 Mit dem Wort informell ist zunächst einmal eine Definition ex-negativo getroffen. Es fehlt etwas, bzw. es wird auf etwas verzichtet. Trotzdem, so soll es in diesem einführenden und kontextualisierenden Kapitel gezeigt werden, ist informelles Lernen für die Weiterbildung konstitutiv (geworden).

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

References

  1. Informel (von franz. Art informel, formlose Kunst, seit 1945/1946): „Malweise innerhalb der nichtgeometrischen abstrakten Tendenzen, die sich im Verzicht auf beschreibende Bildmotive und auf formale sowie kompositioneile Regeln im spontanen Malakt artikuliert und als ‘psychische Improvisation’ (Paul Klee) interpretiert werden kann“ (Lexikon der Kunst 1994, S. 170f.). Die informelle Malerei konnte keinen neuen Stil begründen, sondern dient vorrangig der Definition einer Arbeitsmethode.

    Google Scholar 

  2. Das Wort „Lerner“ ist dem Englischen bzw. Amerikanischen entlehnt und wird im Deutschen häufig an die Stelle des ursprünglichen Lernenden gesetzt. Ein äquivalent für den „Lehrer“ hat es in diesem Sinne im Deutschen nicht gegeben (vgl. Meyer-Drawe 2005, S. 27). Rein begrifflich erübrigt es sich, einem „Lernenden“ Attribute wie aktiv oder selbstgesteuert zuzuordnen, weil diese ihm gewissermaßen innewohnen.

    Google Scholar 

  3. Die Ideen und Vorstellungen zur Gestaltung von Aus und Weiterbildung in den Konzepten zum lebenslangen Lernen werden auch im aktuellen Diskurs nach wie vor hervorgehoben. So wird ihnen hinsichtlich der Lern und Bildungszeiten „immer noch eine erhebliche innovative Substanz“ (Sauter 2001, S. 21) zugesprochen.

    Google Scholar 

  4. Informelles Lernen definiert die BLK recht unspezifisch und vage: „Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) nicht strukturiert und führt üblicherweise nicht zur Zertifizierung“ (BLK 2004, S. 32).

    Google Scholar 

  5. Während die staatlichen Bildungsinstitutionen im 19. Jahrhundert als Reaktion darauf entstanden, dass die Lebenswelt zu arm an Lernanlässen war, stellt sich heute die Situation anscheinend diametral dar und informelles Lernen wird als „Kompensation organisierten Lernens“ begriffen (Meder 2002, S. 8).

    Google Scholar 

  6. Unter dem Begriff der Institution wird in der Soziolgoie ein stabiles, relativ dauerhaftes Muster strukturierter menschlicher Beziehungsgeflechte bzw. die gelebten Formen solcher Muster verstanden. Institutionen sind nicht gleichzusetzen mit Organisationen im Sinne von Einrichtungen, sondern beziehen sich auf einen gesellschaftlich verfestigten und übergeordneten Sinn und Deutungszusammenhang, der strukturbildend wirkt. Institutionen umfassen unterschiedliche Formen von Organisation (vgl. Schäffter 2001c, S. 44).

    Google Scholar 

  7. Die so genannte „Göttinger Studie“ (vgl. Strzelewicz/ Raapke/ Schulenberg 1966) hat gezeigt, dass die Weiterbildungsteilnahme an formalisierten Bildungsangeboten positiv korreliert mit höherer Schulbildung, verantwortungsvollen Berufspositionen und mittlerem Lebensalter. Für die berufliche Weiterbildung sind die Zusammenhänge inzwischen differenzierter zu betrachten. Das BSW verweist in einem Exkurs und mit Sekundäranalysen darauf, dass sehr heterogene Faktoren die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung beeinflussen. Hervorgehoben wird die Erwerbsbeteiligung, die einen positiv beeinflussenden Faktor bildet. Zurückgewiesen wird hingegen die Variable „soziale Milieus“ (BMBF 2006, S. 142ff). Auch in weiteren neueren Untersuchungen wird die Frage gestellt, ob tatsächlich soziodemografische Faktoren allein entscheidend für die (Nicht-)Teilnahme an formaler Weiterbildung sind oder nicht etwa die Dimension der räumlichen Nähe die Wahrnehmung von Bildungsangeboten beeinflusst (vgl. Wittpoth 2006).

    Google Scholar 

  8. DieBedeutungsaufwertung der Bezugskategorie „Lebenslauf“ lässt sich exemplarisch am systemtheoretischen Diskurs zwischen Luhmann und Lenzen nachzeichnen. Der Bildungsbegriff bezeichnet, so Luhmann, die innere Form des Individuums. Er stellt die Frage, „was denn das Medium dieser Form ist — das Medium, in dem und durch das sie gebildet werden kann“ (Luhmann 1997, S. 16). Der Lebenslauf umgreife, so Luhmanns eigene Antwort auf diese Frage, Vergangenheit und Zukunft ohne eine teleologische Struktur zu haben; der Lebenslauf sei eine rhetorische Leistung, eine Erzählung, für die die Wendepunkte besonders wichtig seien. „Das hervorstechende Merkmal eines Lebenslaufs ist wohl: daß er nicht begründet werden muß, aber erzählt werden kann“ (EBD., S. 20). Wissen als Form habe eine Lebenslaufrelevanz, es gebe dem Lebenslauf eine Form und reproduziere ihn zugleich als Medium der Formbildung: „Der aus Wendepunkten bestehende Lebenslauf ist einerseits ein Medium im Sinne eines Kombinationsraums von Möglichkeiten und andererseits eine von Moment zu Moment fortschreitende Festlegung von Formen, die den Lebenslauf vom jeweiligen Stand aus reproduzieren, indem sie ihm weitere Möglichkeiten eröffnen und verschließen“ (Luhmann 1997, S. 22f). Der Lebenslauf habe eine offene, nicht festgelegte Struktur. Durch Lernen lassen sich jeweils andere Möglichkeiten der Formung des Lebenslaufs erschließen. Lenzen verweist in kritischer Auseinandersetzung mit dem Vorschlag, den Lebenslauf zur zentralen Kategorie erziehungswissenschaftlicher Analyse zu machen, darauf, dass der Lebenslaufbegriff anders als der Bildungsbegriff mit seiner Bindung an die Perfektibilité-Vorstellung zwar dem Bedarf einer nichtteleologischen Theorie entgegen komme, jedoch ebenfalls an die christliche Tradition gebunden sei und deshalb aufgrund seiner aktuellen Verwendungsweise für erziehungstheoretische prospektive Zwecke nur bedingt geeignet sei (vgl. Lenzen 1997a, S. 240f). Da der Lebenslauf sozial normiert ist, sei die Humanontogenese das entscheidende Kommunikationsmedium (vgl. EBD., S. 242). Für Lenzen haben die Begriffe Selbstorganisation, Autopoiesis und Emergenz den Bildungsbegriff abgelöst (vgl. Lenzen 1997b).

    Google Scholar 

  9. Tippelt und V. Hippel nutzen das Bild einer doppelten Weiterbildungsschere, „die sich in einer Korrelation zwischen Weiterbildungsquoten und der Nutzung informellen Lernens“ (Tippelt/ Hippel 2005, S. 35) zeigt.

    Google Scholar 

  10. Der Contiuing Vocational Training Survey ist eine europäische Unternehmensbefragung zu den Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen. Nach den Jahren 1994 (CVTS 1) und 2000 (CVTS 2) wurde 2006 die dritte Befragung unter dem Titel “Europäische Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS 3) durchgeführt (vgl. D. Schmidt 2007). Im Rahmen des CVTS wird in Deutschland durch das Bundesinstitut für Berufsbildung eine Zusatzerhebung durchgeführt und verstärkt Lernformen jenseits von Seminaren und Kursen empirisch erfasst (vgl. Grünewald/ Moraal/ Schönfeld 2003).

    Google Scholar 

  11. Der Begriff der „Transformationsgesellschaft“ entstand als Beobachtungs und Beschreibungskategorie des ständigen Strukturwandels nach der Implosion der ehemals sozialistischen Regierungssysteme, der zunächst die neuen Bundesländer betraf und entsprechend als besondere Erfahrung gedeutet wurde, der dann aber auch die alten Bundesländer erfasst hat. Statt eines einfachen übergangs lassen sich die Erfahrungen in den neuen Bundesländern somit als „symptomatische Vorwegnahme von Formen eines freigesetzten, vielfach nicht mehr kontrollierbaren strukturellen Wandels“ deuten (Schäffter 2001b, S. 44). Der Transformationsbegriff wurde zunächst in der Politikwissenschaft eingeführt und umfasst verschiedene Formen und Kategorien strukturellen Wandels. Im Vergleich zum bundesdeutschen Diskurs des transformationstheoretischen Ansatzes lässt sich im US-amerikanischen Diskurs der Erwachsenenbildung eher eine diskursanalytisch geprägte Sichtweise auf Lernen ausmachen. Es geht um die Entwicklung einer emanzipatorischen und universellen Lerntheorie, die zwischen einem objektivistischen und interpretativen Lernparadigma positioniert ist (vgl. Mezirow 1996). Lernen bedeute vor allem „elaborating existing meaning schemes, learning new, transforming meaning schemes“ (EBD., S. 162). Unter idealen Lernbedingungen, wie sie in der Erwachsenenbildung charakteristisch vorlägen, würden Lehrende zu Mitlernenden: „Ideally (...), the relation of educator to learner is one of subject to subject, a peer relationship, rather than one of subject-to object, not uncommon in the education of children“ (EBD., S. 171).

    Google Scholar 

  12. Gerstenmaier kritisiert aus der Sicht der Expertiseforschung: „Effektives Lernen in Schule, Betrieb und Alltag wird durch die Kombination intelligent organisierten inhaltlichen Wissens in starken formalen Denkstrategien bestimmt, nicht durch irgendein Primat formalen Denkens, wie manche pädagogische Doktrinen behaupten“ (Gerstenmaier 1999, S. 67).

    Google Scholar 

  13. Arnold hat auf der Grundlage seiner Konstruktivismusrezeption das Konzept einer Ermöglichungsdidaktik entworfen. Deren Aufgabe sei es nicht, Lernziele und-inhalte zu vermitteln, sondern Lernumgebungen möglichst lernanregend zu gestalten (vgl. Arnold/ Siebert 1995, S. 6). Aber auch dies scheint das Problem nur zu verlagern. Wenn das Individuum Informationen aus der Umgebung gemäß seines eigenen Vorwissens auswählt und ihnen Bedeutung zuschreibt, dann ist „jede Selektion durch die bildende Institution eine Beschränkung der Bildungsmöglichkeiten und nicht eine Ermöglichung von Bildung, wie diese Institutionen gerne suggerieren“ (Lenzen 1997b, S. 952). Anders argumentiert Rustemeyer in Auseinandersetzung mit radikalkonstruktivistischen Positionen und in Bezug auf die Etablierung von Bildungsstandards: „[Die] Vermittlung von gemeinsamen kulturellen Techniken und inhaltlichen Standards beschneidet weniger eine spontane Pluralität von Autopoiesen als dass sie ein Minimum an Lernen und Sozialisation für diejenigen sichert, die nicht von Haus aus über eine entsprechende ‘Lernumgebung’ verfügen“ (Rustemeyer 2001, S. 26).

    Google Scholar 

  14. Auch Nonaka/Takeuchi rekurrieren auf dieses Bild: „Knowledge, expressed in words and numbers, only represents the tip of the iceberg (...) knowledge is not easily visible and expressible (...) Whereas Westeners tend to emphasise explizit knowledge, and the Japanese tacit knowledge (...) human knowledge is created through social interaction between the tacit and explicit“ (Nonaka/ Takeuchi 1995, S. 21, zitiert nach Garrick 2005, S. 258; Herv. G.M.).

    Google Scholar 

  15. Das hier beschriebene Konzept von Erfahrungslernen unterscheidet sich wiederum von dem Konzept des Erfahrungslernens, wie es in den 1960er Jahren an die Arbeiten NEGTs anknüpfend in der Arbeiterbildung entwickelt wurde. Dieses zielte darauf, die Erfahrungen unterschiedlicher sozialer Gruppen darzulegen, zu systematisieren und so lernend zu erschließen (vgl. Gieseke 1985, 1999, S. 108f). In der Erwachsenenbildung findet sich dieses Bestreben im Zielgruppenansatz wieder; didaktisch-methodisch wurde das Prinzip der Exemplarik entwickelt.

    Google Scholar 

  16. Schäffter spricht in seinem Modell von „lernbereiten Erwartungsstrukturen“. Diese seien „umso wahrnehmungsoffener, je präziser sie festlegen, auf welche widerständige Erfahrungen Irritation ausgelöst wird“ (Schäffter 2001c, S. 163).

    Google Scholar 

  17. Einen viel rezipierten Kompetenzbegriff, der aus der Synergetik abgeleitet ist, vertritt beispielsweise Erpenbeck (vgl. Erpenbeck/ Weinberg 1999). Er setzt Kompetenzen mit individuellen Selbstorganisationsdispositionen gleich (vgl. EBD., S. 153). „Kompetenzen werden durch Wissen fundiert, durch Werte konstituiert, als Fähigkeiten disponiert, durch Erfahrungen konsolidiert, aufgrund von Willen realisiert“(EBD., S. 158, Herv. i.O.). Typen und Verläufe von Kompetenzentwicklung hält Erpenbeck über funktional-quantifizierende Modelle für vorhersehbar. Dies ist aber nur möglich, sofern die strukturellen und situativen Vorsetzungen für eine Entfaltung der individuellen Dispositionen ausgeblendet werden. Weiterbildung wird in diesem Modell folgerichtig reduziert auf „die pädagogische Moderation von Kompetenzentwicklung in offenen und selbstorganisierten Lernarrangements“ (EBD., S. 158).

    Google Scholar 

  18. Krapp hat das Konzept der grundlegenden psychologischen Bedürfhisse für die Pädagogische Psychologie bearbeitet. Demnach sind Motive und Ziele an bestimmte Handlungspläne gebunden und auf bestimmte Gegenstände gerichtet. Das menschliche Bedürfnissystem ist jedoch viel basaler ausgerichtet. Das Gefühl, in einer Sache aufzugehen (Flow-Erleben), kann deshalb trotz großer Anstrengung entstehen. Intrinsische Motivation kann als ein Indikator aktuell gelingender organismischer Integration aufgefasst werden. Zu den grundlegenden psychologischen Bedürfnissen sind zu zählen: Erleben von Kompetenz, das Streben nach Autonomie (Selbstbestimmung) und das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit (vgl. Krapp 2005a).

    Google Scholar 

  19. Im Weiterbildungsdiskurs werden seit einigen Jahren verstärkt Wertorientierungen im Zusammenhang mit beruflicher Kompetenzentwicklung thematisiert (vgl. Heid 2006), beispielsweise indem Werte als Ordnungsparameter sozialer Selbstorganisation verstanden werden (vgl. Kirchhöfer 2004, S. 62). Die Debatte ist forciert worden durch die im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten entstandene Erkenntnis, dass berufliche Weiterbildung systemintegrative, lernkulturelle Funktionen leisten sollte.

    Google Scholar 

Download references

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2007 Deutscher Universitäts-Verlag und VS Verlag für Sozialwissenschaften| GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

(2007). Informelles Lernen — pädagogische Perspektiven auf neu entdeckte Weiterbildungswelten. In: Rahmungen informellen Lernens. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5493-6_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5493-6_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8350-7014-1

  • Online ISBN: 978-3-8350-5493-6

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics